Mal eine Frage, von jemandem, der Polizeiarbeit nur aus dem Tatort kennt:
Also nur nochmal kurz für mich:
Ein Täter stürmt Schule, tötet, flüchtet. Polizei stürmt Schule und seine Wohnung kurz darauf, da man nicht weiss, wo er sich befindet.
Polizei stellt Täter irgendwo, finaler Schusswechsel.
Polizei durchsucht Wohnung und kann sicherstellen, daß der Täter eine Waffe Modell Y und x+n Schuss Munition erbeutet hat. Polizei stellt fest, wie er die Waffe bekommen hat, da sich Konsequenzen für den Vater ergeben.
Täter tot, Waffe Y und Munition x sichergestellt, Gefahr gebannt.
Jetzt passiert folgendes:
Die Polizei beschlagnahmt Computer, private Aufzeichnungen, ggf. Medien (Filme, Musik, Bücher...), wertet das aus und gibt es Stück für Stück an die Presse weiter. Es geht schon lange nicht mehr um den Fall, sondern die Öffentliche Pressearbeit zieht zu Gericht mit "Beweisen", die kein Gericht mehr Interessieren würden. Es gibt schließlich nichts mehr zu verhandeln. Der Täter ist bestraft, der Prozeß des Vaters ist eine Formsache (Waffe gelagert, dabei Zugriff durch Unberechtigten ergibt Strafmaß irgendwas).
Aber mit welchem Recht wird der Täter nun öffentlich entkleidet: Persönlichkeitsprofil, Krankengeschichte, Besitz von Dingen & Medien - was bringt das noch? Was will man daraus ableiten und interessiert das wirklich die Polizei?
Macht man das bei jedem Verbrechen? Ich meine, die Tat ist aufgeklärt. Das Verbrechen bereitete kein anderes Verbrechen vor. Ganz sicher, der Täter liegt nämlich auf Eis. Warum z.B. Wotchek Z. das Auto geklaut hat ("Scheinbar wollte er es im Ausland verkaufen!") oder warum Sven N. nachts in die Apotheke eingebrochen ist ("Er war wohl drogenabhängig und suchte Medikamente und Geld!" - "Wow, no shit, Sherlock?") untermauert man doch sicher nicht, indem man ihre Tagebücher beschlagnahmt und ihre Computerspielesammlung einkassiert. Hier käme sicher keiner auf die Idee, daß man nachschaut ob Wotschek in seiner Freizeit Roger Whitacker gehört hat oder ob Sven das Anarchisten Kochbuch auf dem Nachttisch liegen hatte und seine Tat im Chat einem anderen berichtete.
Geisterkrank ist geisteskrank. Und ob er die Tat angekündigt hat oder nicht ist später auch fast egal. Es scheint niemand zu Kenntnis genommen zu haben. Und die totale Kontrolle wird es nicht geben (dürfen).
Was will man damit beweisen? Wozu benötigt man die Beweise noch? Und Sicherung der Beweise war doch sicher Motiv. Mir scheint es so, man glaube diesen Kram aus der Wohnung zusammen ohne wirkliche Verwertbarkeit oder Relevanz, nur um ihn der Presse stückweise intravenös zu verabreichen. Der Schauprozeß findet dann auf Internetportalen und in Tageszeitungen statt. Das dabei noch voreilige Schlüsse gezogen werden, weil falsches ganz schnell "ermittelt" und ebenso schnell wieder zurückgezogen werde muss, finde ich dabei peinlich. Das ganze läuft in einer Echzeit ab, die zwar viele Informationen bietet, die aber nichts taugen, da sie entweder Gerüchteküche oder schlicht nur dafür taugen Polemiker und Schwätzer vor die Kameras zu zerren.
Ich will damit nicht, die Polizei als solches angreifen - ich war schon begeistert, mit welcher Geschwindigkeit und welchem Aufgebot hier ernsthaft zugegriffen wurde. Sie halten die Knochen hin. Danke dafür!
Aber das "Ermitteln" rund um den Fall finde ich bedenklich. Sind eben diese "Ergebnisse" durch den Wolf gedreht die Ikonifizierung, die anderen Tätern als Nachahmer dient oder Aufhänger für vorschnelle Forderungen und Ideen, die keinen Zugewinn an Sicherheit bringen, eher Angst schüren die Familie des Täters - auch Opfer - bundesweit bloßstellen und entkleiden.
Die Frage also: wo liegt der Sinn darin, das Eigentum nach der Tat zu beschlagnahmen und danach eine Inventurliste an die Presse zu geben? Gefahr im Verzug wird es nicht sein. Braucht ein Richter dieses Material? Oder braucht es die Politik/Presse? Warum gelangt es an die Öffentlichkeit? Wo bleiben da die Rechte auf Privatsphäre bei der Familie?