So, nun gibt es auch mal wieder was aus Schweden zu berichten. Seit 3 Jahren gilt der 1. Mai auch hier als Aufgang für die Bockjagd *freu*! Die alten Jäger sehen darin den Untergang des Abendlandes, ich nicht
Der Bauer bei dem ich meine Gänse im Winter schiesse hatte geäussert, er hätte doch gerne einen Boch für seine Kühltruhe und ich möge doch bitte einen schiessen. Er und sein 13jähriger Sohn wollten mich begleiten, beide sind jagdlich interessiert. Na schön, Rehwild gibt es auf dem Hof genug und in den letzten Jahren hatte ich dort auch den einen oder anderen besseren Bock erlegt. Also wurde der Freitagabend vereinbart und ich fuhr hin.
Der Bauer war nach einem anstrengenden Tag (er hat 80 Milchkühe zu versorgen) hundemüde und das Knie tat ihm weh, aber der Bub war Feuer und Flamme. Also los, Drilling und Dreibein gepackt und los ging's. Nach 50 Metern wieder zurück zum Auto - den Bergeriemen sollte man vielleicht sicherheitshalber doch mitnehmen. Dann die Felder unten am Fluss abgeglast. Da, ein Reh! Ja, nix ist, eine hochbeschlagene Ricke äst da ganz gemütlich am Ufergebüsch herum. Sonst ist nur ein Kranich zu sehen. Dann also auf den grossen Kahlschlag hinterm Hof, der ist nun gut 2 Jahre alt und jagdlich hochinteressant.
In grossem Bogen pirschen wir mit halbem und ganz schwachem Wind los, mitten über den Schlag. Klingt schwachsinnig, ist es aber nicht, da das Gelände sehr hügelig ist und man alle 100m über die nächste Kuppe schielen kann. Da springt auch schon das erste Reh ab, welches in einer Senke vor unseren Blicken verborgen war. Zum Glück wieder nur eine Ricke, mausgrau und dickbäuchig. Kein Bock dabei, also weiter! Der Bub trägt das Dreibein, ich schärfe ihm ein sich direkt hinter mir zu halten und sofort stehenzubleiben wenn ich es tue. Er hält sich auch brav dran.
300m weiter kriegen wir Einblick in die hinterste Ecke des Schlages, eine Senke. Die WBK zeigt überall Wärmequellen, aber das Gelände ist extrem steinig und alle Steine sind nach dem sonnigen Tag natürlich warm und spielen Reh! Aber dahinten, der eine Stein dort ist etwas wärmer als die anderen und hat das Haupt hoch! Gute 300 Meter sind es und das Glas zeigt eine Ricke im Lager, daneben noch ein weibliches Stück, beide sehr grau und ohne WBK hätten wir sie nie und nimmer rechtzeitig bemerkt.
Ich reiche dem Jungen die WBK und weise ihn ein. "Da sind doch drei Rehe!" sagt er! Tatsäcklich, ein drittes schiebt sich von rechts aus dem Felsengewirr heraus und zu den Damen hin. Bock!! Hoch auf hat er und ist auf jeden Fall schussbar. Aber wie kommen wir da ran, es liegen 300m deckungsloses Gelände zwischen uns... Also vorsichtig zurück und nach rechts in die Hügel rein, da müssten wir rankommen. Im Rückzug hat uns die eine Ricke mitgekriegt und steht misstrauisch auf
Wir umkreisen die nächste Kuppe und schauen wieder hin. Da sind sie noch, alle drei, aber unruhig und spitz haben sie uns auch, trotz aller Vorsicht! Trotzdem springen sie nicht direkt ab sondern ziehen nach rechts weg und sind in kurzer Zeit wieder aus unserem Blickfeld verschwunden
Aber noch ist das Spiel nicht vorbei! Ich setze alles auf eine Karte und trabe im Eilschritt nach halbrechts zwischen die Hügel weiter um ihnen den Weg abzuschneiden! Der Junge keucht hinterher, hält sich aber weiterhin brav direkt hinter mir. Nach einem Eilmarsch von 200 Metern runden wir die nächste Kuppe - da sind sie, 80 Meter vor uns! Natürlich haben sie was mitgekriegt, aber wir sind noch halb in Deckung und sie können mit uns nichts anfangen. Schnell das Dreibein aufgebaut, Drilling drauf, entsichert... aber wo ist denn der Bock?? Da steht eine grosse Ricke brettlbreit, es dämmert schon... ich suche mit dem ZF herum... DA! 10 Meter hinter der Ricke steht er halbspitz und sichert zu uns rüber. Da gibt es kein langes Zögern mehr, er kann jeden Augenblick abspringen! Einstechen, das Absehen steht auf der vorderen Blattkante und rumms! Raus ist die 7x65R, jetzt hält kein Teufel sie mehr auf, höchstens ein Bock... Die Rehe wuseln durcheinander und springen nach links ab - aber wo ist denn den Bock? Die Dämmerung ist schon so stark dann man die Rehe mit blossem Auge nicht mehr auseinanderhalten kann... da sehe ich eines der Rehe langsamer werden, es macht noch ein paar sehr unsichere Schritte... und kippt zur Seite. Juhu, er liegt!! Der Bub steht rechts hinter mir und hat alles mitgekriegt, wir machen erst mal ein High Five und dann geht es hin zum Bock. Dort neben dem Baumstumpf muss es sein... ja wo ist er denn, ich habe ihn doch umkippen sehen?! DA, da liegt er ja!
Ich trete an ihn heran und erstmal bleibt mir die Spucke weg! Was für ein Bock!! Hoch hat er auf, ein ungerader hochkapitaler Sechser, die Auslage ist nicht allzu weit, aber die Stangen sind im unteren Drittel sehr stark und massiv geperlt! Wahnsinn, das ist mein Bester überhaupt, und das nach 28 Jahren Rehwildjagd! Dabei sollte ich nur irgendeinen Bock für die Truhe schiessen...
Der Bergeriemen kommt jetzt zu Ehren und in gehobenster Stimmung ziehen wir den Recken runter zum Hof. Dort wird er aufgebrochen und gebührend bewundert. 22,8kg zeigt nachher die Waage, das ist hier üblich für bessere Böcke. Das Geschoss (Speer HotCor, 160gr) hat das rechte Blatt buchstäblich zerfetzt, aber sonst ist alles intakt und ich finde den Geschossrest nachher an der Ausschusseite unter der Decke, nachdem er einen guten halben Meter Bock durchschlagen hat.