Im Verein Deutsch Stichelhaar steht es nicht zum Besten: Der Zuchtwart wurde nach nur einem Jahr
abberufen. Dabei hat dieser Vorstehhund große Probleme. Im Chaos von Eitel- und Zuständigkeiten
ist es auf der Lebensuhr der Rasse vermutlich schon Fünf nach Zwölf.
J AGDHUNDEZUCHT
Eklat bei Stichelhaar
54 WILD UND HUND 11/2008
UNSERE HUNDE
FOTO: KARL-HEINZ VOLKMAR
Markus Wörmann
Am 13. April 2008 fand laut Beobachtern
eine äußerst merkwürdige
Mit gliederversammlung des
Vereins Deutsch Stichelhaar statt: Es sollen
rund 90 Personen im Saal gewesen
sein – aber per Vollmachten mehr als 190
Stimmen! Dem gesamten Vorstand wurde
zunächst Entlastung erteilt – der
Zuchtwart aber wegen angeblicher Verfehlungen
später abgewählt!
Einigen Mitgliedern platzte nach dieser
Veranstaltung der Kragen. So auch
Dr. Peter Kröll aus Koblenz. Seiner Meinung
nach seien die Gründe für die Abwahl
des Zuchtwartes Rainer Hornung
vorgeschoben. Sie lauteten „sehr schwere
Erreichbarkeit“ sowie „keine Zusammenarbeit
mit Zuchtkommission und
Geschäftsführung“.
So hatte es zumindest Gerhard v. Bloh
in seinem Antrag an die Versammlung
formuliert. Telefonisch nachgefragt, was
hinter diesen Vorwürfen steckt, räumt
v. Bloh ein, dass das „nicht so gemeint
war“. Er hätte diesen Antrag in Rücksprache
mit dem Vorstand gestellt. Zur Person
des Zuchtwartes und seiner Arbeit
befragt, sagt v. Bloh: „Er war etwas zu
übereifrig!“ Befürworter Hornungs, wie
Dr. Peter Kröll, sagen, der entmachtete
Zuchtwart habe endlich Licht in die
Zucht bringen wollen.
Der Abgewählte versichert, ihm
wäre es seit seiner Wahl im Jahr 2007
vorrangig um den Erhalt der Rasse gegangen.
Der restliche Vorstand hätte ihm
dabei Steine in den Weg gelegt und Unterlagen
zurückgehalten, die für einen
Zuchtwart wichtig seien. Ihm wirft man
dagegen vor, kaum an Vorstandssitzungen
und Veranstaltungen teilgenommen
zu haben. Dies räumt der Franke
ein, verweist aber auf Briefwechsel, die
belegen sollen, dass Termine zu seinen
Ungunsten verlegt wurden oder er gar
keine Kenntnis davon hatte.
Seine Bemühungen, im Amt zu bleiben,
blieben erfolglos. Rainer Hornung
hat den Wettlauf um die meisten Vollmachten
verloren. „Da die Jahreshauptversammlungen
immer am Wohn ort des
Geschäftsführers stattfindet, sind die
Mehrheiten klar“, erklärt der Abgewählte.
Der Zuchtwart ist 2007 allerdings
selbst mit einer organisierten Mehrheit
an Vollmach ten ins Amt gelangt.
Rainer Hornung ist mit der Entmachtung
in bester Gesellschaft. Bereits 2003
beschloss der Vorstand unter Dr. Wolfgang
Zink, die damalige Zuchtwartin
Helga Berheide des Amtes zu entheben.
Das Amtsgericht Aurich verhinderte dies
vorläufig und erklärte auch den Ausschluss
Berheides aus dem Verein 2004
für nichtig. Sie hatte 2002 begonnen,
Blutlinien und deren Probleme zu erforschen.
Dies habe einigen Züchtern nicht
gepasst, vermutet sie heute.
Auch der jetzt abgewählte Hornung
prüft rechtliche Schritte. Sein Anwalt,
Stephan Stiletto, erklärt gegenüber WuH,
dass seinem Mandanten „nicht ausreichend
rechtliches Gehör“ gewährt wurde.
Hornung habe keine Möglichkeit erhalten,
zu den genauen Vorwürfen Stellung
zu nehmen, führt der Anwalt aus.
Man könnte über diese Vereinsmeierei
lachen, wenn die Rasse Deutsch Stichelhaar
auf gesunden Läufen stehen
würde. Laut Rainer Hornung liegt bei der
Rasse einiges im Argen: Haar-, Augenund
Zahnprobleme, Welpensterblichkeit,
einen be denklichen Inzuchtkoeffizienten,
nicht schussfeste Hunde in der
Zucht sowie eine vom Verband für das
Deutsche Hundewesen (VDH) nicht abgesegnete
Einkreuzung von Cesky Fouseks
(CF) in die Rasse Deutsch Stichelhaar.
Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Wolfgang
Zink, spielt die Vorwürfe herunter.
In einem Fax erklärt er, Haar, Schussempfindlichkeit
und Welpensterb lichkeit
seien „Mache eines abgewählten
einjährigen Zucht wartes“ und keinesfalls
wissenschaftlich belegt. Die toten Welpen
seien Folge einer Infektionskrankheit,
erläutert Tierarzt Zink. Wobei niemand
genau zu wissen scheint, wie viele
es sind. Einzig für das Zuchtjahr 2006/07
liegen WuH Zahlen vor: 46 lebende Welpen,
10 Totgeburten, 11 Stichelhaare verendeten
nach dem Wölfen. Durchschnittlich
werden etwas über 40 lebende
Stichelhaar-Welpen jedes Jahr mit
Ahnentafeln ausgestattet. Dabei gilt eine
signifikante Welpensterblichkeit als Anzeichen
für eine Inzuchtdepression.
Der Inzuchtkoeffizient liegt für Stichelhaar
laut einer Untersuchung bei
über 30 Prozent. Er gibt Auskunft über
den Grad der Verwandschaft. Gegenüber
anderen Hunderassen belegt dieser Wert
eine starke Inzucht. Laut einer Studie ist
eine Senkung der Inzucht nur durch Auszucht
mit entfernt verwandten Tieren
oder durch Einkreuzung verwandter Rassen
möglich.
Dementsprechend dürfte es wenig
helfen, dass Stichelhaar-Geschäftsführer
Elso Kratzenberg seine Hün din „Esda
von Abelitz“ mit „Cliff von Abelitz“ (Onkel)
anpaarte – und das gleich zweimal
hintereinander.
Zu den Einkreuzungen von Cesky
Fousek verweist Zink auf seine Vorgänger:
„In der Zeit, in der ich Vorsitzender
bin, wurde jedenfalls kein CF neu eingekreuzt.“
Das ist nur die halbe Wahrheit.
Richtig ist, dass am 1. Januar 2002 im
Zwinger „vom Schloßgraben“ der F-Wurf
fiel. Beide Elterntiere waren reine Cesky
Fouseks. Die Welpen erhielten Stichelhaarpapiere
mit dem Zusatz „CF“. Der
Rüde „Filou“ und die Hündin „Felicia“
wurden nachweislich weiter zur Zucht
herangezogen – in der Amtszeit von
Wolfgang Zink (ab 2003). Die Nachkömmlinge
dieser beiden Schloßgraben-
Hunde haben keinen CF-Vermerk in den
Ahnentafeln, obwohl sie zu 50 Prozent
tsche chischer Herkunft sind.
Zwar sind beide Rassen eng verwandt.
Würde aber immer mehr CF-Blut in die
Stichelhaarzucht gelangen, könnte der
Rassestandard angezweifelt werden.
Denn zur Zeit verbreitet sich das Fremdblut
in der angeblichen Stichel haar-Reinzucht
unkontrolliert. Nachfolgende CFAbkömmlinge,
z. B. aus dem E-Wurf
„vom Königsberger Stichelhaar“ oder
dem A-Wurf „vom Werretal“, werden bei
Deutsch Stichelhaar zur Zucht eingesetzt.
Der VDH verlangt Aufklärung über
diese Vorkommnisse.
Fred Frey, heute Vorsitzender des Vereins
Cesky Fousek Deutschland und
2002 noch zweiter Vorsitzender bei
Deutsch Stichelhaar, klärt über die Historie
auf: „Es war geplant, zunächst mit
tsche chi schen Hunden isoliert zu züchten.
Wenn die F3-Generation unseren
Ansprüchen genügt hätte, sollten Überlegungen
folgen, wie und wo man einkreuzt.“
Zu diesem Zeitpunkt wollte man
Gespräche mit dem VDH aufnehmen.
Dass zur Zeit auch mit nicht schussfesten
Hunden gezüchtet wird, wie „Arc vom
Dachsgraben“ oder „Exe von Abelitz“,
erklärt der Vorsitzende Zink mit Absatz
17 der Zuchtordnung. Diese erlaubt,
züchterisch wertvolle Hunde, die einzelne
Punkte nicht erfüllen, zuzulassen.
Zum anderen hätten beide Hun de auf
nachfolgenden Prüfungen die Schussfestigkeit
unter Beweis gestellt, so Zink.
In den JGHV-Statistiken der letzten
Jahre fallen zwei Zuchtstätten, bzw. deren
Nachkommen gehäuft mit nicht
schuss festen Hunden auf. Das ist zum einen
der Zwinger „von Abelitz“ des Geschäftsführers
Elso Kratzenberg und zum
anderen „Buckscheeters“, der mit einer
Abelitz-Hündin züchtete. Kratzenberg
erklärt dies gegenüber WuH damit, dass
er eben viel gezüchtet habe.
Es herrscht Ratlosigkeit, wie es weitergehen
soll. Während der verbliebene
Vorstand das Gespräch mit dem VDH
sucht, überlegen die Kritiker der Vereinsführung,
einen neuen Klub aufzubauen.
Sie glauben, dass nur ein offener Umgang
mit den Problemen den Stichelhaar
retten kann. Ansonsten wäre eine der
ältes ten deutschen Vorstehhundrassen
am Ende.
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