Mein erster Bock
ich hatte meinen Jagdschein gerade etwa drei Monate und saß abends in einer Kanzel an einem Wildacker. Ein reines Waldrevier, aber an dieser Stelle hat man nach links und rechts gut hundert Meter Sicht. Es war bestimmt mein 10er Ansitz ohne irgendwelchen Anblick.
Aber jetzt war Ende Juli: Blattzeit. Ich habe geblattet wie ein junger Gott und nichts passierte. Der Abend verging und meine Laune auch. Es kam die erste Nachricht von einem Kumpel: "Ich sitze hier vor meinem Whiskey - Wo bleibst Du?"
OK, dachte ich. Sachen packen und ab nach Hause. Zu meinem Glück fing es an zu regnen. Und zwar ordentlich. Ich machte mich auf der Kanzel immer kleiner, wurde aber trotzdem von der Seite angepisst. Meine Laune sank immer weiter. Endlich kam die Sonne durch und ich dachte: Einmal drückste noch Deinen kleinen schwarzen Blasebalg. Gesagt, getan:
Und dann kam ER auf die Wiese. Im Stechschritt. Dreißig Meter von mir. Der größte Bock den ich je im Anblick hatte (und der einzigste bislang). Ich fummel möglichst leise meine Büchse raus. Verdammt ist die lang, wenn das man gut geht. Natürlich die größte Vergrößerung am Zielfernrohr. Ich schau durch und seh nur Rot. Ich denk noch: Auf die Entfernung kannste gar nicht vorbei semmeln. Also abgedrückt und natürlich gleich Augen zugekniffen. Ein Wimpernschlag später: Weg ist der Bock.
Sch****, und nu?
Ich packe leise mein Gelumpel in den Rucksack und warte. Und glase noch mal die Wiese ab. Man kann auch sagen ich zitter die Wiese mit dem Fernglas ab. Stop, da hat sich was bewegt. Und noch mal. OK, Bock liegt und bewegt sich noch. UFF, immerhin habe ich getroffen. Ich warte weiter ab, aber alle paar Minuten bewegt sich noch was.
Ich baume ab, Lade wieder und schleiche mich Richtung Bock. Dann sehe ich ihn. Und er mich. Glaube ich jedenfalls. Ich gehe näher ran mit Waffe im Anschlag. Es sieht nicht so aus, als wenn er gleich abspringt. Ich gehe ein Stück zurück und suche mein Moria Messer im Rucksack, da mein Klappmesser in der Hose eher übersichtlich geraten ist. Ich gehe wieder hin und packe den Bock an den Spießern. Er sieht mich an und gibt keinen Laut. Wohin nun stechen? Ich entscheide mich für die Stelle zwischen den Läufen und steche beherzt zu. Es schweißt, aber sonst passiert nichts. Der Bock lebt immer noch und schaut mich an. Ich steche tiefer zu und es macht pppffft.
Die Luft entweicht aus der Lunge und das Leben aus dem Bock. Ich sehe den Schweiß unter dem Bock fließen und denke noch: Da zerrinnt ein Leben. Meinen ersten Bock gestreckt. Wie in Trance gebe ich ihm den letzten Bissen.
Nach einer Weile hänge ich den Bock an einen Baum und breche auf. Auch zum ersten Mal. Ging aber recht gut. Jedenfalls besser als mein Schuss. Der hatte übrigens die Wirbelsäule durchschlagen, daher konnte er auch nicht mehr abhauen.