Am Freitag, den 30. September, brachen meine Holde und ich mitsamt Hund auf zur Gamsjagd ins Murtal (Pölstal) in der Steiermark. Wir waren bereits 2021 dort auf Gams gewesen, um den Traum meiner Frau auf eine Gams zu verwirklichen, leider hatte es letztendlich nicht geklappt. Anschließend waren wir nach Berchtesgaden gefahren, wo mir die bayerischen Staatsforsten einen Gamsabschuß zugeteilt hatten, den ich dann tatsächlich innerhalb einer anstrengenden, 20-minütigen Pirsch erledigt hatte; seinerzeit lag ein ca. 8-jähriger Bock mit 89 Punkten.
Diesmal waren wir in der Nachbarjagd des damaligen Pächters, der sein Revier inzwischen aufgegeben hatte und an den Nachbarn und Jagdfreund weiter empfohlen. Dieser hatte zwei Einsergamsen, einen Bock und eine Geiß, für uns frei und so hofften wir das Beste, die Gams der Holden ging natürlich vor.
Nach Rückkehr am vergangenen Mittwoch habe ich nun Muße, über unsere Jagd im Murtal zu berichten:
Die Anreise erfolgte problemlos ohne Stau in gut sieben Stunden; angekommen im Murtal begrüßte uns der Besitzer der Jagd (Eigenjagd), ein Landwirt, sowie seine Familie sehr freundlich und nach erstem Beschnuppern in der guten Stube des Hofes war bald klar, daß es menschlich passte. Anschließend ging es zum Probeschießen und uns beiden genügte ein Schuß, die Trefferlage war einwandfrei.
Der Hof liegt auf 1000 m Seehöhe und da beginnt auch schon das Jagdgebiet und zieht sich hoch bis zu 2300 Metern. Alsbald fuhren wir hoch zur Jagdhütte, die auf 1600 m Höhe liegt; groß genug, stilvoll eingerichtet und vor allem mit Strom und Warmwasserdusche, das hatten wir bislang nicht immer. Vor der Hütte Viehweiden mit Tränke, was auch unserem Hund gut gefiel.
Die Hütte:
Blick aus dem Fenster:
Am nächsten Morgen folgte der erste Anstieg zu einer verhältnismäßig geräumigen Jagdhütte am Fuße der Gamshänge, wo wir uns einrichteten und der Dinge, sprich Gämsen, harrten. Das Jagdgebiet endet in einem Talkessel, die Grate sind meist auch die Jagdgrenzen:
Nach langen fünf Stunden erblickten wir eine Gams, die sich langsam äsend näherte und wir hofften, daß sie bis auf Schußweite herankommen würde. Selbst hatten wir uns ein Limit von 200 m für einen Schuß gesetzt und sie war noch zu weit weg. Als sie hinter einer Bodenwelle verschwand und nach einer halben Stunde nicht wieder auftauchte, entschloß sich Sepp, unser Führer, sie zusammen mit meiner Holden anzugehen, ich blieb mit dem Hund in der Hütte. Nach 20 min vernahm ich einen Schuß; nachdem eine halbe Stunde vergangen war und ich keine Klarheit hatte, folgte ich den Beiden; als ich auf 150 m ran war, bedeuteten sie mir, dass die Gams nicht lag und ich wieder in die Hütte zurückkehren sollte.
Eine weitere halbe Stunde später kamen die zwei zurück und ich sah dem Gesicht meiner Frau an, daß sie gefehlt hatte.
Die Gams stand wohl noch an die 250 m weit weg in völlig übersichtlichem Gelände ohne Chance, näher heranzukommen, so daß die Holde ihr Glück dennoch versuchte. Aufgelegt auf den Rucksack, sowieso schon ungewohnt, kam noch Jagdfieber dazu und sie unterschoß die Gams glatt. Nach dem Schuß war sie noch zu sehen, wie sie absprang und kurz darauf weit entfernt wieder zu äsen begann, gut für die Gams, eine starke ältere Geiß, und Pech für Madame...
Nachdem an Ort und Stelle keine Anblick mehr zu erwarten war, ging´s auf die Pirsch. Schnell war die Baumgrenze erreicht und ab da gab´s weder Weg noch Steg, nur Pfade vom Rotwild, wenn überhaupt. Für unsereins, beide Ü60, nicht einfach, immerhin hatten wir drei Wochen zuvor wieder begonnen, an unserer Kondition zu feilen...
Da soll ich rauf?
Nicht weit vom Grat entfernt, blieb ich mit dem Hund zurück, seine schwarz-weiße Farbe wäre einfach zu auffällig gewesen. Sepp wollte überriegelt über den Grat schauen, um eventuell dort stehende Gämsen zu überraschen; oben angekommen, wurden erst zwei Jährlinge hoch und verabschiedeten sich, kurz darauf erhob sich ein starker, passender Bock keine 20 m vor ihnen; er hatte sich von den Jünglingen nicht stören lassen und erst die Annäherung der beiden Jäger zwang ihn zum Abspringen. Eine Schußmöglichkeit bot sich nicht, weil alles zu schnell und überraschend verlief. Das war´s für den ersten Tag und nach dem Abstieg waren wir bedient und gingen früh zu Bett.
Am nächsten Tag stiegen wir erst gegen drei Uhr Nachmittag auf. Weil sich unser Hund am Vortag doch als etwas belastend erwiesen hatte (wollte sich ständig erwürgen, so hat er an der Leine gezogen; Terrier halt, ohne Leine läuft er tadellos bei Fuß...), blieb ich mit ihm am Fuß des Talkessels zurück auf einer kleinen Kanzel im Schatten zweier Fichten.
Drinnen eingerichtet, glaste ich den gegenüberliegenden lückigen Hang ab und entdeckte knapp 350 m entfernt etwas überriegelt ein Stück Rotwild beim Äsen, das Haupt war verdeckt. Als es sichtbar war, erkannte ich einen Achter mit dicken Stangen, prächtiger Brunftmähne und Kehlwamme, also ein schon älterer Herr. Nach einiger Zeit drehte er sich und legte sich mit Blick aufs Tal, also auf mich, ab.
Kurz nach Fünf vernahm ich einen Schuß, dem eine Minute später ein zweiter folgte. Na ja dachte ich, warten wir eine Viertelstunde ab und steigen dann in Richtung der Beiden weiter auf.
Zehn Minuten später höre ich noch einen Schuß, diesmal mit Schalldämpfer. Nun hielt mich nichts mehr, ich hing mir mein Fernglas um, leinte den Hund an, warf noch einen Blick auf den Hirschen und staunte. Alle drei Schüsse hatten ihn nicht interessiert, aber er hatte tatsächlich über diese große Distanz meine Bewegungen in der Kanzel gesehen und sich erhoben, er sah mir direkt ins Gesicht. Nach kurzem Zögern wandte er sich nach links und verschwand im nahen Bestand...
Nun gings zum Anstieg auf einem Forstweg, langsam und ruhig, um nicht aus dem Atem zu geraten. Nach 20 Minuten stand ich direkt am Kesseleingang und glaste die Hänge ab, von links nach rechts, nichts zu entdecken. Nach langen Minuten sah ich dann eine Bewegung am linken Hang, zwei Gestalten, die eine Gams den Hang herunterrollten, mal rollte die Gams, mal Sepp...
Am Fuß des Hangs verlief der Forstweg, die 200 Meter bis zu ihnen waren schnell überwunden und dann konnte ich die überglückliche Jägerin umarmen.
Die Geschichte der drei Schüsse war schnell erzählt:
Auf dem Weg entlang pirschend, entdeckte Sepp knapp 200 m höher eine einzelne Gams. Obwohl sie ruhig standen, schien sie etwas bemerkt zu haben und sicherte talwärts.
Eine Annäherung zu zweit schien unserem Führer zu gefährlich, das würde sie wohl nicht aushalten; so schickte er meine Holde alleine hangaufwärts, sie solle jede Deckung nutzen, die sich bot. Also kroch meine Holde auf allen vieren, Rucksack und Büchse auf dem Rücken, hoch, um die Distanz zu verringern und schaffte es, sich bis auf 160 m zu nähern, dann richtete sie sich auf dem Rucksack ein. Zielstachel wohl Tiefblatt, ließ sie fliegen; die Gams, ein Bock, zeichnete und flüchtete ein paar Gänge nach links, um sich auf einem Felsbrocken zu stellen. Nachdem sie nicht zusammenbrach, schoß die Holde nach, worauf die Gams taumelte, noch zwei Gänge tat und sich niederlegte.
Führer und Frau entschlossen sich, der Gams die Zeit zu geben, die sie brauchte.
Dann geschah das Unerwartete: Der Bock wurde nach 10 Minuten wieder hoch und wollte sich entfernen, worauf sich Sepp zum Fangschuß auf den Trägeransatz entschied; der Bock fiel endgültig.
Zusammen sahen wir uns dann die Einschüsse an. Nummer eins hatte den Vorderlauf hoch durchschlagen und die Kammer gestreift, zwei Fingerbreit höher und der Bock wäre sofort gelegen. Schuß Nummer zwei lag mittig in der Kammer, eine knappe Handbreit hinterm Blatt und absolut tödlich; warum der Bock nochmal hoch wurde, konnten wir uns nicht erklären, er wollte wohl nicht sterben; der Fangschuß hatte den Trägeransatz in der Mitte getroffen.
Schlußendlich: Ende gut, alles gut, ein Lebenstraum hatte sich erfüllt.
Nach Schätzung von Sepp ist der Bock etwa zehnjährig, genauer konnte er´s nicht zählen, da die Krucken voll mit Pech waren, wie er es noch nie gesehen hatte und die unteren Jahresringe verdeckt waren.
Hier Bilder der Erlegerin mit ihrer Beute:
Danach war ich so nett, die Gams an die 200 Meter zum Auto zu schleppen (hätte ich nur meinen Mund gehalten
), und aufgebrochen habe ich auch noch. Hinterher fuhren wir auf den Hof, verbrachten die Gams in die Kühlung und hatten noch einen feuchtfröhlichen Abend mit Sepp und dessen Frau.
Der Verfasser bei der Vesper am darauf folgenden Tag:
Teil II folgt