Trotz Elektrozauns und Hütehunden wurden in der Lausitz Schafe gerissen / Jäger sehen sich in ihrer Kritik bestätigt
Elektrisch geladener Weidezaun und Herdenschutzhunde galten bisher als ausreichend, um Schafe vor Wölfen zu schützen. Jetzt ist es den grauen Räubern in der Lausitz zweimal gelungen, dennoch Beute zu machen. Fachleute sehen trotzdem keinen Grund für Ängste. Wolfsgegner hoffen indes, dass die grauen Räuber an Rückhalt verlieren.
Der Zwischenfall vor wenigen Tagen, sagt Schäfer Frank Neumann aus Rohne (Niederschlesischer Oberlausitzkreis), habe sich angekündigt. Als seine Frau am Morgen bei der Schafherde war, um den sie bewachenden Pyrenäenhund Anton zu füttern, habe sie in der Nähe acht bis zehn Wölfe gesehen. Drei Tage später beobachtete Neumann selbst wie Wölfe in Sichtweite der Schafkoppel Rotwild jagten. Am nächsten Morgen lagen zwei Schafe tot in der mit Elektrolitze gesicherten Umfriedung.
«Wenn der Hund nicht gewesen wäre, hätte es bestimmt ein richtiges Massaker gegeben» , vermutet der Schäfer. Anton sei unverletzt, aber völlig erschöpft gewesen. Anfang September hatte es bereits einen ähnlichen Zwischenfall auf einer benachbarten Weide Neumanns gegeben. Auch dort war ein Schaf trotz Elektrozauns und Schutzhundes gerissen worden. Einzelne Wölfe, so die Vermutung von André Klingenberger, hätten gelernt, über Zäune zu springen.
Klingenberger ist seit einem halben Jahr als Wolfsmanager im Auftrag des sächsischen Umweltministeriums im Lausitzer Wolfsgebiet tätig. Vor drei Jahren, so erinnert er, waren es 30 Schafe, die in einer Herde gerissen wurden. Danach holten Schäfer die ersten Schutzhunde in die Region. Das jetzt nur einzelne Schafe getötet wurden, zeige deren Nutzen. «Wir werden das genau beobachten, aber der Standard an Schutzmaßnahmen kann nicht weiter in die Höhe getrieben werden» , so Klingenberger.
Bisher sind es immer noch überwiegend ungesicherte Schafe und Ziegen, die den Wölfen zum Opfer fallen. Auch Zäune, unter denen sich die grauen Räuber durchgraben, können ihre Jagderfolge nicht verhindern. Auf einer Wildtierfarm bei Elsterheide (Landkreis Kamenz) holten sie sich so vor zwei Wochen sechs Schafe und eine Ziege. Am vorigen Samstag halfen Mitglieder des Freundeskreises «Wölfe in der Lausitz» dem Inhaber der Farm, Mario Stenske, den Zaun in der Erde zu verankern.
«Man muss sich schon Gedanken machen, um den Wölfen immer einen Schritt voraus zu sein» , sagt Stenzke. Er habe nur eine kleine Schafherde, mit der er auch schnell mal die Weidefläche wechseln will. «Wenn da immer so eine gut geschützte Koppel notwendig ist, wird das schon schwierig.»
Für Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus, das seit Jahren die Rückkehr der Wölfe in die Lausitz wissenschaftlich begleitet, ist es «schon sehr ärgerlich» , dass vermutlich einige der Raubtiere gelernt hätten, Elektrozäune zu überspringen. Aus anderen Wolfsgebieten sei so etwas jedoch schon bekannt. «Es gibt keinen absoluten Schutz, man kann den Schaden nur minimieren» , sagt Reinhardt. Immerhin seien die Wölfe, die in die Koppel von Schäfer Frank Neumann gelangt waren, durch den Her denschutzhund am Fressen gehindert worden.
Ilka Reinhardt machen die noch immer ungeschützt auf den Weiden stehenden Schafe, oft von Hobbyhaltern, Sorge. «Je öfter Wölfe solche Tiere reißen, umso mehr werden sie ermutigt, ihr Glück auch bei eingezäunten Schafherden zu versuchen.» Solche Erfolge hatten Wölfe in den vergangenen Wochen im gesamten Revier vom Niederschlesischen Oberlausitzkreis bis in den Spree-Neiße-Kreis. Ab 2008 sollen Schafhalter nur noch dann für Verluste entschädigt werden, wenn sie ihre Tiere auch sicher untergebracht haben.
Haupterwerbsschäfer Frank Neumann aus Rohne wird seine Zäune nun mit zusätzlichem Flatterband sichern. Im November kommen seine rund 600 erwachsenen Schafe erst mal bis zum Frühjahr in den Stall. Dann will Neumann sich zwei weitere Herdenschutzhunde anschaffen. «Einer allein hat gegen mehrere Wölfe keine Chance, alle Schafe zu verteidigen.» Doch die Pyrenäenhunde seien teuer, weiß er. Rund 1000 Euro koste die Anschaffung eines Tieres, pro Jahr und Hund weitere eintausend Euro für Futter und Pflege. «In der Schweiz und in Frankreich werden diese Kosten vom Land übernommen, hier nicht.» Bei 6500 Herden-Schafen in der Region seien etwa 50 Hunde für einen effektiven Schutz notwendig.
In ihrer Meinung bestätigt sehen sich durch die jüngsten Wolfsrisse trotz Elektrozauns einige Jäger in der Region, denen die grauen Räuber schon lange ein Dorn im Auge sind. «Dass Wölfe über Zäune springen, haben wir schon lange vorausgesehen» , sagt Stefan Bachmann, Chef des Jagdverbandes Hoyerswerda. «Wir haben genug informiert, jetzt warten wir erst mal ab.» Bachmann und andere Jäger sind der Meinung, es gebe zu viele Wölfe in der Lausitz.
Auch Christian Lissina ist sich sicher: «Die Umstände arbeiten jetzt für uns.» Bei ihm laufen seit dem Frühjahr Beobachtungs-Meldungen für eine eigene Wolfsstatistik des sächsischen Landesjagdverbandes ein. Der sächsische Wolfsmanager André Klingenberger war vor einem halben Jahr auch eingesetzt worden, um zwischen dem Wolfsbüro Lupus und den auf Konfrontation gegangenen Jägern zu vermitteln.
Inzwischen, so Klingenberger, habe es mehrere Treffen mit dem Landesjagdverband im sächsischen Umweltministerium gegeben. Geeinigt habe man sich auf eine wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkung der Wölfe auf den Wildtierbestand. In wenigen Wochen sollen außerdem einige Jäger für die Begutachtung von Wolfsrissen geschult werden.
Hintergrund Die Lausitzer Wölfe
In der Lausitz leben nach Angaben des Wildbiologischen Büros Lupus zurzeit über 30 Wölfe, darunter sind acht «Jährlinge» und mehr als 16 Welpen.
Die Wölfe leben in drei Rudeln auf sächsischem Territorium in der Muskauer und der Neustädter Heide. Ein weiteres Rudel hat sich in der Zschornoer Heide (Spree-Neiße) angesiedelt.
Trotz steigender Wolfszahlen in der Region, ist die Zahl der zweifelsfrei durch Wölfe getöteten Schafe nicht deutlich gestiegen. Laut Lupus-Statistik waren es 2002 insgesamt 33 getötete Tiere, in diesem Jahr bisher 15.
Quelle: Lausitzer Rundschau vom 23.10.07