Guten Morgen,
GUA Beuterheinländer beim Panzerballett während des Unteroffizierlehrgangs.
Ich sollte eine Kommandantenübung fahren, auf der Ladeschützenseite der Ausbilder, ein durchaus umgänglicher OFw, der Richtschütze ein Lehrgangskamerad, Fahrer war ein Wehrpflichtiger mit einem nicht alltäglichen Namen, weshalb er von mir in Müller umbenannt wird.
Müller hatte bei einigen Durchgängen vorher in der Rückwärtsfahrt stets an Geschwindigkeit verloren.
Zur Erklärung:
Beim 43t-Eisenschwein hat der Fahrer nach vorne nur Sicht über drei Winkelspiegel, einen geradeaus nach vorne, jeweils einen nach vorne rechts und vorne links, etwa in einem Winkel von 45°. Nach hinten kann er nichts (in Worten: NICHTS!) sehen, weshalb er beim Rückwärtsfahren vollständig auf die Anweisungen des Kommandanten angewiesen ist und diesen vertrauen muss.
Der Kommandant steht dabei rückwärts in seiner Luke, überkreuzt die Hände und orientiert sich an den überkreuzten Händen, welches Kommando er für welche Richtung gibt.
Der Ausbilder hat den Fahrer mehrfach aufgefordert, die Geschwindigkeit zu halten (bei funktionierender Gangsperre für die Gänge drei und vier waren das rückwärts maximal 18km/h (fahrt mal mit 18km/h rückwärts)),
einmal mit der Worten; "Müller, wenn das heißt "Rückwärts Marsch Marsch!", dann heißt das Vollgas im zweiten Gang bis eine andere Anweisung kommt. Der Kommandant ist für das, was passiert verantwortlich, aber ihr müsst euch gegenseitig auf euch verlassen können, da hängt im V-Fall euer Leben von ab. Das ist ein Kampfpanzer und kein Playmobil und der kann ganz schön was ab."
Dann Übungsbeginn; wer es kennt, weiß, dass das ganze eher idealisiert und vielleicht ein bisschen naiv war, wenn es um Erkennen spezieller Gefahren ging.
Auf einer großen Pläne raunt der Ausbilder: "Rauchwolke am rechten Waldrand."
Ich: "LENKFLUGKÖRPER! RÜCKWÄRTS MARSCH MARSCH!!!! Richtschütze, selbständiger Feuerkampf auf erkannten Feind!"
Ich dreh mich um, die Hände über Kreuz und los geht die wilde Hatz im Zickzack über die Wiese.
"Rechts anziehen, Gerade, links anziehen, Mensch VOLLGAS!!! Rechts anziehen."
Ich sehe ein paar Meter hinter mir eine kleine Lücke in einer Busch- und Baumreihe, die gilt es zu erwischen, um erst mal aus dem Sichtfeld des Gegner zu kommen.
Wir sind mit AK unterwegs, die Ketten werfen haufenweise Dreck nach vorne, der Motor brüllt, der Richtschütze schwenkt mit der Kanone den Waldrand ab auf der Suche nach dem Flugkörperschützen, wir jagen im Zickzack über die Wiese:
"Links anziehen, Gerade"
Wir kommen der Lücke immer näher und ich denke mir verdammt, die ist nicht groß, das wird knapp.
"Rechts anziehen, Gerade"
Das wird knapp, das wird knapp, das wird knapp.
Und plötzlich sind wir drin in der Lücke, die ersten Büsche und Bäume rauschen am Panzer entlang nach vorne, der Fahrer sieht in einem seiner Winkelspiegel das Grünzeug, bekommt es mit der Angst zu tun und steigt voll in die Bremsen.
In diesem Augenblick passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Hinter dem Hobel tat sich eine Kuhle von vielleicht einem halben Meter Tiefe auf, die Ketten verloren durch das Abbremsen ihre Spannung und ein paar 100 kg Mensch knallen in 43t Stahl ungefedert in den "Gegenhang".
Ich weiß nicht mehr, ob ich noch eine Warnung brüllen konnte;
ich hab es so gerade eben noch geschafft, ein wenig weiter aus der Luke zu kommen, als wir einschlugen.
Es tat einen gewaltigen Knall und ich hab mir die Schienbeine an irgendetwas saumäßig angescheppert, dachte zuerst, eines sei durch.
Mit viel Glück hab ich nicht in den Lafettenring gebissen, mag mir gar nicht vorstellen, wie mein Esszimmer dann ausgesehen hätte.
Alles schreit, der OFw flucht zum Gotterbarmen und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie der sich sehr flott aus seiner Luke wuchtet, nach vorne, in Richtung Kanone, die auf 1000 Uhr auf der Wanne liegt.
"Kakke", denke ich, "die WSA (Waffenstabilisierungsanlage) ist noch an" und kann sie im Umdrehen ausschalten.
Danach sehe ich den OFw wie einen Irrwisch auf der Fahrerluke rumspringen, "MÜLLER, MÜLLER!!!, was hab ich dir gesagt? MÜLLER, komm raus da! Ich tret ich dir in die Eier, bis du Leuchtkugeln kakkst!!"
Es hat mehrere Minuten gebraucht, bis sich der OFw wieder beruhigt hatte.
Mittlerweile stehen wir bis auf den Fahrer alle am Bock und reiben uns die malträtierten Knochen.
Keinem ist was "Ernstes" passiert, die blauschwarzen Flecken in den kommenden Tagen waren allerdings sehr eindrucksvoll.
Müller ist danach als Fahrer abgelöst worden, OFw selbst gefahren und so haben wir die Übung zu Ende gebracht.
Wenn ich mich in den vielen Jahren seither noch mit Kameraden darüber unterhalte, haben wir Tränen in den Augen vor Lachen und sind uns ebenso gewiss, dass das böse ins Auge hätte gehen können.
Waidmannsheil
Beuterheinländer