Nachdem ich bisher mehr für den Thread "Bilder von der Jagd" als für meinen Tiefkühler angesessen hab, hat es gestern auch bei mir mit dem ersten Stück geklappt:
Ein kurzes Huschen, nur im Augenwinkel zwar, aber dennoch deutlich wahrzunehmen. Ich drehe den Oberkörper langsam nach links, wende den Blick vom Waldweg ab und suche zwischen den dicht and dicht stehenden Kiefern und dem jungen Grün nach dem roten Fleck. Da! Ich nehme die Waffe hoch, backe an. Plötzlich spüre ich meinen eigenen Puls, meine verdrehte Körperhaltung macht es unmöglich ruhig sitzen zu bleiben, das Bild im Glas hüpft auf und ab. Ich bekomme das Stück nicht zu fassen und es verschwindet wieder. Mein Blick schweift und ich finde eine Lücke im Bestand. Es bleibt kurz Zeit, die richtige Position zu finden, dann ziehe ich mit der Waffe nach und warte. Jetzt kommt das Stück in Anblick. Rot und zierlich erscheint es auf der Bildfläche, Gute 80 Schritte entfernt läuft es schräg auf meinen Ansitz zu. Es scheint nicht auf zu haben und verschwindet erneut im Wald.
Plötzlich erscheint in die entgegengesetzte Richtung ziehend. Im Glas kann ich sehen, dass es die Stirn an einer jungen Birke reibt, der Körper bleibt von der um stehenden Naturverjüngung verdeckt. Ich drehe am Glas. Von 3- auf 9-fache Vergrößerung. Deutlich sind jetzt zwei Erhebungen auf der Stirn zu sehen - Ein Knopfbock. Langsam zieht er äsend weiter. Ein, zwei Schritte noch und ich kann ohne Hindernisse schießen.
Ich nehme den Blick nochmal kurz hoch, balle meine linke Hand, auf der die Waffe ruht zur Faust, um ein kleines Stückchen höher zu kommen und sehe ihn erschreckt, aber leise abspringen!
Geschockt sehe ich auf die Stelle auf der er eben noch Stand. Ich mache mir Vorwürfe: Warum diese, eigentlich unnötige, Bewegung? Warte doch einfach, bis er von alleine ins Absehen zieht. Dann rede ich mir ein, dass es diese Bewegung nicht gewesen sein kann. Zu klein die Bewegung, zu weit die Entfernung und zu dicht der Bewuchs, als das er es eräugt haben könnte.
Tatsächlich scheint er sich vor sich selbst erschreckt zu haben. Nach kurzer Zeit erspähe ich zwischen den Kiefern wieder seinen Rippenbogen. Langsam zieht er in Richtung einer breiten Schneiße weiter. Ich nutze die Zeit, in der er kurz hinter den Stämmen verschwindet und ändere erneut die Vergrößerung. Auf 3-facher Vergrößerung habe ich bisher alle meine Stücke geschossen und fühle ich mich am sichersten. Mein Absehen wartet auf der Schneiße und es vergehen Sekunden, bevor das Stück austritt. Erst schräg von hinten zu sehen zieht es von links nach rechts und bleibt stehen. Mein Absehen wandert aufs Blatt und ich stutze. Die Knöpfe sind nicht zu sehen! Die Sekunde der Unsicherheit verhindert den Abschuss - bis mir klar wird, dass ich durch die geringere Vergrößerung die Knöpfe gar nicht sehen kann, hat das Stück kehrt gemacht und ist wieder im Bewuchs verschwunden.
Mein Blick findet es in einer kleinen Birkenverjüngung, hinter 2 Fichtenstämmen wieder, als es sich niederlässt. Dort liegend, nur ein Teil des Rückens, des Trägers und des rechten Ohrs preisgeben, ist es vor meiner Kugel gut geschützt.
Ich sehe auf die Uhr. 19.15 - eigentlich zu früh für die Nachtruhe, hoffe ich.
Gut 20 min beobachte ich, abwechselnd mit dem Fernglas und dem Absehen, ein rechtes Ohr, das Fliegen und Mücken vertreibt. Dann erhebt sich das Stück, schreitet voran, pflückt hier und da ein Blatt. Deutlich kann ich jetzt wieder die Knöpfe erkennen. Er zieht in eine Lücke im Bestand, verhofft und mein Absehen findet das Blatt. In diesem Augenblick schießt eine Welle Adrenalin durch meinen Körper, das absehen hüpft und ich nehme gerade rechtzeitig den Finger vom Abzug.
Der Bock zieht weiter.
Ich atme tief durch, beruhige mich und ziehe nach. Der Puls beruhigt sich und das Absehen hört auf zu tanzen.
Trotzdem gelingt mir kein Schuss. Jedesmal, wenn ich den Bock im Absehen habe, ist ein Zweigchen direkt im Schussfeld und ein Schuss nicht möglich.
Angespannt sehe ich hoch und merke, dass sein eingeschlagener Weg mir nur noch eine Möglichkeit lässt.
Ich warte dort auf ihn. Die Atmung jetzt ruhig, die Waffe gut gelagert und die Vergrößerung richtig eingestellt. Er erscheint - gemütlich schiebt er sich ins Absehen und verhofft.
Jetzt bricht der Schuss.
Ich sehe ihn hoch aufsteigen und verfolge seine rasante Flucht bis er in einer Senke verschwunden ist.
Sofort die WhatsApp vom Jagdfreund, der einen Sitz weiter sein Glück versucht. Ich bin noch unsicher, obwohl ich gut abgekommen war.
Nach 10 Minuten hält es mich nicht mehr auf dem Sitz.
Ich Baume ab und begebe mich zum Anschuss, der durch eine rot belaubte Birke nicht zu verfehlen ist. Dort finde ich sofort Schweiß und am nächsten Baum Gewebe.
Mein Blick folgt der Fluchtrichtung und ich erkenne, dass er sich an den Wechsel gehalten hat und sehe, dass er ca. 30 Meter weiter auf einem freien Platz vor dem Adlerfarn zur letzten Ruhe gekommen ist. Ich trete heran, nehme die Kappe ab und reiche den letzten Bissen. Bevor ich mit dem Aufbrechen fertig bin, hat mein Jagdfreund mich gefunden und gemeinsam bergen wir den Knopfbock und fahren zur Wildkammer.
Knopfbock
15 kg
30-06 Geco Zero
ca. 80m
Tiefblatt
Flucht ca. 30m
19.35 Uhr
Lg
Sven