Waid- oder Weid-

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Im Alter bin ich etwas gelassener geworden und echauffiere mich nicht mehr so zu diesem Thema.
Ja, ich erkenne sogar an, dass die Schreibweise mit "ai" AUCH verwenden kann, so wie vieles, das sich im Gebrauch etabliert hat, weil es einmal (falsch) angeordnet wurde. Aber "richtiger" von der Wortentwicklung seit Urzeiten ist nun mal eindeutig "ei".
Der Begriff Weide geht auf den germanischen Wortstamm „*weidja“ zurück, der ursprünglich „Jagd“ bedeutete (vgl. Weidwerk). In altnordischen und altenglischen Quellen liegt die Bedeutung noch eher auf „jagen, fangen, wandern“ (anord. veiðr, aengl. wáð). Erst im Althochdeutschen (weida) wird die Bezeichnung auch im Sinne von „Futter-, Fressplatz“ u. ä. verwendet. In der neuhochdeutschen Sprache hat sich die Bedeutung zum „Futterplatz für das Vieh“ gewandelt, während für die Jägersprache das Präfix weid.. übrig blieb.
Da aber nun mal während der späteren Verschriftlichung alle westgermanischen Sprachen das "ei" für diesen Wortstamm wählten, hat das "ai" für uns keine Tradition.
Wer Weidwerk mit "a" schreibt, müsste konsequenterweise auch die (Vieh-) Weide mit ai schreiben.
Causa finita...

Es sei denn, jemand liefert eine wissenschaftliche Begründung für "ai".
 
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Einige typische Beispiel von plötzlich entstandenem "uraltem" Brauchtum kann man z.B. im Raesfeld "Das deutsche Weidwerk" nachlesen:

Seit Frevert ab der 5. Auflage die Bearbeitung leitete, hieß es nun plötzlich "Das deutsche Waidwerk" und es kamen absonderliche Bräuche auf, von denen vorher im wohl bekanntesten deutschen Fachbuch nicht die Rede war: z.B:

Das Aufbrechen unbedingt in Hut und Mantel. - Das stand noch in meinem alten Blase drin mit einem lächerlichem Merkspruch.

Der "letzte Bissen" wurde im alten Raesfeld nicht nur der kapitalen (männlichen) Beute sondern auch den geringeren Stücken zugesprochen. Ansonsten hat er Brüche als nettes Beiwerk ohne zwingende Notwendigkeit angesehen. "Gerechte Holzarten" gab es für ihn noch nicht.

Ich gebe gerne Bock und Ricke den letzten Bissen, meine aber auch, dass es inmitten einer Wiese mit leckeren Kräutern keine "gerechte" Holzart sein muss, nach der ich evtl. erst meilenweit laufen muss. Stattdessen belasse ich dem Stück lieber den leckeren Löwenzahn im Äser, statt diesen gegen einen kratzigen Kiefernbruch auszutauschen.

Wenn ich besser blasen könnte, würde ich sogar das einzelne Stück verblasen, einfach um meiner Freude Ausdruck zu geben, nicht als Requiem.

Also die meisten alten Bräuche sind weniger alt als wir denken. Viele machen jedoch heute noch Freude, einige sind heute sinnfrei, wenige eher lächerlich.
So zum Beispiel die durch nichts gerechtfertigte differente Schreibweise bei "Waidwerk" und Weidloch.
 
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Nachdem bei mir Kühe auf der Weide stehen und ich nicht, benutze ich Waidmannsheil mit ai. Will mich von den Rindviechern distanzieren :ROFLMAO:

Und bevor es wer in den falschen Hals kriegt:
Mit Rindviechern sind hier ausschließlich Kühe gemeint ;)
 
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Wörtlich....

Schon das Ärmelaufkrempeln war absolut unweidmännisch.
Von meinem Großvater weiß ich noch, dass es für angehende Jäger der Nachweis der Beherrschung waidgerechter Arbeitsweise war, mit weißem Hemd ohne hochgekrempelter Ärmel ein erlegtes Stück aufzubrechen, ohne dass eine Spur von Schweiß (geschweige den "Grün") auf weißem Leinenstoff zu finden gewesen wäre....
.....und danach mit feuchtem Moos ausgewischt und 5 Tage in den warmen Keller gehängt.....
.....Tradition ist nicht die Bewahrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers!
 
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So war das und wenn man sich so manches Gemetzel anschaut war das keine schlechte Schule. Aber mir ist Wasser statt Moos auch lieber, wo sollte ich so viel Moos herbekommen?:cool:
Aber ansonsten, daran hat sich niemand den Magen verdorben geschweige denn ist jemand dran gestorben....
 
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Es ist jedem gestattet, eine eigene Meinung zu haben. Aber mit den eigenen Fakten hapert es zuweilen.

Jep, scheint so. Zu den tatsächlichen Fakten gehört nämlich auch die Tatsache, dass die meisten Frevert'schen Bräuche in irgendeiner (im Zweifel auch abgemilderten) Form als regionale Gewohnheit irgendwo praktiziert wurden. Einen gewissen Teil, den Rest, hat er darüber hinaus tatsächlich selbst erfunden.
Freverts "Leistung" war trotzdem primär das Suchen und Sammeln dieser regionalen Bräuche, das oftmals Ausbauen/Überhöhen und v.a. das Vereinheitlichen und apodiktische Vorgeben für das gesamte damalige Reichsgebiet, wie es damals üblich war.

P.s. Übrigens verweist WF selbst darauf, dass es zwar "verpönt" sei, die Ärmel aufzukrempeln, bzw. den Rock auszuziehen, empfiehlt aber Überziehstulpen und weist ebenfalls darauf hin, dass man ja zur Jagd nicht in "Stärkewäsche und dem besten Sonntagnachmittagsausgehrock" zum Jagen gehe.
 
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Es heißt, dass früher (aber nicht im Mittelalter, sondern seit dem Barock) der jagende Adel nicht mehr das Aufbrechen vollzog. Das erledigten die Jagdgehilfen - zunächst mit nackten Armen. Die hochstehenden Herren störten sich jedoch an den Schrunden und Flohstichen auf den nackten Armen der Jagdgehilfen. So befahlen sie, das Aufbrechen mit bekleideten Armen. Dass das im Mittelalter (auf das sich der dicke Hermann gern berief), anders war, zeigt das Versepos Tristan (um1210) in dem Tristan seiner Umgebung das weidgerechte Aufbrechen zelebriert: Er legt seinen Mantel ab, krempelt die Ärmel hoch und streicht sein schönes Haar zurück*:
"Tristan der ellende knabe sînen mantel zôch er abe und leite den ûf einen stoc. er zôch hôher sînen roc; sîn ermel vielt er vorne wider. sîn schoene hâr daz streich er nider..."

*Das mit dem Haar hat bei mir allerdings keinen Nutzen
 
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Och, da wäre ich mir nicht so sicher. Es ist nicht zuletzt der sich entwickelnden Hygiene zu verdanken, dass die Lebenserwartung seit dem Mittelalter gestiegen ist ;-)...
Aber nicht deswegen, früher gut eingelegt war das Zeug gut verdaulich.
Heutzutage in den Fabriken kräftige Sauce, bevorzugt asiatisch und das Gammelfleisch ist den Kunden nie aufgefallen.
Unser Verdauungsapparat unterscheidet sich nicht von denjenigen der Steinzeitmenschen, der verträgt mehr als nur ein wenig Hautgout.
 

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