Geehrter Yumitori,
ich sehe schon, nicht-komplexe Posts sind nicht Dein Ding (mach weiter so).
Ich bin zwar christlich erzogen, aber kann dem ersten Testament, den nordischen Sagen und später der Kultur der japanischen Samurai (Zen-Buddhismus) mehr abgewinnen - vielleicht, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein liebender Gott zulässt, dass einige seiner Schöpfungen anderer derselben Gattung mit Giftgas traktieren, …
Warum ein liebender Gott schreckliche Dinge zulässt, ist eine der allergrößten und schon immer allerdringlichsten Fragen, die gläubige Christen beschäftigt. Und es ist eben diese Frage, die seit je her Scharen von Menschen aus den Kirchen treibt.
Wie ist es bei Dir? Hast Du tatsächlich deshalb das Christentum verlassen, weil Du Dir einen liebend Gott nicht vorstellen kannst?
Ist es wirklich so viel bequemer, sich einer Religion oder Weltanschauung zuzuwenden, in der ein liebender Gott erst gar nicht vorkommt?
Hast Du die Bequemlichkeit der Auseinandersetzung mit einem liebenden Gott vorgezogen?
Das sind natürlich Fragen, die gemein und hinterhältig klingen. Deswegen äußere ich sie meist nicht. Dass ich sie Dir stelle (wenn auch nur rhetorisch) ist sozusagen ein Kompliment.
Nun aber, meine Antworten, die mich mit dem liebend Gott, der so schreckliche Dinge zulässt, versöhnen, sind:
1. Gott hat den Menschen - jedem einzelnen ganz persönlich - die Freiheit gegeben, sich für das Gute zu entscheiden oder eben nicht. (Wenn Du Platon kennst oder Augustinus, wirst Du schon ahnen, was jetzt kommt.) Diese Freiheit hat er ihm gegeben, weil er den Menschen - jeden einzelnen ganz persönlich - so unendlich liebt. (Gott hätte dem Menschen auch die Freiheit nicht geben können und niemand hätte es gemerkt. Der Mensch wäre dann einfach ein funktionierendes Staatswesen, wie es den Kommunisten oder Grünen vorschwebt.)
So lange der Mensch nun in seiner Freiheit sich aktiv dem Guten zuwendet, ist alles gut.
Aus christlicher Sicht gibt es kein Ying und Yang, nicht das Gute und das Böse als Prinzip, als Gegenspieler. Nein, es gibt nur das Gute.
Aber warum geschieht dann das Schlechte? Einfach indem sich der Mensch nicht Kraft seiner Freiheit willentlich dem Guten zuwendet, geschieht das Böse. Einfach so. Er muss sich nicht dafür entscheiden, es passiert dann einfach. Und er kann sich auch nicht dafür entscheiden, weil "das Böse" als Prinzip nicht existiert. (Die Rolle des Teufels, der ebenfalls von Gott geschaffenes Geschöpf ist, und den es tatsächlich gibt, hat mit diesem Prinzip des Guten nicht ursächlich zu tun und ist in diesem Zusammenhang nur ein Nebenthema, das ich hier nicht weiter ausführen will.)
Also: Gott ist nun wirklich nicht an allem schuld, was auf der Welt passiert, auch nicht an Giftgas. Solche Dinge liegen in der Freiheit des Menschen. Du kannst Gott die Schuld geben, dass er dem Menschen Freiheit gegeben hat (auch Dir), falls Du das willst.
2. Darüber hinaus gibt es Dinge, die nun wirklich außerhalb der Freiheit des Menschen liegen. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, Meteoriteneinschläge, Klimakatastrophen. (Natürlich kann man hier Überlegungen anstellen, inwieweit es des Menschen Pflicht und Schuld ist, sich vor solchen Dingen zu schützen, wenn er sie schon nicht verhindern kann, aber lassen wir das jetzt beiseite.)
Jedenfalls, dem Menschen wiederfahren schreckliche Dinge, ob er nun selbstverschuldet ist oder nicht. Aber wie schrecklich dieser Schmerz uns erscheint odertatsächlich ist, er ist vielleicht NICHTS im Vergleich zu dem, was Gott uns als Glück und Herrlichkeit zu schenken vermag, wenn wir einmal in oder bei ihm aufgehen (und mit uns die ganze Schöpfung).
Natürlich ist das ein naiver Glaube, nach dem Motto: Irgendwann später wir alles aber bestimmt ganz, ganz schön. Und wer diesen naiven Glauben für seine billigen Zwecke ausnutzen will, tut sich auch nicht schwer dabei - funktioniert prima, hat die Geschichte schon öfters gezeigt.
Das ist eben die Crux am christlichen Glauben: Willst Du glauben oder willst Du nicht glauben. Es liegt in Deiner gottgegeben Freiheit.
Wenn Du willst, bist Du drinnen (und verstehst die Sache auch), wenn Du nicht willst, bist Du draußen (und verstehst davon gar nichts). Das ist im groben das Prinzip des christlichen Glaubens (von Ausnahmefällen einmal abgesehen). Und das ist alles: Willst Du oder willst Du nicht?
Vielleicht ist es ein nützlicher und tröstender Gedanke, dass auch Jesus, der Christus, sich aus rein naivem Glauben hat an das Kreuz nageln lassen, wo er dann unter Qualen langsam erstickt ist.