Ich bin dennoch jedes Mal überrascht wie „grosszügig“ in Videos mittels Pirschstock gestreckt wird; es scheint ja auch meist gut zu gehen und vielleicht ist es auch die Kameraeinstellung aber ich finde, dass hierdurch eine gewisse Leichtigkeit impliziert wird, die es m.E. aber nicht gibt.
Du implizierst hier ein Risiko, welches aber in Wirklichkeit überschaubar ist.
Das Problem vieler Antworten (vieler Theoretiker) hier ist doch, dass sie nicht alle Aspekte eines solchen Schusses berücksichtigen.
Ich mache mal ein Beispiel anhand der offenbar sehr beliebten .308 Win auf (E0 von etwa 3500J) und einem Schuss auf 100m vom Stock:
Energieverlust auf den ersten 100m: 600 J
Energieverlust beim Durchdringen eines Wildkörpers: etwa 100J/cm, bei 20cm: 2000J
Energieverlust beim Aufprallen auf den Boden (Winkel 2,5°): drastisch
Wir reden also von einer Restenergie des Geschosses bei Schwarzwild nach Auftreffen auf den Boden von um die 500J eines bereits deutlich deformierten Geschosses, welches extrem trudelt. Genau das ist wichtig: es ist deformiert und es trudelt, das ist keine gestreckte Schussbahn eines frisch abgefeuerten Geschosses. Es hat also einen wesentlich höheren Energieverlust als ein aerodynamisch intaktes und voll stabilisiertes Geschoss. Die Hinterlandgefährdung bleibt natürlich erhalten, aber...
Der letzte aufgezählte Energieverlust (Aufprallen Boden) ist schwierig zu beschreiben und daher ungenau (genauso wie das Trudeln eines noch energiereichen Geschosses), spielt aber auch keine Rolle, wenn du die "Geländefaktoren" beachtest, nämlich das, was du einschätzen musst:
Ich jage nachts auf Sauen, ausschließlich vom Pirschstock.
A&O ist dabei der Kugelfang, aber auch Geländekenntnis, eine gute Hinterlandbeobachtung kurz vor dem Schuss und das Wissen um Aktivität im Revier (weiteres Wild, Freizeitaktivitäten bei Nacht (ja, gibt es).
Trotzdem mache ich auch die "bösen Sachen" und schieße auch auf flachen Wiesen auf 100m. Da habe ich dann anhand der Geländefaktoren mein Restrisiko eingeschätzt. Und das tendiert immer gegen Null. Sonst würde ich nicht schießen.
Du siehst also hoffentlich: das Ganze ist keine Raketenwissenschaft, wenn man Theorie und Praxis verbindet.
Zum Pirschstock: ich nutze den Primos Triggerstick Gen II. Für alles bis etwa 150m ist der gut und stabil.
Darüber sind diese "Zweibeine mit vorne/hinten-Auflage" (Blaser, Jakele, Seeland, Deerhunter usw. oder Selbstbau) wesentlich stabiler. Die beiden ersten sind hoffnungslos überteuert, auch im Angebot. Mit dieser Art von Zielstock kann man auch über 300m schießen.