Tolles und sehr fachkundiges Posting, Bratl - großes Kompliment ! Daran könnten sich selbst Waidmeister ein Vorbild nehmen
.
Aber Neckerei beiseite, ich kann erst einmal nur auf einige wenige Punkte eingehen, sonst schriebe ich eine Stunde an einem Aufsatz. Deshalb sehr abbreviiert:
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Bratljaga:
zu Pkt 1.
Zur Fläche muss aber noch hinzukommen, dass bei einer Öffnung der Patronenhülse nach hinten (wodurch auch immer) der Schlagbolzenkanal ein gasführendes Bauteil wird. Insofern ist an einer Konstruktion durchaus auch interessant, wie nach hinten strömende Gase vom Gesicht des Schützen weggeleitet werden.<HR></BLOCKQUOTE>
Das ist zum Beispiel auch der Grund, warum die Pistole 08 später einen abgeänderten, gefluteten Schlagbolzen bekommen hat. In Kammern von Repetierbüchsenverschlüssen pflegt man häufig Gastentlastungsöffnungen aufzunehmen, in unterschiedlicher Größe und Gestalt. Sehr instruktiv hierzu ist das Wachstum der Öffnungen in den verschiedenen schwedischen Repetierbüchsenmodellen ab m/94.
Hinzu kommt die Frage nach der sicheren Befestigung von Schlößchen und Schlagbolzen in der Kammer, bzw. die Existenz eines Gastlastungsschildes (klassische Ausprägung als Flansch am M 98-Schlößchen, Vorgänger schon in der modifizierten späteren Schlagbolzenmutter des M 1888).
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>
Zu Pkt 2)
Grundsätzlich können (von den Doppelpassungen mal abgesehen) mehr Warzen natürlich auch mehr Ausnehmungen im aufnehmenden Bauteil bedeuten. Dies kann aber auch entsprechende Schwächungen bedeuten und somit nicht mehr Sicherheit produzieren.
Viele kleine Warzen müssen zwangsläufig auch nicht mehr Fläche bedeuten.<HR></BLOCKQUOTE>
Yep. Zumal selbst große Warzen oft nur zu 50 % verriegeln, wenn sie nicht benchrestmäßig handeingeschliffen worden sind. Ansonsten gilt das Monitum wegen u.U. höherer Versprödungs- und schließlich Bruchgefahr. Eine massive Vetterli-Vitali- oder Mauser-Warze (VV ist wider Erwarten größer, ätsch) setzt dagegen langsam zurück. Ist natürlich zugleich auch eine Frage des Härtungsverfahrens; eine Einsatzhärtung gibt wegen ihres weichen Kerns eher nach und setzt zurück. Was aus anderen Gründen nachteilig ist.
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat
Zu Pkt 3 und 5: Das Mauser 98er System vereint beides und ist deshalb an sich ein guter Kompromiss. Ich halte die zusätzliche Warze (oder sonstige technische Einrichtung vergleichbarer Wirkung) für die Verriegelung in der Brücke nicht für überflüssig.
Ein umstrittener Punkt, deshalb hochinteressant zu erörtern. Du weißt ja, daß viele Büchsenmacher und Konstrukteure die dritte nicht tragende Warze als "Übersicherung" und werbeträchtige Kosmetik ablehnen. Ist schon fast eine Mode unter Fachleuten und solchen, die sich dafür halten.
Dennoch bin ich mir gar nicht so sicher, ob die dritte Warze nicht doch ihren guten realen Sinn hatte. Sie tritt in erster Linie als auch für den einfachen Militärbüchsenmachergehilfen sichtbares Warnzeichen an, wenn sichtbar wird, daß sie Kontakt hat. Sozusagen eine Not-Verschlußabstandlehre. Ferner beugt sie Fällen vor, in denen freventlicher Weise trotz schon vorliegender Rücksetzung der Verschlußwarzenwiderlager und eventuell (ist aber gaaaaaanz selten) Rißbildung an den Warzen selbst immer weiter und weiter geschossen wird ("quousque tandem abutere patientia armorum ?"). Das kann im Kriegseinsatz durchaus auftreten.
Aber denke daran, daß Warzenabrisse beim Mauser M 98 zu den extremsten Seltenheiten gehören. Praktisch kommen sie nicht vor, die typischen Schadensbilder sind andere. Das Gewehr zerlegt sich in Einzelteile, Schrapnell aus Metall- und Holzsplittern, u.U. begibt sich selbst der Lauf auf eine ballistische Bahn (Fall einer M 1916 in .308 Win), aber der Verschluß BLEIBT DRIN. Das ist geradezu eine Regel.
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat
Zu Pkt 4. M.E. ist hierbei darauf zu achten, dass die Auslegung so erfolgt (das gilt aber selbstverständlich auch für die Verriegelung im Hülsenkopf, das diese nicht weiter von den heissen Gasen weg ist), dass auch schnell strömende heisse Gase für die Zeit in der sie vorhanden sein können weder durch Wärme- noch durch Erosionswirkung derart schädigend einwirken können, dass das Bauteil ganz oder (nicht sichtbar) teilweise versagt. Dieser Aspekt mag etwas wild erscheinen (schliesslich ist ja keine nach hinten losgehnde Hohlladung) Die Temperaturen und Strömungsgeschwindigkeiten können aber eheblich sein. Insofern sollte durch die Strömung des heissen Gases auch keine Entriegelungsbewegung einleitbar sein.
Da kann bei manchen Verschlüssen ein Problem liegen, gerade bei gewissen Geradezugverschlüssen.
Bei den Drücken einer Detonation oder einer Laufobstruktion reagiert Stahl nicht nur plastisch (das tut ein Lauf schon beim normalen Geschoßdurchgang, ist meßbar), sondern gibt schlichtweg endgültig nach. Erst recht, wenn Du einen direkten Gasstrom beaufschlagend hast, ohne den schützenden Messingpuffer dazwischen. Dann passiert das, was jeder im neuen DWJ (Heft 1/2004, Seite 84-87) bei einem Schweizer K 31 schaudernd nachschauen kann: ka-boom.
Und jetzt muß mensch sich nur noch die geringe Wandstärke z.B. der K-31-Hülse, aber auch eines R-93-Lauffortsatzes im Verriegelungsbereich (und die geringe dortige Eingriffstiefe der Spreizkrallen in die Radialnut) ansehen, um sich flugs seine eigene Meinung über Sicherheit im Unfall-Fall zu bilden. Bratljaga kann sich dazu ja auch die Patentschrift mal genauer anschauen, wobei die eh' nicht maßlich ganz genau ist.
Best regards and thanks,
Carcano
[ 22. Januar 2004: Beitrag editiert von: carcano ]