Zitat von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Paul Müller:
"Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates des DJV zur Frage der Verlängerung der Jagdzeit auf den Rehbock bis zum 31. Dezember
Sorgfältige wissenschaftlich kontrollierte Populationsanalysen, vergleichende Untersuchungen in Gebieten mit z. T. extrem unterschiedlichen Jagdstrategien bis hin zu völlig „liberalisierter“ Bejagung oder dem „versuchten Totalabschuß“ haben gezeigt, dass eine tierschutzgerechte Jagd das sog. „Rehwildproblem“, will man es lediglich als Folge hoher Bestände betrachten, nicht lösen kann (vgl. u. a. KURT 1991, p. 258). Effiziente und der Anpassungsfähigkeit des Rehwildes angepasste Jagdstrategien erfordern eine Verkürzung des jährlichen Jagddruckes (keine Verlängerung), was u. a. in den „Rehwild-Richtlinien für das Saarland“ bereits 1990 von BODE und MÜLLER gefordert und empfohlen wurde. Dabei haben sich die eingesetzten Jagdstrategien der Biologie des Wildes, der Situation der jeweiligen Ökosysteme und den landschaftlichen Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Die Qualität der Jäger und Jagdmethoden und nicht die Verlängerung der Jagdzeit hat im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Dabei haben zwei Grundsätze, die bereits von STRANDGAARD (1977) und KURT (1991) herausgearbeitet wurden, Vorrang:
Je früher die Rehwild-Jagd jahreszeitlich erfolgt, desto höher ist die Strecke pro Zeiteinheit. Der Gesetzgeber hat durch die Vorverlegung der Jagdzeit auf den 1. Mai für männliches Rehwild und Schmalrehe dieser Forderung bereits Rechnung getragen.
Je mehr Abschüsse in den Winter verlagert werden, desto zeitaufwendiger und ökologisch problematischer werden sie.
Wildbiologisch ist es für eine Rehwild-Population weitgehend belanglos, ob ein Rehbock am 14. Oktober oder 14. November geschossen wird. Das sog. „Rehwild-Problem“ liegt aber nicht bei den Rehböcken. Das zeigen am besten Beobachtungen zum Geschlechterverhältnis in vielen Revieren, wo das weibliche Rehwild in den meisten Fällen deutlich überwiegt.
Die derzeit diskutierten Vorschläge zur Verlängerung der Jagdzeit auf männliches Rehwild folgen deshalb nicht wildbiologischen, sondern ausschließlich „jagdpraktischen Empfehlungen“. Es geht letztlich nur darum, bei den herbstlichen Drück- und Treibjagden Rehwild ohne den Zwang genauerer Ansprache (inkl. rechtlicher Folgewirkungen) erlegen zu können. Dass es aus Tierschutz- und Wildbiologie-Gründen sinnvoll und richtig ist, auch bei Drück- und Treibjagden das Kitz vor dem Muttertier zu schießen, hat in der Praxis von manchen Treibjagden offensichtlich schon seit längerer Zeit als „Tierschutz-Prinzip“ seine Bedeutung verloren. Das genaue Ansprechen jagdbaren Wildes ist aber nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats des DJV Voraussetzung für eine Schußabgabe. Die Verlängerung der Jagdzeit auf den Rehbock bis Ende Dezember würde eine Tür öffnen für alle diejenigen, die sich darüber offensichtlich keine Gedanken machen.
Da das sog. „Wald-Wild-Problem“ durch eine Verlängerung der Jagdzeit auf die Rehböcke nicht gelöst werden kann, sondern im schlimmsten Fall nur den Tierschutz bei der Jagdausübung weiter reduzieren würde, lehnt der Wissenschaftliche Beirat des DJV die Verlängerung der Jagdzeit auf männliches Rehwild bis zum 31. Dezember ab."
Für den Wissenschaftlichen Beirat des DJV
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Paul Müller
[ 27. Oktober 2003: Beitrag editiert von: Besserwisser ]