Anfang dieser Saison schoss ich nach über einem Jahr Pause (Umzug, nicht gleich eine neue Jagdgelegenheit gefunden) zum ersten Mal wieder auf Wild. Und fehlte zwei Mal. Gut, man hätte es auch anders erklären können - aber ich wusste, dass es wohl an mir lag. Entweder war ich zu hektisch gewesen, hatte mich nicht richtig auf die Abläufe beim Schuss konzentriert, hatte zu weit rausgehalten bzw. mich in der Entfernung verschätzt...
Dann kam die dritte Gelegenheit. Die Dämmerung war schon recht weit fortgeschritten. Trotzdem hatte ich das Böcklein sauber drin, konzentrierte mich auf dem Schuss, ließ fliegen, das Böcklein spurtete los ... und ging nach einer kurzen Flucht nach rechts im hohen Gras nieder. Weil es schon so dunkel war, wollte ich nicht die obligatorische Viertelstunde warten, sondern machte mich gleich auf die Suche. Und ich fand nichts. Keinen Anschussort, keine Schweiß, keine Fluchtfährte im Gras, keinen Bock. Ich werde doch nicht schon wieder vorbei geschossen haben, dachte ich mit aufkommender Verzweiflung. Just in dem Moment versagt auch noch die Batterie meiner Taschenlampe. Um ja alle Möglichkeiten zu nutzen, rief ich den Jagdherren an. Ausgerechnet an diesem Abend hatte er sich etwas zeitiger in Bett gelegt, weil er am nächsten Morgen eine weite Fahrt machen musste. Trotzdem kam er und brachte seine starke Taschenlampe mit. Eine halbe Stunde lang suchten wir die gesamte Wiese ab, gingen im Schachbrettmuster, um nur ja jedes Fleckchen einzusehen. Nichts. Bist Du Dir sicher, dass Du getroffen hast, fragte mich der Jagdherr. Ich sagte: Ja - aber meine innere Sicherheit war schon längst der Angst und dem Zweifel gewichen. Vielleicht hatte ich ja unsauber getroffen und der Bock war wieder hochgemacht, weil ich nicht lange genug gewartet hatte? Vielleicht ist er genau in der Zeit aus der Wiese geflohen, als ich aus der Kanzel stieg, so dass ich es gar nicht bemerkte? Der Verstand sagte mir, Du hast ihn erlegt, das Gefühl war längst durch den Wind und wollte nicht auf den Verstand hören.
Der Jagdherr sagte, das ist sinnlos, den finden wir nicht, und fuhr nach Hause. Jetzt hatte ich extra noch ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn für nichts und wieder nichts aus dem Bett geklingelt hatte. Mit seiner Taschenlampe suchte ich noch einige Zeit allein weiter ... und fand nichts.
Völlig zerschlagen machte ich mich auf den Heimweg, gequält von Gedanken, völlig unfähig zu sein und die Jagd vielleicht aufgeben zu müssen.
Das erste, was ich am nächsten Morgen machte, war, wieder zu dieser Wiese zu fahren.
In Gedanken ging ich noch einmal genau die Situation vor dem Schuss durch. Da erinnerte ich mich, dass ich einige Minuten nicht hatte schießen können, weil der Bock schräg von mir weggezogen war, so dass ich ihn nur von hinten durch das ZF gesehen hatte. Vielleicht war der Anschussort also noch ein bisschen weiter links, als wir gestern gesucht hatten? Hingegangen und - ta-taaa - Schweiß! Ich brüllte vor Erleichterung. Dann überlegte ich weiter: die Flucht verlief von links nach rechts. Aber vielleicht habe ich das aus der Perspektive von der Kanzel nur so gesehen? Vielleicht ist er gar nicht quer zur Kanzel geflohen, sondern senkrecht von ihr weg und es erschien mir nur wie eine Flucht nach rechts, weil er ja links stand, als ich geschossen habe? Also gerade nach oben gesucht, anstatt nach rechts orientiert ... und da lag er im Grase. Sauber getroffen - genau so, wie es sein sollte. Mann, war ich erleichtert!
Das jagdliche Selbstvertrauen war zurück.
Seitdem läuft es wesentlich besser und ich habe keine Sorgen mehr, nicht zu treffen.
Was ich damit sagen will ist, die beste Heilung für Deine Misere wäre wahrscheinlich der Jagderfolg. Alles andere (Schießplatz) ist wie Therapie. Trotzdem folgt auf jede Therapie das unweigerliche Sich-der-Realität-stellen. Also würde ich sagen: nicht verzagen, warte auf eine absolut sichere Gelegenheit, und dann strecke das Stück! Das wird Dir mehr Auftrieb geben, als 100 Zehner auf dem Stand.
Ich weiß nicht, ob ich Dir mit meinem Beitrag weiterhelfen konnte...
Wieso nennst Du Dich eigentlich jungjäger, obwohl Du schon viele Jahre jagst?
cftm