Für die Zukunft, falls jemand das gleiche Problem hat. Ich bin der Sache nochmal auf den Grund gegangen. Zuhause funktioniert das Gerät normal. Auf dem Hochsitz kommt die Überstrahlung immer wieder. Ich habe das Gerät jetzt mal im Raum angeschaltet - alles ok.
Dann habe ich es für ne 1/4 Stund bei Kälte auf den Gartentisch gestellt und dann eingeschaltet - Überstrahlung war wieder da. Es scheint also etwas mit dem Temperaturunterschied zu tun zu haben. Seltsam, lässt sich das irgendwie mechanisch,technisch elektronisch erklären??
Puh, ich versuchs mal.
Um zu verstehen, wie Bildverschlechterung bei Thermalkameras im kalten Zustand während der Aufwärmphase entsteht, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Zunächst muss man die Aufwärmphase verstehen, die die Zeit ist, in der die Kameraelektronik auf die Umgebungstemperatur angepasst wird. Während dieser Phase können radiometrische Einflüsse auftreten, die die Bildqualität beeinträchtigen. Auch der reduzierte Raumwinkel (der Winkel, in dem die Kamera die Temperatur misst) kann die Bildqualität beeinträchtigen. Darüber hinaus können auch die Core-Bildverarbeitungsalgorithmen, die die Kamera zur Bearbeitung der Bilder verwendet, die Bildqualität beeinträchtigen.
Aufwärmphase:
Die Aufwärmphase ist die ersten zwei Minuten nach dem Einschalten einer Kamera. In dieser
Phase ist die Genauigkeit der Messung der Strahlungstemperatur stark beeinträchtigt, da sich
der Einfluss der Kameragehäusetemperatur verstärkt. Dies betrifft sowohl die Messung der
Absoluttemperatur als auch die Messung der relativen Temperatur (Temperaturunterschied
zwischen verschiedenen Pixeln im Bild).
Radiometrische Einflüsse:
Radiometrische Einflüsse der Kamera beziehen sich auf die Auswirkungen der Strahlungstemperatur auf die Bildfehler einer Kamera. Die Bildfehler entstehen, wenn die Kamera aufwärmt und die Gehäusetemperatur, z.B. durch Sonneneinstrahlung, sich ändert. Um diese Bildfehler zu minimieren, kann die Kerntemperatur des FPA (Focal Plane Array) gemessen werden.
Der reduzierte Raumwinkel:
Der reduzierte Raumwinkel beschreibt den Anteil der Kameragehäusestrahlung an der Gesamtstrahlung, die ein Detektorelement empfängt. Je größer die Abweichung zwischen der Kameragehäusetemperatur und der Temperatur der Szene ist, desto stärker ist der Einfluss der Kameragehäusestrahlung auf die Bildqualität des Thermalbilds.
Der reduzierte Raumwinkel ist eine mathematische Funktion, die den Einfluss der Kameragehäusestrahlung auf die Detektorelementstrahlung berechnet. Die Größe des reduzierten Raumwinkels hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Abstand zum Zentralpixel (rz), der Brennweite (f) und der Blendenöffnungsdurchmesser (D) der Kamera. Der reduzierte Raumwinkel kann mit der folgenden Formel berechnet werden:
ωred = 2π * (rz)^2 / (f * D)
Unten stehendes Diagram zeigt, nimmt die Amplitude des gemessenen Signals mit zunehmender Kerntemperatur ab. Das erklärt sich folgendermaßen: Das Mikrobolometer
misst die Differenz zwischen seiner eigenen Temperatur und der Strahlungstemperatur des
25 °C warmen Schwarzkörpers. Wenn nun die eigene Temperatur während der Aufwärmphase zunimmt, wird die Differenz zur Strahlungstemperatur des 25 °C warmen Schwarzkörpers geringer. Dass die Amplitude des gemessenen Signals aber unter Vernachlässigung des Rauschens konstant bleibt, obwohl die Kerntemperatur der Kamera auch nach etwa 120 Sekunden noch weiter steigt, deutet darauf hin, dass die Mikrobolometer eine geringere thermische Masse besitzen, als das Bauteil, auf dem der Sensor zur Messung der Kerntemperatur sitzt. Dieses Bauteil ist im Gegensatz zu den Mikrobolometern zu diesem Zeitpunkt noch nicht im thermischen Gleichgewicht. Das heißt, die Mikrobolometer haben nach ca. 120 Sekunden ihre Betriebstemperatur erreicht. Die gesamte Kamera ist nach ca. 10 Minuten im thermischen Gleichgewicht. Ab diesem Zeitpunkt stimmt die gemessene Kerntemperatur mit der tatsächlichen Temperatur des FPAs überein.
Core-Bildverarbeitungsalgorithmen:
Diese Algorithmen werden verwendet, um das Bild aufzubereiten, so dass Objekte leichter erkannt werden können. Der MbOpt-Algorithmus (MikrobolometerOptimierung) ist ein spezieller Algorithmus, der für die Vorverarbeitung des Bildes entwickelt wurde.
Kameraelektronik:
Auch die Kameraelektronik trägt zur Verfälschung der gemessenen Infrarotstrah-
lung bei. Der größte Verlust an Information findet im letzten Schritt, bei der Um-
wandlung in das analoge Videoausgangssignal statt. Aber auch schon vorher gehen
Informationen verloren.
Ja na und, was jetzt?
Um die Bildverschlechterung bei Thermalkameras während der Aufwärmphase zu begrenzen, empfiehlt es sich, die Kamera vor dem Einsatz einzuschalten und die Einsatztemperatur (Raumwinkeltemperatur im Gehäuseinneren) an die Aussentemperatur anzugleichen, damit keine Bildstörungen mehr auftreten. Sollten dennoch Störungen erscheinen, sollte die Kamera zum Service gebracht werden, um radiometrische Einflüsse zu vermeiden. Des Weiteren sollte der Raumwinkel so angepasst werden, dass er nicht zu niedrig ist. Auch die Core-Bildverarbeitungsalgorithmen sollten überprüft und ggf. angepasst werden. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, kann ein Software-Update der Kamera in Betracht gezogen werden, um die Bildqualität zu verbessern.
LG: WAKAN