Nur indirekt zum Thema, aber doch hierher gehörend, weil es auch bei Durchgehern genug Mist gibt.
Man kann es ja auch einfach überspringen.
Zum Schusswaffeneinsatz durch durchgehende Hundeführer auf der Drückjagd.
Die Unfallverhütungsvorschrift ist eindeutig: Waffen sind von durchgehenden Schützen unterladen zu führen, der Schuss ist nur zum Selbstschutz, an von Hunden gestelltem Wild und zum Fangschuss erlaubt. Durchgehschützen gibt es also nicht. Der Begriff ist ein Unwort.
Betrachten wir also die Ausnahmeregeln, zuerst den Selbstschutz: Es kann vorkommen, dass Sauen Menschen aktiv angreifen. Besondere Notsituationen, etwa Verletzungen des Wildes, Zwangswechsel, Muttertiere, können diese Angriffssituation begünstigen. Die Regel sind Angriffe von Sauen auf Mensch jedoch nicht. In den meisten Fällen sind die Angriffe auch nur Scheinangriffe oder „Durchmärsche“ bei denen es reicht einfach aus der Linie zu gehen. So griff mich die vergangene Saison ein Keiler an, bei dem ich die Waffen schon blinken sehen konnte. Ich hätte ihn sowohl in eine Saufeder auflaufen lassen als auch mit einer Schusswaffe einen quasi aufgesetzten Fangschuss setzen können. Eine Sauffeder führte ich nicht. An Herumgeballere in dem dichten Gelände hatte ich kein Interesse. Der Keiler passierte mich ohne weitere Folgen.
Echte Notwehrsituationen kommen auf der Saujagd nahezu ausschließlich dann zustande, wenn der HF diese quasi „provoziert“. Damit ist gemeint, dass der HF eben nur gefährdet ist, weil er der Sau nachgeht und/oder den Hunden hilft. Für alle anderen ist eine wirkliche Gefährdung so gut wie auszuschließen. Dies sagt bereits in aller Deutlichkeit, dass wenn überhaupt nur ein HF eine Schusswaffe führt, nicht jedoch hundelose Mitgeher, Gruppenführer usw.. Niemand muss auf die Saujagd gehen, wer also um Leib und Leben fürchtet, darf auch daheim bleiben. Ein Streckemachen in der Jagd verbietet schon die UVV.
Werden sachgerechte Hunde geführt, verringert sich die Gefahr eines ernstzunehmenden Angriffs durch ein Stück Schwarzwild weiter, weil die Hunde den HF schützen wollen und ihn, weil geeignet, auch tatsächlich schützen können. Vor allem der Einsatz falscher Hunde und die eigene mangelnde Bereitschaft sich einer Aufgabe zu stellen sind dann der wahre Grund für das Mitführen einer Schusswaffe als HF, noch schlimmer als Treiber.
Zwischenfazit: Der Selbstschutz ist also de facto nur vorgeschobenes Argument, um auf Sauen entgegen der UVV zu schießen. Da ziehen dann diese „HF“ und „Treiber“ los um eine Jagd in der Jagd zu machen mit dem Spruch auf den Lippen: „Und wenn eine Sau nur böse guckt …“.
Betrachten wir die zweite Ausnahmeregel, der Schuss auf von Hunden gestelltes Wild: Wie in Band I schon dargestellt, werden Hunde nicht nur durch Geschosse und Geschossreste gefährdet, sondern allein schon durch den Geschossknall. Jeder Ungläubige möge sich halb schräg vor die Mündung einer abzufeuernden Waffe stellen und aus Selbstversuch klug werden. Schweisshundführer, die häufiger an ihrem Hund schießen, geben ganz unumwunden zu, dass ihre Hunde taub werden. Für einen reinen Schweisshund mag das noch akzeptabel sein, für Drückjagdhunde nicht. Die Situation auf einer Drückjagd mit beischlagenden Hunden ist auch deutlich unübersichtlicher als die auf einer Nachsuche mit nur einem Hund. Neben der Gefährdung der Hunde spielt aber auch der Lerneffekt der Hunde eine Rolle. Kommt der Mensch, müssen die Hunde halten, zu ihrer eigenen Sicherheit, zum Schutz des Menschen und um die Sache zu einem schnellen Ende zu bringen. Halten die Hunde nicht, rückt die Sau oder nimmt an. Der Tanz geht erneut los und zieht sich ggf. stundelang hin oder endet gar erfolglos. Ich kann, Gott sei es gedankt, keine echten Negativbeispiele aus eigenem Erleben anführen, bei denen Hunde in derartigen Situationen verletzt wurden. Jedoch berichtete mir ein Jäger, er habe auf eine Sau geschossen, bei der der Hund mindestens drei Meter seitlich daneben gestanden hätte. Der Hund wurde verletzt und hatte Geschosssplitter im Körper. Das ist dann kein Unfall, sondern wenigstens grob fahrlässig.
Zwischenfazit: Es gibt nur sehr wenige Situationen auf einer Drückjagd, bei denen ein verantwortbarer Schuss auf von Hunde gestelltes Wild überhaupt möglich ist. Für die Hunde ist dies ausnahmslos mit einer falschen Verknüpfung und einem negativen Lerneffekt verbunden. Da, wenn überhaupt nur der HF selbst schießt und zwar der HF, dessen Hunde halten bzw. stellen und nicht der HF, dessen Hund(e) in der Peripherie herumspringt, ist es nicht nachvollziehbar, dass die HF entsprechender Hunde, die nicht stellen bzw. halten oder noch schlimmer Treiber ohne Hund Schusswaffen mitführen.
Kommen wir zur dritten Ausnahmeregel, dem Fangschuss: Der Fangschuss an von Hunden gestelltem Wild scheidet aus vorbenannten Gründen aus. Es bleibt der Fangschuss auf offensichtlich krankes Wild an dem (noch) keine Hunde sind. Dies ist tatsächlich die einzige Ausnahme für die das Mitführen einer Schusswaffe tatsächlich Sinn macht. Es dient nicht zuletzt auch den Hunden, wenn riskante und lange Hetzen so ggf. unterbunden oder wenigstens verkürzt werden können. Auch dient es dem Tierschutz, wenn ein verletztes Tier ohne vorherige Auseinandersetzung mit den Hunden schnell erlöst werden kann. Ferner dient es der Jägerschaft, die sich nicht dem Vorwurf zu stellen braucht, sie wolle nur mit der blanken Waffe agieren.
Zwischenfazit: Der Fangschuss ist berechtigt, wenn Sicherheit gegeben ist und keine Hunde da sind. Es gilt aber auch für die Situation des Fangschusses unbedingt das Bewusstsein zu schärfen und im Zweifel eher nicht zu schießen.
Dazu ein paar Beispiele: Die Hunde fingen einen angeschossenen, starken Frili. Ein Standschütze verließ seinen Stand und lief Richtung Bail. Ein Messer hatte er nicht. Carina kam als erstes bei dem Bail an. Der Standschütze bot ihr seine Waffe an. Carina verwies auf ihr Messer. Als Carina an die von zwei Hunden gehaltene Sau trat, schoss wie aus dem Nichts, ohne zu zögern und die Sau packend Burgl aus den Brombeeren. Ganz unabhängig davon, dass hier ein Schuss wegen der zwei haltenden Hunde schon nicht möglich gewesen wäre, kann eben bei mehreren Hunden in unübersichtlichem Gelände jederzeit eine vergleichbare Situation eines beischlagenden Hundes eintreten.
Eiskalt lief es mir nach folgendem Erlebnis den Rücken herunter. Wir jagten in einem Brombeergenist voller Saukessel und Wechsel, das Jahr war schon fortgeschritten und die Brombeeren heruntergefroren, so war das Gelände teilübersichtlich. Auf ca. zehn Meter kam von links nach rechts eine starke Sau an mir vorbei. Diese versuchte zu springen, kam aber nicht richtig vorwärts und war offensichtlich schwer krank. Ich überlegte zu schießen, hatte aber keinen genauen Überblick, wo die Hunde waren. Carina rief: „Hans ist da dran“. Ich dachte, Hans ist auf der Fährte und würde die Sau gleich stellen. Als aber die Sau sich auf einer Linie mit mir befand, sah ich die weiße, befederte Rute von Hans auf der anderen Seite am Ende der Sau. Die Sau war so groß, dass sie den Hund komplett verdeckte. Hans hatte die Sau in der Flanke gepackt und versuchte sie zu halten. Ihm fehlte es aber an Kraft und günstigem Griff (bspw. am Teller), so dass die Sau mit dem Hund vorwärtsrückte. Hätte ich die Sau beschossen, die leicht zu treffen gewesen wäre, und hätte ich mittendrauf geschossen, wäre ein wahrscheinlicher Durchschuss direkt bei Hans durch den Kopf gegangen.
Ich habe im Nachgang vielen Jägern dieses Horrorerlebnis erzählt. Um eine Sensibilisierung zu schaffen und meine Hunde zu schützen. Das erschreckende Ergebnis war aber, dass häufig diese Schilderung eines erfahrenden Hundeführers als Persilschein genommen wurde, falls mal etwas passieren würde.
Man kann es deshalb nicht genug sagen und schreiben, der Schusswaffeneinsatz auf der Drückjagd im Treiben, in unübersichtlichem Gelände und mit mehreren Hunden ist immer mit einem hohen Risiko behaftet.
Auf dem Stand hat man mehr Zeit und einen besseren Überblick. Aber auch hier gilt, im Zweifel nicht zu schießen, keine Kunstschüsse zu wagen, und bei Anomalien (wie hier bei der Hoppelsau) zweimal hinzugucken. Für im Treiben befindliche Jäger ist das zu häufig eingegangene Risiko eines Schusses den möglichen Ertrag nicht wert.
Besser ist es mit den richtigen Hunden zu jagen. Diese bekommen die kranken Sauen auch, sprengen die Rotten, anstatt sie herauszuhüten oder gar nicht zu bewegen, sie finden die Sauen immer und liefern so den besten Beitrag für den Jagderfolg, der ohne sie kaum möglich wäre, und den ein unüberlegtes, riskantes Schießen niemals kompensieren kann. Ganz unabhängig vom tatsächlichen Jagderfolg dürfte die Wertigkeit von Hunden zu einer weiteren gestreckten Sau wohl außerhalb jeder Diskussion stehen. Der riskante Schuss ist deshalb auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Hunden und deren HF.
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Psychologisch haben Sauen auf viele Jäger eine verheerende Wirkung. Da ist es umso gefährlicher, wenn unerfahrene Jäger jetzt endlich eine richtige Jagd erleben wollen, mit den Hunden ins Dichte ziehen und sich dann dort in Situationen wiederfinden, denen sie nicht gewachsen sind. Meine kleine und eher leichte Partnerin Carina zieht, wenn sie nicht auf dem Stand steht, ohne Schusswaffe mit den Hunden gegen die Sauen. Sie hat vermutlich mehr Sauen mit der blanken Waffe abgefangen als viele der schusswaffentragenden Durchgeher. Wenn dies einer kleinen Frau möglich ist, muss es auch anderen möglich sein. Die Schusswaffe ist deshalb de facto bei den meisten nur Kompensation für Beutegeilheit, Feigheit und/oder Unvermögen.
Praktisch ist die Langwaffe eher nicht. Wenn man wirklich im Dichten an den Bail will, ist sie hinderlich. Wir hatten schon Jagden, da war selbst der Bergstock mit einer Eisschicht überzogen. Auf solchen Jagden sind die auf dem Rücken getragenen Waffen der Durchgeher zugefroren. Rein praktisch ist es aber auch unmöglich eine Jagd in der Jagd zu machen, wenn die Krachlatte zuhause ist.
Psychologisch ist zusätzlich die Versuchung nicht gegeben. Es empfiehlt sich auch mit Blick auf das Wesen mancher Jäger, dass umso weniger sachgerechte Hunde geführt werden und damit die Gefährdung des Jägers und seine Angst steigt, dass umso unerfahrener der Jäger ist und damit seine Beutegeilheit ggf. überproportional hoch, jedenfalls unkontrollierter ist, desto eher eine Schusswaffe eben genau nicht geführt werden sollte.
Die Mehrheit der deutschen Jäger in ihrer Perfidie werden aus diesen Überlegungen aber bestimmt das Gegenteil stricken, nämlich: Das Mitführen einer Langwaffe ist als Ausweis von Erfahrung zu werten.
Ich habe zu viele Jungjäger, die nicht einmal einen Hund führten, auf den Jagden im Treiben gesehen, die mit einer Schusswaffe ausgerüstet waren. Die HF mit mehreren und erfahrenen Hunden dagegen verzichten meist auf das Mitführen einer LW und nutzen maximal einen KW als Backup Waffe.
Es bleibt jedem unbenommen auf der Einzeljagd mit entsprechenden Hunden, Sauen vor seinem Hund zu erlegen. Aber doch bitte nicht auf Jagden, wo eine größere Anzahl von Hunden unterwegs ist. Hervorragend geeignet für die Einzeljagd mit dem Hund auf Sauen sind PRT und Teckel, evtl. auch Vorsteher, die die Sau eben sicher vorstehen. Das dies natürlich wenig mit einem Sprengen von Sauen und einer Saujagd in schwerem Gelände zu tun hat, dürfte selbstredend sein. Diese Hunde taugen als Finder, diese Art von Vorsteher auch dazu nur bedingt. Die Gefährdung durch den Schussknall sollte der Jäger auch hier im Blick behalten.
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Meine heilige Dreifaltigkeit für den durchgehenden Hundeführer lautet deshalb.
- Gute Hunde, auf die Verlass ist.[1]
- Können und Erfahrung.[2]
- Ein ausreichend langes Messer.
Zum Abschluss und zur Überleitung auf das nächste Kapitel noch die Karikatur eines Jägers wie sie das reale Leben gemalt hat. Wir sind auf eine Jagd geladen, bei der ich extra vorher darauf hingewiesen habe, was ich von Durchgehschützen halte. Bei der vorbildlichen Sicherheitsansprache wird auch auf die UVV verwiesen. Eine Jagd in der Jagd wird deutlich untersagt. Das Gebiet wird in Sektionen eingeteilt, die einzelne HF oder kleine Gruppen treiben. Zusätzlich werden Hunde vom Stand geschnallt. Gejagt wird nach der Uhr. Soweit so gut, gute Planung und Organisation. Diese Form der Saujagd halte ich oftmals für die beste. Ich bin mit meinen Hunden allein in einer Sektion und kann mich ohne Treibergeplärre auf die Arbeit meiner Hunde konzentrieren – herrlich. Die Hunde bringen Wild auf die Läufe, wir können eine angeschossene Sau erlösen, alles ist wunderbar. Ich bin genau passend kurz vor dem verabredeten Ende wieder am Wagen, versorge die Hunde und ziehe mich um. Ab 13.00 Uhr galt Hahn in Ruh. Aus dem Busch kommt kurz nach 13.00 Uhr ein Faktotum erster Güte, eine Mischung aus Charly Chaplin, jedenfalls vom Gang, alternder Dorfschönheit und Inkarnation eines Little-man-Syndroms. Ich betrachte mir schon im Wagen sitzend mit einer gewissen Abscheu diese Witzfigur. Er hampelt mit seinem Chaplingang auf dem geschotterten Weg herum und wartet wohl auf die Reste seiner Gruppe. Es knackt im Busch. Das Faktotum reißt seinen Karabiner vom Rücken und lädt ihn durch. Aus dem Busch kommen zwei Treiber, die nach äußerer Erscheinung und Kleidungsstiel zweifelsfrei zu dieser Lachnummer gehören.
Eine Selbstschutzsituation lag hier höchstens für mich, mein Augenlicht und mein gesundes Seelenleben vor. Hunde hatten hier nichts gestellt. Ein Fangschuss wäre hier wohl für alle drei Lichtgestalten angemessen gewesen, aber doch bitte im privaten Rahmen und nicht auf einer Gesellschaftsjagd. Dass sie Uhrzeit des Treibens längst überschritten war, war nur das I-Tüpfelchen auf diesem Gesamtkunstwerk eines Nichtskönners.
[1] Gerade durch den Schuss auf Sauen, die von Hunden gestellt sind, werden Hunde eben nicht verlässlich, sondern lernen wegzuspringen, wenn der HF kommt.
[2] Können kann man trainieren, beides sich erarbeiten.