Vor mehr als zehn Jahren war ich in der Nähe meines Wohnortes in einem Revier als Begeher unterwegs. Nach Kilometern nahe war die Fahrt immer sehr zeitaufwändig, weil es nur eine gewundene Straße durch Wald mit vielen Steigungen und Gefällen und durch mehrere „Straßendörfer“ gab. In der Folge kam es hier eigentlich praktisch jedes Wochenende zu Unfällen (in dem einen Ort war eine große Disco) und nicht selten zu Wildunfällen.
Einmal war es direkt am Ortsausgang, es war bestimmt so gegen drei Uhr früh. Ich hatte an der Kirrung (lang vor jeder Nachtsichttechnik) ein Schweinchen geschossen, das nun aufgebrochen in der Kühlung hing und wollte nach Hause. Knapp 100 Meter nach dem Ortsschild stand warnblinkend ein Auto auf der Straße. Ich hielt an und stieg aus.
Ein Typ kam auch mich zu, sein Auto, sein Auto, sein Auto, sein Auto blah blah
Im nächsten Moment, noch bevor ich gesehen hatte, was Sache ist, hörte ich einen Schrei, der mir wirklich durch Mark und Bein ging: Als ob die Hölle ihre Tore geöffnet hätte und eine gequälte Seele schrie. Ich habe mich so erschrocken, das werde ich nie vergessen.
Nun sah ich auch, was los war: Eine angefahrene Geiß lag auf der Straße, die gebrochenen Rippen waren durch die Körperseite heraus getreten und standen wie Spieße vor. Das Stück schlug auf dem Rücken und der Seite liegend bzw. hin und her rollend wild um sich.
Was tun? Der Pächter (es war ja der Nachbar) war von Beruf Notfallsanitäter und arbeitete Schicht. Zudem war es wirklich eine Notlage, das Reh litt offensichtlich schlimme Qualen. Allerdings hatte ich nur eine Glock 34 mit EFMJ 9x19 dabei und fürchtete, dass Gummigeschoß konnte unkontrolliert abprallen und sonst etwas passieren. Kalte Waffe ging nicht, das Herantreten war zu gefährlich, denn die harten Schalen können zu üblen Verletzungen führen.
In der guten alten Zeit vor Schalldämpfer und Nachtsicht hatte ich aber eine Bockbüchsflinte. Also ging ich zehn Meter zurück, damit sich die Garbe öffnen konnte, und schoss dem Reh mit Schrot aufs Haupt. Ende. Ich hab es dann an den Straßenrand gelegt.
Der Typ hat mich dann weiter wegen seinem Auto vollgelabert und mir sein Handy gegeben; die Polizei war am anderen Ende. Ich habe denen dann gesagt, was passiert ist und das ich mir keineswegs sicher bin, ob mein Gegenüber nicht einen in der Krone hätte. Dann hab ich dem absolut herzlosen Typen – der eine Wildunfallbescheinigung von mir wollte - noch gesteckt, was genau er mich mal kann.
Morgens hab ich dann meinen Pächter und der den Nachbar angerufen, alles ok, vielen Dank, dass ich mich gekümmert hätte.
Trotzdem werde ich diese Nacht, in der sich das akustische Tor zu Hölle aufgetan hatte, sicher niemals vergessen.