... es wird viel geschrieben und verkauft zur Jagd auf Sauen. Die wichtigste Erkenntnis fehlt leider immer wieder. DIE typische Sau existiert einfach nicht. Und auch nicht DIE erfolgreiche Form der Bejagung oder DAS Revier.
Sauen selbst sind alt oder jung, klug oder dumm, hungrig oder satt, männlich oder weiblich, hormonell unter Dampf oder nicht, und so weiter und so fort. Dazu kann das Angebot an Fraß gut oder schlecht sein, die Räude grassiert haben oder ein Tierfreund oder der Reviernachbar mit Fleischabfällen, Brot und Kuchen locken. Im stadtnahen Raum kommen Sportler aller denkbaren Richtungen rund um die Uhr dazu, Wilderer, Waldpädagogen, EventGastronomen, Ferienlager, Geocacher oder regelmäßige Hochzeiten mit Feuerwerk usw.
Meine Empfehlung - beobachten, studieren, probieren. Nichts gegen die Erfahrungen alter Hasen. Aber wenn die Trickkiste nicht ausreicht, müssen neue her. Wenn Sauen flexibel und Jäger berechenbar sind (bekannte Kanzel, Uhrzeit, Lichtverhältnisse), dann wird die Jagd nur funktionieren, solange der Hunger größer ist, als die Angst. Sobald bezüglich Fraß Alternativen existieren, bricht das System zusammen.
Kanzeln sind natürlich bequemer, als mobile Sitze oder ein Hocker unterm Hintern. Aber bevor ich mir bei zig bequemen Ansitzen den Frust hole, bewege ich mich lieber, mache mich selbst unberechenbar. Im Umfeld von Städten kann man je nach Wolkenlage auch bei Neumond jagen. Gibt es keine Wolken, reicht gute Optik immer noch bis zu fünf Meter weit. Stimmt der Wind und male ich mir Chancen aus, probiere ich auch das.
Der wichtigste Punkt bezüglich Jagderfolg aus meiner Sicht - dranbleiben und weiter probieren. Die Sau hat eine gute Nase, der Jäger das größere Hirn. Gewohnheiten ja - solange sie funktionieren. Ansonsten - Veränderung, Anpassung, Versuch. Ich bejage einen kleinen Streifen Wald im Stadtbereich, ein bis zwei km vom Marktplatz entfernt. Wenn es schlecht läuft, komme ich acht Monate lang nicht zu Schuss. Im letzten Jahr lief es sehr gut mit 24 Sauen (auf 30 ha, nur Einzelansitz).
Zum Versuch zählt für mich auch die Überprüfung "bewährter" Empfehlungen:
Beispiel Wildkamera. Wenn ich die aus reinem Experimentiergeist an einer sehr gut angenommene Kirrung installiere und das Wild plötzlich ausbleibt - ??? - ja, dann funktioniert der Scheiß nicht. 210 Euro für die Katz. Die LEDs für Nachtaufnahmen wurden von den Sauen erkannt. Steht in keiner Fachzeitschrift - ist aber so. Kamera weg, Sauen wieder da.
Beispiel Sitze und Drückjagdböcke (bei hohem Freizeitdruck). Ich habe die alten zerstört und die anderen verschenkt. Weg damit. Seitdem hocken keine Pärchen mehr drauf, um den Sonnenuntergang zu genießen und die Kinder haben keine Klettergerüste mehr. Ein mobiler Sitz tut's auch für zwei Tage.
Beispiel Jagdzeiten. Ich trage die Zeiten der Kirruhren in einem GoogleKalender ein. In der Monatsansicht kann ich dann versuchen, Muster zu erkennen. Verschiebt sich der Besuch an verschiedenen Wochentagen/Wetterlagen/bei Fußballspielen oder in Abhängigkeit der Trainingszeiten vom Hundeverein. Temperatureinbrüche lassen die Sauen bei mir oft bis zu zwei Stunden früher kommen. Und Temperatureinbrüche werden angekündigt ...
Beispiel Saulocker: klappt nicht wie der Blatter im August, aber hin und wieder schon. Üben am Saugatter - und probieren. Eventuell Saulocker modifizieren, Wollschlauch um das Kunststoffrohr (dämpft mehr, wird echter). Kombinieren mit Rascheln im Laub. Klappt nicht zu jeder Jahreszeit - aber immer mal wieder.
Die Jagd bei und in der Großstadt ist sicher ein Extremfall. Aber Kulturfolger zeigen hier was sie drauf haben - und der Jäger kann es auch probieren. Planbar ist hier nichts. Aber zumindest auf mittelfristige Sicht machbar - solange die Kulturfolger nicht die Lust verlieren ...
Waidmannsheil.