oryx schrieb:
Kam eben auf ARD:
"Politiker aller Parteien fordern schärferes Waffengesetz"......
Ich darf in diesem Zusammenhang eine Agenturmeldung von Associated Press von heute 14:39 zitieren:
Berlin (AP) Der Amoklauf in einer Realschule in Baden-Württemberg
erinnert an das grausige Schulmassaker in Erfurt. Dort erschoss vor
sieben Jahren ein 19-jähriger Ex-Gymnasiast kaltblütig in zehn
Minuten 16 Menschen. Die beispiellose Bluttat traf die Gesellschaft
damals bis ins Mark. Der Aufschrei war groß, die Betroffenheit
tief, Politiker verlangten einschneidende Konsequenzen. Doch was
hat sich in Deutschland seitdem geändert?
Auf den ersten Blick wenig: Noch immer klagen Schulen über
Lehrermangel und zu wenig Schulpsychologen. Noch immer stöhnen
Jugendliche über Gewalt unter Schülern und wachsenden
Leistungsdruck im Unterricht. Und noch immer stehen
gewaltdominierte Computerspiele wie «Empire: Total War» oder «World
of Warcraft» ganz oben in den Hitlisten.
Schnell ins Gespräch kamen 2002 unter anderem die Heraufsetzung
der Volljährigkeit auf 21 Jahre, eine Verschärfung des Waffenrechts
sowie das Verbot von Gewaltfilmen und blutrünstigen
Computerspielen, denn letztere hatte auch der Erfurter Amokläufer
Robert Steinhäuser konsumiert.
Einiges davon wurde umgesetzt. Wie schon zuvor Filme, werden nun
auch Computerspiele nur gemäß ihres Alters freigegeben; Käufer von
Ballerspielen müssen also mit Ausweiskontrollen rechnen. Ob dies im
Zeitalter von CD-Brennern und Internet den Zugang wirksam begrenzt,
erscheint indes zweifelhaft.
Der Bundestag verschärfte auch das Waffenrecht. Sportschützen -
Steinhäuser war einer von ihnen - dürfen nun erst ab 21 Jahren
Gewehre oder Pistolen besitzen. Für Jäger wurde die Altersgrenze
für den Besitz von Schusswaffen von 16 auf 18 Jahre angehoben. Bei
Personen unter 25 Jahren wird zudem ein Eignungstest zur
Voraussetzung für den Waffenbesitz gemacht. Steinhäuser hatte vor
sieben Jahren seine Pistole und die Pumpgun ordnungsgemäß im Laden
gekauft.
Doch auch diese Maßnahmen stoßen bei Experten weiter auf Skepsis,
denn die größere Gefahr im Alltag bilden die vielen illegalen
Waffen. Laut Polizeistatistik sind Schuss-Tatwaffen in der Regel
nur zu zehn Prozent legal im Besitz der Täter.
Weiter zu wenig Schulpsychologen
Schon zwei Tage nach den Todesschüssen am Erfurter
Gutenberg-Gymnasium sagte der damalige Bundesinnenminister Otto
Schily: «Ich bin der Meinung, dass jede Schule einen eigenen
Schulpsychologen braucht.» Doch ein Jahr später zog Bernd Jötten,
Vorsitzender der Sektion Schulpsychologen im Berufsverband
Deutscher Psychologen eine ernüchternde Bilanz: Die Unterversorgung
mit staatlichen Schulpsychologen habe sich kaum verbessert. Zwar
seien vereinzelt neue Stellen geschaffen worden, aber im Vergleich
zu anderen Ländern sei das immer noch viel zu wenig.
In Thüringen gab es zudem eine schnelle Änderung des
Schulgesetzes. Die Gymnasiasten dort können nun am Ende der 10.
Klasse eine Prüfung ablegen und haben damit einen
Realschulabschluss, falls sie später das Abitur nicht schaffen.
Dies reagiert auf den Fall Steinhäusers, der ohne Abschluss
dastand.
Journalisten und Politiker gieren nach zügigen Reaktionen
Viele Menschen erkannten nach «Erfurt» schon bald, dass neue
Gesetze höchstens oberflächlich die Gier von Journalisten und
Politikern nach zügigen Reaktionen befriedigen. Der damalige
Bundespräsident Johannes Rau sprach vielen aus dem Herzen, als er
während der bewegenden Trauerfeier sagte: «Wir sollten unsere
Ratlosigkeit nicht zu überspielen versuchen mit scheinbar nahe
liegenden Erklärungen. Wir sollten uns eingestehen: Wir verstehen
diese Tat nicht.»
Seine Analyse zielte tiefer und betraf das soziale Leben in der
Gesellschaft: «Wir leben miteinander und kennen uns häufig nicht.
Wir gehen miteinander zur Schule oder zur Arbeit, und wir kümmern
uns oft nicht um den anderen.» Alle müssten sich gegen eine
Verrohung der Gesellschaft wehren - «und diesen Kampf muss jeder
bei sich selber beginnen», mahnte Rau.
Seine Worte erscheinen brandaktuell.