Ein wenig Offtopic und als Denkanstoss zum Wochenende gedacht:
*Kopfkino an*
Jäger X richtet sich ein, auf die Jagd zu gehen. Um seine Umgebung nicht zu verunsichern, packt er seine Tarnklamotten in eine normale, bunte Sporttasche ein. Er vermeidet es, grüne Taschen oder Taschen in Tarnoptik oder Taschen mit eindeutigen Beschriftungen ("Ich bin Jäger und das ist gut so") zu nutzen. Seine Waffe baut er auseinander und verpackt sie in ein Behältnis, dass für den unbedarften Betrachter nicht als Waffenkoffer zu erkennen ist. Ihn zieren auch keine eindeutigen Aufkleber oder Beschriftungen und auch kein Schriftzug der von ihm favorisierten Waffenfirma.
Die Gummistiefel hat er in seinem Fahrzeug unter einer Sichtblende versteckt. Auch sein Fahrzeug ist nicht als jagdliches erkennbar. Er freut sich sogar über jeden SUV, den er in der Stadt sieht und die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass immer mehr Menschen SUVs fahren und nicht nur mehr Jäger.
Früh, in der Dunkelheit, angezogen in normalen Jeans und einem Kapuzenpulli besteigt er sein SUV, reiht sich in den morgendlichen Verkehr ein und freut sich über jeden anderen SUV, den er sieht, denn jeder hilft ihm, seine Anonymität zu wahren.
Im Revier angekommen, sucht er als erstes einmal einen dunklen Waldweg auf. Hier zieht er sich um, Jeans und Kapuzenpulli weichen den Tarnklamotten, die modischen Sneakers den Gummistiefeln.
Seine Waffe baut er zusammen, natürlich nicht ohne den Schalldämpfer zu montieren, den er sich nicht aus Gründen des Schutzes seines Gehörs gekauft hat, sondern, damit sein Tun auch von einem arglosen Waldspaziergänger nicht erkannt wird und er auch keinen verschreckt.
Der Ansitz war erfolglos, irgendwie ist er dankbar, denn so konnte auf den sonst üblichen besondere Augenmerk auf Schweisspritzer an seinem Auto verzichten. Nichtsdestotrotz führt sein Weg aus dem Revier (nachdem er sich wieder umgezogen hat) direkt zur nächstgelegenen Waschanlage, um das vom Waldweg verschmutzte SUV wieder zu reinigen, nur so kann er in die Anonymität der anderen SUVs in der Stadt wieder untertauchen.
Jäger X. mag das eigentlich nicht, er würde gerne offener mit seiner Leidenschaft Jagd umgehen, aber leider sind in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Jäger dazu übergegangen, ihre Waffen zu verstecken und mit der fehlenden Sichtbarkeit von Waffen und Jägern in der Öffentlichkeit wurden diese zu einem immer grösseren Tabu. Und auch der zunehmende Vorwurf der Öffentlichkeit, so schizophren er sein mag, dass nämlich Jäger heimlich im Wald viele Dinge machen, stört ihn, aber er als Einzelner kann da ja nichts machen, denkt er sich.
*Kopfkino aus*
Jäger ****** geht in seinem Revier der Ortschaft, in dem er wohnt, zur Jagd. Seine Nachbarschaft und auch die Dorfgemeinschaft kennen ihn, die Büchse oder Flinte auf dem Rücken, oft genug voll im Tarn, alternativ die Glock oder den silber glänzenden 686er am Gürtel. Jeder weiss, warum er die letzteren bei sich trägt, da er ihnen bei Gesprächen und Nachfragen im Wald und Feld erläutert hat, dass er sich bei Nachsuchen auf Wildschweine damit deutlich wohler fühlt. Auch das große Kaliber muss sein, da den Dorfbewohnern im Gespräch erst klar wurde, dass Wildschweine in unseren Breiten auch gerne mal 100 Kilo und mehr Lebendgewicht auf die Waage bringen.
Der für viele zunächst gewöhnungsbedürftige Tarnanzug wurde erläutert, das Wild erkennt ihn einfach nicht so gut, das steigert den Jagderfolg.
Der Wildträger an seinem Jimny hinten wird auch häufiger begutachtet. Schon häufig fanden ihn die Dorfbewohner, die Sonntags morgens beim Bäcker ihre Brötchen holen, beladen mit einem Reh oder einem Wildschwein. "Unser Jäger kommt offensichtlich seinen Aufgaben nach, sehr gut". Jagd ist ja erforderlich. "Der Sonntagsbraten ist gesichert" ist der übliche Kommentar beim Bäcker.
Da stört es auch keinen, dass auf dem Radweg plötzlich eine Schweisspur zu sehen war, weil nächtens der Jäger in den frühen Morgenstunden die Abkürzung bei der Bergung seiner schweren Beute genommen hat. Auch die Bluflecken auf der Strasse vor seinem Haus stören niemanden mehr. Im Gegenteil: Sie inspirieren zur Nachfrage. Schweissflecken am Auto oder dem Wildträger gehören dazu. Jagd ist nun einmal blutig, das lässt sich und soll nicht abgeleugnet werden.
Selbst die Eltern, die von ihren Kindern berichtet bekommen, dass der ****** gerade mit einem Wildschwein hintendrauf durch die Strasse gefahren ist, schicken die Kinder zu ihm los, was dazu führt, dass drei Orgelpfeifen bei ****** vor der Tür stehen und "Wildscheinguggenwollen" - was sie natürlich auch dürfen. Das Blut in der Wilddusche wird betrachtet und kommentiert, nur bei der Nachfrage, ob sie helfen wollen, den Keller zu putzen haben sie dann was besseres vor ;-) .
****** macht das anders als Jäger X. Er hat schon immer auf Transparenz geachtet. Es soll knallen, dann wissen die Leute, dass gejagt wird. Er steht Rede und Antwort, versteckt sich nicht. Und wenn sein Auto kaputt ist, marschiert er auch mit der Waffe auf dem Rücken zum Ansitz oder seine an der in der Nähe des Wohnhauses von ****** stehenden Kanzel abgesetzten Jagdgäste laufen nach dem Ansitz auch einmal mit der Büchse die letzten Meter durchs Wohngebiet zu ******'s Haus. Kennt man, ****** hat Jagdgäste. Viel Spass und wie heisst das noch "Ahja, Waidmannsheil".
So wird der Jäger mit Waffe als ein völlig normaler Umstand angesehen, wie der Landwirt mit seiner Mistgabel.
Die Waffe gehört zur Jagd dazu und deshalb trägt ****** die Waffe offen - und weil er es darf und weil er es auch in Zukunft machen will und sich in Zukunft nicht wie Jäger X. verstecken will.