Diese Antwort habe ich heute Nachmittag erhalten:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
in Ihrer mail beschweren Sie sich über unsere Sendung 'planet e. - Jäger in der Falle', ausgestrahlt am 19. Januar 2014. Sie bemängeln die einseitige und unsachliche Darstellung. Diesen Vorwürfen bin ich nachgegangen. Dabei bitte ich um Ihr Verständnis, wenn nicht auf jedes einzelne Detail in Ihrer mail eingegangen werden kann und Sie mit dieser mail Entgegnungen auf die Einwände erhalten, die überwiegend auch in anderen Zuschriften vorgetragen wurden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Jahr 2012 entschieden, dass unter bestimmten Bedingungen auch Grundstückseigentümern in Deutschland erstmals das Recht zusteht, die Jagd auf ihrem Gebiet untersagen zu lassen. Das Urteil ist im Dezember 2013 in Kraft getreten. Das war ein Anlass für die Umweltredaktion, das Thema Jäger und Jagd in einer halbstündigen Dokumentation näher zu beleuchten.
Der Film greift konträre Standpunkte zum Thema Jagd auf. Dazu werden vielfältige unterschiedliche Auffassungen dargestellt, so die Ansichten von Rechtsanwalt Dominik Storr, der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil erstritten hat und des jagdkritischen Försters Peter Wohlleben. Als Jagdbefürworter kommt der Jäger Lucas von Bothmer zu Wort, den der Film auf der Pirsch und bei einer Ansitzjagd begleitet. Dieser Filmteil bringt das Naturerlebnis Jagd dem Zuschauer intensiv nahe. Die ethischen Fragen, die sich beim Töten eines Tieres stellen, werden offen und nachvollziehbar behandelt. Schließlich wird die gute Qualität des Wildbrets gelobt, zubereitet von Berliner Spitzenköchen. Dass der jagdkritische Förster Wohlleben länger und ausführlicher zu Wort kommt, trifft nicht zu.
In seinen Ausführungen bringt der Förster Peter Wohlleben zum Ausdruck, dass viele Försterkollegen es seit Jahrzehnten aufgegeben haben, Laubbäume zu pflanzen, weil die Jungbäume aufgrund des Wildverbisses fast ohne Überlebenschance sind. Dadurch, und das ist sein Kritikpunkt, habe sich das Landschaftsbild in Deutschland verändert. Als Ursache für den Verbiss führt er auch die Fütterung des Wildes an.
Diese Zusammenhänge werden mehrfach in der Fachliteratur bestätigt, so zum Beispiel in der Studie 'Der Wald-Wild-Konflikt: Analyse und Lösungsansätze vor dem Hintergrund rechtlicher, ökologischer und ökonomischer Zusammenhänge' von Prof. Christian Ammer u.a.. Ammer lehrt an der Universität Göttingen Waldbau und Waldökologie. Die Studie weist nach, dass nach dem zweiten Weltkrieg Laubbäume wildbedingt nur durch teure Schutzmaßnahmen zu erhalten gewesen wären und deshalb das billigere Nadelholz gepflanzt wurde. Weiter zeigt die Studie, dass Laubbäume im Durchschnitt fünf Mal häufiger abgefressen werden als Nadelbäume. So verschwinden die jungen Laubbäume schleichend aus den Wäldern, sodass in älteren Waldbeständen überproportional viele Nadelbäume vertreten sind. Einen derartig komplexen wissenschaftlichen Hintergrund ausführlich darzustellen, hätte die Dokumentation allerdings überfordert.
Der Filmtext benennt klar, dass Fütterungen in den Landesjagdgesetzen ausdrücklich vorgesehen sind, allerdings nur in Winternotzeiten. Auch wird das Argument vieler Jäger wiedergegeben, das Kohlanpflanzungen zum Zwecke der Wildfütterung junge Hirsche davon ablenken würden, Jungbäume abzufressen. Dagegen stehen die Erfahrungen des Försters Peter Wohlleben, die der Film ebenfalls wiedergibt, unter dem Strich mit dem Ergebnis, dass sowohl unzulässige Fütterungen als auch gezielter Kohlanbau die Bestände von Rehen und Hirschen nach oben trieben und das Ergebnis noch mehr Waldzerstörung sei.
Die Effekte dieser Fütterung in Bezug auf Schwarzwild bestätigt unter anderem die im Film zitierte Studie der TU Dresden. Eine französische Langzeitstudie, auf die ebenfalls im Film Bezug genommen wird, kommt zu dem Ergebnis, dass eine intensivere Jagd zu einer schnelleren Vermehrung der Wildschweine führt.
Viele Jagdgegner machen ihre Kritik an der auch in der Jägerschaft umstrittenen Trophäenjagd fest. Dass diese Form der Jagd in Deutschland auf offenbar große, finanzkräftige Resonanz stößt, belegt der Film u.a. mit den Ausschnitten aus zwei DVDs, die im Handel zu erwerben sind.
Einige werfen dem Film vor, einen unzulässigen Zusammenhang zwischen den heute gültigen Jagdgesetzen und der Jagdauffassung der nationalsozialistischen Regierung hergestellt zu haben. Die Frage, ob es sich beim Reichsjagdgesetz um ein sogenanntes Nazi-Gesetz handelt, wird im Film nicht behandelt. Vielmehr wird in der Passage, die sich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Aufhebung des jagdlichen Duldungszwanges beschäftigt, festgestellt, dass der Duldungszwang von den Nationalsozialisten erstmals deutschlandweit eingeführt und das bis dahin unterschiedlich gehandhabte Reviersystem damals vereinheitlicht wurde.
Das im Film geschilderte Verbot der privaten Jagd im Kanton Genf hat dazu geführt, dass die meisten Wildarten keinerlei Regulierung benötigen, die Bestände sich gut erholt haben und sich im ökologisch verträglichen Gleichgewicht halten. Das bestätigt der verantwortliche Wildinspektor im Originalton. Nur beim Schwarzwild muss in Ausnahmefällen von Amts
wegen geschossen werden. Beim Genfer Modell ziehen Tier- und Naturschützer, Landwirte sowie eben das amtliche Wildtiermanagement an einem Strang. Darin macht der Film den wesentlichen Unterschied zu deutschen Gepflogenheiten aus. An keiner Stelle im Film wird empfohlen, dieses Modell eins zu eins auf Deutschland zu übertragen.
Die derzeit im Internet und in verschiedenen Zuschriften an uns aufgestellte Behauptung, das ZDF habe dem Deutschen Jagdverband ein Interview verweigert, trifft nicht zu.
Obwohl sich die Anfragen fast ein Jahr lang hinzogen, konnten die angefragten Jagdverbände die Interviewwünsche leider nicht erfüllen.
Alles in allem halte ich den Film für eine angemessene Darstellung der Problematik. Die wesentlichen Elemente der Auseinandersetzung werden in ihrem Für und Wider journalistisch korrekt dargestellt. Uns haben sehr viele Zuschriften sowohl kritischen als auch lobenden Inhalts erreicht. Dass der Film Debatten über die Jagd nicht nur in Reihen der Jägerschaft ausgelöst hat, zeigt den offenbar in der Gesellschaft vorhandenen Diskussionsbedarf.
Mit freundlichen Grüßen,
xx xx"