Sächsische Zeitung
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Wolfsrisse werden nur noch in Ausnahmefällen entschädigt
Von Annett Preuß
Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe hat bisher freiwillig Schäden bei Hobbytierhaltern ausgeglichen. Ab 2008 soll das anders laufen.
Der Besitzer eines gerissenen Kamerunschafes in Milkel hat Glück: Er darf noch auf eine Entschädigung durch die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe hoffen. Ab Januar 2008 bleiben Hobbytierhalter wie er aber auf ihren Schäden sitzen, reißen Wölfe ungeschützte Haustiere im Wolfsgebiet und darüber hinaus in einem Umkreis von 30Kilometern.
Der Umkreis sei wegen der abwandernden Wölfe wichtig, sagt Jana Schellenberg vom Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“ in Rietschen: „Das Regierungspräsidium hat die Halter der rund 6500 Schafe in der sächsischen Oberlausitz vor einem Jahr darüber informiert und angekündigt, dass der korrekte Schutz der Tiere Voraussetzung für etwaige Ausgleichszahlungen ist.“ Das gelte für Landwirte im Haupt- und Nebenerwerb und für Hobbyhalter. Und sei aus ihrer Sicht gerecht gegenüber jenen, die sich in den vergangenen zehn Jahren auf den Wolf eingestellt und Vorsichtsmaßnahmen getroffen hätten.
Das findet auch Frank Neumann. Der Schäfer aus Mühlrose sieht es nicht gerne, stehen Haustiere ungeschützt auf einer Weide. „Es hilft uns Schäfern überhaupt nicht, kommen die Wölfe erst auf den Geschmack“, kommentiert er den jüngsten Vorfall am Ortsrand von Milkel. Der Wolf sei ein Feinschmecker. „Und Schaf mag er, erst recht, wenn es leichte Beute ist.“
Unnötiger Verlust
„Der Riss in Milkel ist ein Beispiel für unnötige Verluste“, sagt Jana Schellenberg. Die kleine Herde sei zwar auf drei Seiten eingezäunt gewesen. Doch der Zaun habe entlang eines 100 Meter langen Grabens gefehlt. Der würde zwar Schafe am Weglaufen hindern, sei aber für Wölfe und Hunde kein Hindernis. „Tierhalter haben Verantwortung“, sagt Jana Schellenberg, „Haustiere gehören deshalb nachts in einen Stall oder hinter geeignete Zäune.“ Bewährt hätten sich Elektrozäune, die ringsherum geschlossen sein müssen.
Das sieht vom Grundsatz her auch Rolf Jaeger vom geschäftsführenden Vorstand der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe so. Der gemeinnützige Verein mit gut 1000 Mitgliedern in ganz Deutschland finanziert sich ausschließlich aus Beiträgen und Spenden. Er ist in der Vergangenheit freiwillig dort eingesprungen, wo die Härtefall-Ausgleichsregelung des Freistaates im Schadensfall nicht gegriffen hat. „Die gilt nur für Landwirte im Haupt- und Nebenerwerb und auch nur dann, wenn der Schaden 1023 Euro übersteigt“, sagt Jaeger. Viele kleine Halter würden ohne die Gesellschaft durch das Rost fallen. Gerade die treffe der Verlust eines Tieres aber oft hart – geschützt oder ungeschützt.
„Für den Verein ist jeder Fall eine Gratwanderung.“ Er wolle den Staat entlasten, aber auch nicht aus der Pflicht entlassen, neue, bessere Regelungen zu schaffen, begründet Rolf Jaeger. „Wir wollen Frieden stiften im Interesse des Wolfes.“ Deshalb behielte sich die Gesellschaft auch in der Zukunft vor, „nach Prüfung in Einzelfällen einen Ausgleich zu zahlen“, sagt Jaeger. Das sei bisher kein Automatismus gewesen oder durch eine Verordnung geregelt und soll es auch künftig nicht sein. Und eine Frage treibt ihn um: „Wie lange gilt die Karte, die die Schafhalter erhalten haben und was ist, wenn ein Wolf außerhalb der Grenzen ein Tier reißt?“
Sicherheit durch höhere Zäune
Vor Überraschungen sind auch Profis wie Schäfer Frank Neumann nicht gefeit. Er hat Anfang September ein Schaf aus einer seiner zwei Herden eingebüßt – trotz Euronetzzaun und Schutzhund. Auch hier will die Gesellschaft den Schaden ausgleichen. „Obwohl nicht sicher ist, dass ein Wolf der Schuldige ist“, sagt Jana Schellenberg. Der Riss sei nicht typisch, der Zaun gelte als sicher. Frank Neumann tippt auf durchziehende Wölfe, von denen einer den Zaun übersprungen hätte. Das Schlachtfeld mit 33 Tieren im Jahr 2002 im Hinterkopf, will Neumann im Frühjahr vorbeugen: „Ein gerissenes Schaf ist eines zu viel, doch es hätten auch 100 sein können“, sagt er zum aktuellen Vorfall. Der Schäfer will statt 90 Zentimeter hoher Zäune nun 108 Zentimeter hohe anschaffen – und dazu zwei neue Herdenschutzhunde. „Alles, was wir bis jetzt gemacht haben, hat gefruchtet.“