Vor zwei Wochen kam meine geliebte Voere in 9,3x64 endlich vom Büchser zurück und wurde von mir sogleich mit dem Leupold VX-6 1-6x24 und RWS Uni Classic eingeschossen - genau rechtzeitig deinen Tag vor der DJ im Nachbarort, denn dort kommen fast immer Sauen vor. Ca. 30cm Schnee waren in den letzten Tagen gefallen, der Morgen bitterkalt - aber die Sonne blinzelte manchmal schon zwischen den Wolken hindurch, es verspricht also ein wunderschöner Jagdtag zu werden! Auf der ausgeteilten Revierkarte sah der mir zugewiesene Sitz erstmal nicht sehr vielversprechend aus, lag er doch unweit des Treffpunkts und offenbar auch nahe an einem vielbefahrenen Waldweg. Der Jagdherr aber machte mir den Sitz schmackhaft, er habe dort extra die letzten Wochen Sauen angekirrt und die Kirrung sei auch sehr gut angenommen - zudem kenne er ja meine Vorliebe für dicke Kaliber und so wäre das der optimale Sitz für mich. Nu denn!
Um 8:30 Uhr saß ich auf der bequemen, in alle Richtungen offenen Kanzel, um 8:45 Uhr sollte das Treiben beginnen. Eine Stunde später nähert sich vielversprechendes Hundegeläut, ich mache mich fertig und tatsächlich kommt, der Hund ist noch lange nicht in Sicht, ein Reh spitz auf meinen Sitz zugeflogen. Als es die Kanzel sieht, korrigiert es seinen Kurs leicht, hält dann auf ca. 40 Meter Entfernung zweimal kurz inne um nach seinem Verfolger zu schauen und sich zu orientieren. Beim zweiten mal steht es zwischen zwei Buchen frei und breit - da geht das 19gr-Geschoss auch schon auf die Reise, triff es wie erwünscht direkt hinter dem Blatt in die Kammer.. Es zeichnet ganz leicht, geht noch ein paar Meter und bricht in einem lichten Gebüsch zusammen. Kurz darauf kommt der "Verfolger", bewindet das erlegte Stück und stürmt wieder davon. Da ich auf den vorhergehenden DJ´en immer genau ein Reh geschossen habe, ging ich davon aus meine übliche Tagesstrecke somit wieder erfüllt zu haben und machte mich auf einen gemütlichen Restansitz gefasst. Tatsächlich tat sich dann auch erstmal nichts weiter, ab und zu vernimmt man Schüsse, irgendwann zieht die Treiberwehr durch und macht einen Hasen hoch, aber weiteres Schalenwild kommt nicht mehr in Anblick.
Die Jagd sollte um 12 Uhr enden, es ist gegen 11:45 Uhr als ich, im Geiste schon die Sachen zusammenpackend, hinter mir ein Knacken höre. Ich drehe den Kopf, da steht auf einer schmalen Schneise hinter mir ... ein Überläufer. Der würde passen! Der Sitz ist auch entsprechend nach hinten offen, aber ich kann mich im Ansitzsack sitzend wohl kaum schnell genug um 180° drehen, geschweige denn in eine vernünftige Schussposition kommen! Aber ich habe Glück: Die Sau setzt ihren Weg so fort, daß sie ca. 30 Meter rechts von meinem Sitz durch das lichte Gestrüpp trabt. Ich bin inzwischen aufgestanden, die Waffe im Anschlag, der Leuchtpunkt fährt mit der Sau mit und als sie zwischen zwei Bäumen kurz frei ist, geht die Uni Classic auf die Reise. Die Sau ruckt ob des Kammertreffers zusammen, macht auf dem Absatz kehrt und rennt zurück in die Richtung aus der sie kam, prallt mit voller Wucht gegen eine dicke Buche, rappelt sich nochmal auf, bleibt nur wenige Schritte weiter aber im Schnee regungslos liegen. Mein Puls rast, ich kann noch gar nicht fassen was passiert ist. Auf dem Kanzelboden sehe ich die leere Hülse liegen - also habe ich mal wieder, ganz ohne es zu merken, sofort nach dem Schuss repetiert - immer eine sehr beruhigende Feststellung! Gerade will ich mich nach der Hülse bücken, da höre ich ein weiteres Knacken aus der Richtung aus der die erste Sau herkam: Eine zweite, stärkere Sau kommt die Schneise entlang und hält fast direkt auf meinen Sitz zu, aber auch sie biegt zum Glück leicht vom Kurs ab und will mich in einem Abstand von 15-20 Metern passieren. Noch während ich die Waffe hoch nehme, bemerke ich den großen Schweißfleck vor dem linken Hinterlauf der Sau - die Sau ist schwer krank, der Schuss muss also auf jeden Fall sitzen!! Die Sau zieht durch Gestrüpp und zwischen Bäumen hindurch, der Leuchtpunkt folgt ihr, sie ist aber einfach nie richtig frei. Dann kommt eine Rückgasse, das ist meine Chance! Bevor es aber die Lücke überquert, bleibt das Borstenvieh hinter einem lichten Busch kurz stehen - wohl um zu prüfen ob die Luft rein ist. Das Absehen steht auf der Kammer der Sau - soll ich trotz der dünnen Äste schießen? Einen Bruchteil einer Sekunde zögere ich, doch erstens muss die schwerkranke Sau um jeden Preis beschossen werden und zweitens habe ich hier ja meine treue 9,3 in den Händen, nicht die empfindliche .308 und schon schiebt mir die Voere mit einem freundschaftlichen Stoß die Schaftkappe in die Schulter. Die Sau ruckt zusammen, macht dann ebenfalls auf dem Absatz kehrt, rennt ein paar Meter, bleibt an einem Strauch hängen, macht einen halben Salto rückwärts und liegt dann ebenfalls mausetot im Schnee. Stille.
Ich komme mir vor wie in einem Film, kann kaum glauben was sich da gerade alles abgespielt hat. Im Schnee sieht man zwei große Löcher, dort sind die aus dem Wildkörper austretenden Geschosse in den Boden gefahren und haben in einem Halbkreis dahinter Erde in den Schnee katapultiert und trotz der kurzen Fluchten sieht man überall um meinen Stand herum Schweiß im Schnee, als hätte man ihn mit einer feinen Gießkanne verteilt - es sieht irgendwie aus wie auf einem Schlachtfeld! Zitternd fingere zwei neue Patronen aus der Schachtel um für möglichen weiteren Anlauf gewappnet zu sein, aber nichts regt sich mehr. Dann ist es 12 Uhr, ich ziehe das Reh auf den Weg und werde dort schon von meinen Standnachbarn erwartet. "Waidmannsheil zum Reh, hast du dafür dreimal schiessen müssen?". "Ja, ich habe dreimal geschossen, bitte seid so nett und helft mir noch die zwei Sauen auf den Weg zu ziehen die noch da drin liegen". Erst Gelächter wegen des guten Witzes, dann klappen die Unterkiefer runter und natürlich packen sie mit an. Kaum liegt das Wild am Weg, kommt ein weiter entfernter Schütze angelaufen - ob ich eine angeflickte Sau gesehen oder gar beschossen hätte. Als ich ihm die entsprechende Sau zeige, fällt er mir aus Erleichterung fast um den Hals. Das Reh hatte übrigens 15kg, der ÜL 25kg und die Sau 35kg. Insgesamt kamen an diesem Tag 9 Sauen, 7 Rehe und 3 Füchse zur Strecke. Kann man sich einen schöneren Jagdtag vorstellen?
Markus