So, jetzt habe ich mir auch 25 Minuten den Peter Wohlleben bei Markus Lanz angehört. Danke für den Link. Uff.
Nun provoziere ich mal ein bischen und schreib mal drauf los.
Der Wohlleben redet ganz furchtbar schnell, bringt aber auch massiv Informationen unter. Manche andere Talkschowgäste reden lange und vollkommen ohne Inhalt. Keine einzige Information von Wohlleben ist neu und das, was er sagt stimmt alles irgendwo. Wer aufmerksam den Wissens Teil in der Zeitung liest kennt das alles längst. Oder aus der Sendung mit der Maus. Blöße gibt sich der Profi nicht. Er pickt sich halt das raus, was publikumswirksam passt und verknüpft alles zu einem Riesenbrei , findet irgendwie einen roten Faden und fertig ist das "Netzwerk Natur". Dass die Natur ein Netzwerk ist ist ja auch eine reinste Banalität. Was ist Natur denn sonst, bitteschön?
Die Geschichte mit dem Lachs und den Bären/Stickstoff ist altbekannt (die Rolle der Pilze hat er allerdings vergessen in der Hektik), die Blattläuse und die Ameisen sind kalter Kaffee, Wölfe und Muffelschafe in Brandenburg sind auch nichts Neues (er perönlich hält sie für verwilderte Hausschafe. Herr Lanz hat noch nie das Wort Muffel gehört. Peinlich), Acker-Randstreifen werden weniger, Insekten nehmen ab, die Nahrungskette bricht zusammen. Stickstoff aus Abgasen überdüngt Feld und Wald: Alles längst gelutsche Drops. Auch die Regenwurm - Frischling Geschichte ist doch logisch. Parasiten-Beute-Jäger. Es pendelt sich immer alles irgendwo ein. Aber Regenwürmer "bekämpfen" natürlich kein Schwarzwild.
Der Mann hat das alles nur ganz simpel zu einer in sich schlüssigen Sache leicht verdaulich zusammen gepackt und mit starken Worten versehen - das ist sein Verdienst. Er vermenschelt alles und vereinfacht plakativ (aber sonst hört ja keiner zu) und Kausalzusammenhänge werden mehr vermutet als belegt. Wie in dem anderen Film-Beitrag gesagt, darf so etwas natürlich nicht als Sachbuch verkauft werden. Allerdings absolut erschreckend ist doch, dass offenbar der Moderator und die Gäste und das Publikum all das noch nie gehört hatten und aus dem Staunen gar nicht mehr rauskommen. Das Gros der Städter kann mit Natur und Umwelt gar nichts mehr anfangen. Mit dem Mann würde ich gerne mal ergebnisoffen argumentieren, jeder von uns könnte ihn sicher in einigen Punkten widerlegen, das wäre bestimmt kurzweilig. Aber dumm ist er sicher nicht und er hat zumindest die Gabe, aus den bekannten Informationen medienwirksam und erfolgreich Bücher zu schreiben und Talkshows zu bestreiten. So kommt aus meiner Sicht erfreulichreweise das Thema an die Öffentlichkeit.
Im Vergleich zu dem ganzen Unfug in der Vergangenheit (Bäume haben eine Seele und stillen ihre Kinder) finde ich diesen Auftritt bei Markus Lanz insgesamt ordentlich, er verdreht kaum Fakten sondern gibt die abstruseren Gedanken ehrlicherweise nicht als Tatsachen, sondern als eigene Ideen aus. Er sagt zum Beispiel, dass der Muffel ausgerottet wird durch dieWölfe findet er persönlich gut. Akzeptiert, jeder kann gut finden, was er will. Ob das auch gut IST, ist eine andere Frage. Hier geht´s nicht um Informationen, sondern um Emotionen. Die Diskussion, was eine heimische Art ist und was geschützt werden soll wird elegant umschifft.
Er sagt: "Ich finde Jagd nicht gut. Der Zuwachs übersteigt die Abschüsse." Ich würde ihm sagen: "Ich finde Jagd gut, der Zuwachs ist da, wir rotten nichts aus, wir bekommen tolles Bio-Fleisch." Dann stehts eben 1:1 und weiter wird debattiert. Wie auf allen anderen Gebieten auch immer und überall. Anstatt sich über den Baumflüsterer zu ärgern (weil er anti Jagd ist), sollten wir Jäger von ihm was lernen: Wie bekomme ich für meine (noch so verrückte) Meinung viel publicity und Zustimmung?
Am Ende hat immer Erfolg derjenige mit besseren Argumenten bzw. besserer Marketingstrategie. Wenn wir Jäger unser Naturverständnis nur über Verbände kommunizieren und Zustimmung lediglich über den Magen der Mitbürger einfordern (eine Wildbret-Initiative jagt doch die nächste) , ziehen wir Grünröcke auf Dauer den Kürzeren trotz besserer Sachargumente. Wir brauchen als Gegenspieler zu "Deutschlands bekanntestem Förster" allmählich mal "Deutschlands beliebtesten Jäger". Am besten noch weiblich.
Das Buch wird sicherlich wieder ein Bestseller und Otto Normalverbraucher versteht vielleicht am Ende wieder ein bisschen mehr von der Natur. Ist doch insgesamt kein vollkommen schlechter Ansatz, oder? Ob man nun alles sich selbst überlassen soll, Wolf & Co. die Natur wieder von allein regulieren? Sicher nicht! Dass das nicht geht weiß der Wohlleben auch.