Mein Vorgehen zur Ladungsentwicklung

Wheelgunner_45ACP

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Wie entwickelt man eine Ladung. Die Frage bekomme ich auch immer wieder über PN und helfe dann gerne weiter. Und alles ist meine subjektive Sicht und Erfahrung der letzten über 30 Jahren selber Stopfen

Was für Optionen gibt es im Grunde?

Man kann es auf 4 Optionen zusammen streichen:
1) Einfach eine Ladung Ladung nachbauen und mit dem Resultat leben. Das ist für mich die unbefriedigendste Lösung
2) Ladungsleiter schießen
3) über Geschwindigkeit, wird im Englischen als Satterlee Test bezeichnet
4) über Optimum Barrel Time, kurz OBT

Für alle Verfahren gilt bei mir folgendes:
- so sauber und präzise wie möglich arbeiten
- L6 des Geschosses aus der jeweiligen Waffe bestimmen,
- Alternativ die L6 des Geschoßherstellers für die verwendete Patrone verwenden
- Da ich viel mit Simulationen arbeite (siehe Option 4) auf alle Fälle das Hülsenvolumen in H2O von abgeschossenen Hülsen bestimmen
- für Option 3 und 4 braucht es noch ein Geschwindigkeitsmessgerät. Es muss es kein Garmin oder Labradar sein, billige Lichtschranken- Systeme gibt es für unter 100€ beim Chinamann des geringsten Misstrauens.
 

Wheelgunner_45ACP

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Option 1: Man schaut in irgendwelche Ladedaten zu seiner Patrone und gewähltem Geschoss und baut das einfach nach. Dann darf man aber auch über das Ergebnis nicht jammern.

Hab so einen Jäger und WL mal kennen gelernt. Der lud einfach in die Mitte der Ladedaten und das war es. Alle Komponenten gemäß den Ladedaten war sein Vorgehen. Als reiner Waldjäger mit selten mal Schussentfernungen jenseits der 80m kann das durchaus funktionieren.

Was mich da a bisserl verwundert hat, ist dass da nach dem einschießen der Waffe nie irgendwie mal Kontrollbesuche am Schießstand erfolgten, außer die Waffe fiel mal. Aber auch da maximal 3 Schuss. Streukreis? Hat ihn nie interessiert. Durch seine besonnen Vorgehensweise und sich in der Schussentfernung beschränken war das für diesen Jäger durchaus von Erfolg gekrönt. Da er damals schon deutlich über 60 war denke ich, dass er mittlerweile auf der anderen Seite der Regenbogenbrücke zusammen mit seinem Springerspaniel jagt.

Aber im Grunde ist es nix, was ich empfehlen würde.

Aber auf vorhandene Ladedaten zurück greifen kann helfen. Zum einen um seine eigene L6 zu bestätigen. Oder einen Startpunkt zu haben. Und auch ein Gefühl dafür zu bekommen, was sinnvoll sein kann.
 

Wheelgunner_45ACP

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Option 2: Ladungsleiter schießen.

Vorteil: Seit Jahrzehnten bewährt, jeder kann seine Senf dazu geben
Nachteil: Zeitaufwendig und jeder kann seien Senf dazu geben

Dabei stellt sich immer die Frage, mit welchen Abstand die Ladungen gebaut werden, 0,1grs Abstufung macht bei 100grs Pulver keinen Sinn. Ich hab früher mit einer Abstufung von etwa 1% der Maximalladung gearbeitet und kam so auch zum Erfolg. Wenn dann der Bereich bekannt ist, in dem man sucht kann man auch für die 2te Runde dann feiner abstimmen

Bei der Auswertung scheiden sich die Geister, da es verschiedene Optionen gibt. Das geht von einem Schuss bis hin zu mehrfach 3er oder 5er Gruppen und dann Statistik anwenden.

Da fragt sich manch einer wie soll das mit einem Schuss gehen? Zum einen geht es meiner Ansicht nach nur bei wirklich präzisen Waffen. Zum andern gehen alle Schüssen auf die gleiche Scheibe und man schaut sich das Delta in der Höhenänderung an da hat man dann mal eine Sprung von - sagen wir - 2cm von Schuss 3 auf Schuss 4 und dann vielleicht nur 0,5cm bei als Veränderung von Schuß 6 auf Schuss 7. Damit ist die Toleranz gegen eine Veränderung im 2ten Fall größer. Das ist das, was in anderen Theorien teilweise als "Node" bezeichnet wird und wir suchen.

Oder man nimmt eine Scheibe mit mehreren Zielen und schießt auf jeden Zielpunkt eine Laborierung. Aus Gründen der Konzentration sollte man dabei nicht gleich alle Schuss einer Ladung abgeben. Sondern erst Schuss "Eins" einer Laborierung auf den zugeordneten Zielpunkt, dann alle Schuss "Zwei" und zum so weiter. Das Prinzip wird als "Round Robin" bezeichnet. Eine Zielscheibe dafür hab ich mal angehängt

Da ich mittlerweile a bisserl in PRS rein schnuppere bin ich kein Freund mehr von " einmal einen 5 Schuss- Streikreis ermitteln" und gut ist. Wenn ich alleine sehe wie sich meine Streikreise in der Tagesform verändern, kann das sehr optimistisch sein. Hab für meine PRS eine Laborierung, da komm ich bei 5 Schuss durchaus mal auf unter 10mm, aber an einem anderen Tag sind es "nur" 20mm. Elektronisch ausgewertet lieg mein Mittewert bei etwa 14mm über aktuell 20 Auswertungen zu je 5 Schuss.

Daher hab ich mit mit anderen Lösungen zur Ladungsfindung beschäftigt.
 

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Wheelgunner_45ACP

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Option 3: Satterlee- Test

Wie ich das erste mal darüber gestolpert bin, dachte ich was ist das. Aber im Grund auch ein interessanter Ansatz.

Im Grunde sucht man nach eine Node, bei dem die Änderung in der Geschwindigkeit möglichst flach ist. Was wieder aussagt, dass das eine robuste Laborierung ist, die auf alle mögliche Änderungen ( Temperatur, Luftdruck) recht entspannt reagiert. Führt fast automatisch dazu dass auch der Streikreis recht klein ist.

Wenn man das in eine Graphen überträgt sieht es beispielsweise so aus
1729499932043.png

Screenshot aus : https://youtu.be/ZIA4dHFpoCU?feature=shared

Wie man sieht hat man 2 flache Kurvenverläufe bei 50.4 und 51.5grs. Was man dann nimmt ist persönliche Geschmackssacht, so lange man innerhalb des PMax aus der CIP bleibt.
 

Wheelgunner_45ACP

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Option 4, Teil 1: Optimum Barrel Time in Theorie, kurz OBT.

Hier der Link zur Seite, wer tiefer einsteigen will. Da findet sich auch ein Dokument, wie man in QL die Pulverparameter anpassen kann:

Wer im Forum sucht, wird mehrfach den Verweis auf OBT finden. Nicht nur von mit sondern auch von anderen Personen. Um was geht es dabei? Kurz gesagt um Laufschwingungen. Allerdings nicht um die Traversalen ( hoch/runter/links/rechts) die jeder von uns kennt und bewusst sind. Sondern um Schwingungen längs (Longitudinal) des Laufes, ausgelöst von der Zündung der Patrone.

Diese Schwingungen gehen vom Stoßboden Richtung Mündung. Da wir zu 95% und mehr mit Stahl als Hauptbestandteil der Legierung arbeiten kann man von dessen Verhalten ausgehen. Ziel ist es, den Mündungsdurchgang immer bei konstanten Bedingungen zu erreichen. Als Folge dieser Schwingungen weitet und verengt sich der Lauf im Mikrometer- Bereich. Und Ziel ist es, den Mündungsdurchgang dann zu haben, wenn der Laufdiameter im Minimum oder Maximum dieser Schwingung ist. Das ist dann ein Node im Sinne dieser Theorie.

Wie erreiche ich das? Durch den Stahl kann ich die sogenannte Laufdurchgangszeit für eine Lauflänge ermitteln. Damit ist auch klar, dass diese Zeit von der Lauflänge abhängt. Die Zeit findet sich in QL
1729501426435.png

Und dann vergleicht man mit der angehängten Tabelle.
 

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Wheelgunner_45ACP

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Option 4, Teil 2: OBT in Praxis

Grundsätzliches zuerst: Da einiges über Simulation läuft, ist es wichtig alles was man erfassen kann auch sauber zu ermitteln.

Hier jetzt mein Vorgehen:
- Falls die Hülsen schon mal aus der eigenen Waffe verschossen wurden, erst mal das Hülsenvolumen ermitteln.
- Ich bau mir dann eine mittlere Ladung ich QL.
- Dann entweder die Tabelle benutzen oder über das OBT- Tool in GRT. Ja auch ich nutze GRT, obwohl ich von GRT sonst eher wenig halte. Die Simulation dort ist erheblich weiter weg von den BA- Messungen wie QL.
- in beiden Simulationen alles akribisch gleich eintragen.
- Die dann in QL berechnete Geschwindigkeit als Messung im OBT- Tool von GRT eintragen. Damit kann dann das Tool auf einen Node rechnen.
- Diese Laborierung baue ich dann mit 3 Schuss und messe die V0. Habe ich eine LS oder das Garmin, kann ich natürlich parallel den Streikreis auswerten.
- Verwendet einer das Magnetospeed? Auch da funktioniert das ermitteln des Streukreises, muss aber, ähnlich wie bei mit/ohne SD, mit einer anderen Ablage rechnen
- Sollte ich vorher das Hülsenvolumen nicht gehabt haben, habe ich jetzt 3 Hülsen zum ermitteln und zum Ergänzen all der Simulationsparameter.
- mit der gemessenen Geschwindigkeit wird der Node korrigiert.
- meist bin ich dann schon bei Streukreisen um 15mm oder weniger. Und damit bei jagdlich mehr wie ausreichender Präzision.

Wer nur in QL unterwegs ist, der muss zum Abgleich von theoretischer und gemessener V0 an die Pulverparameter. Auch dazu findet bei der OBT- Homepage eine Anleitung.
 

Wheelgunner_45ACP

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Weitere Fragten im Zusammenhang mit Ladung und Ladungsentwicklung.

- Pressladung Ja/nein? Meiner Erfahrung nach sind leichte Pressladungen oft am präzisesten, ist aber nicht primäres Ziel bei meiner Form der Ladungsentwicklung.

Die Abneigung gegen Pressladung ist historisch und kommt daher, wenn man Kugelpulver stark komprimiert und dann auch noch höheren Temperaturen aussetzt neigen diese in der Vergangenheit gerne dazu, zu verklumpen. Die .458WinMag und deren Verwendung in Afrika ist ein gerne dafür genommenes Beispiel. Das war in der Anfangszeit dieser Patrone wirklich ein Problem, da sie sowieso schon an der Untergrenze für "Big Five" war. Viel Großwildjäger schwörten (schwören immer noch ?) darauf, dass etwa 2400fps bzs 730m/s am Elefanten und Co ankommen sollten. Und dass hatte die .458Win oft nicht mal an der Mündung. Dann noch verklumptes Pulver und man war im Bereich einer starken 45/70.

- Variation bei der L6 um bessere Präzision zu gewinnen? Das bring meiner Erfahrung nach nur was, wenn die Ladung in den Grundzügen schon passt. Diese Stellschraube ist eher schwach in ihren Auswirkungen. Man wird durch Verändern der L6 eine Laborierung die aktuell gerade mal 4cm Streukreis bringt seltenst auf Werte unter 15mm bringen. Erreicht die Laborierung schon 15mm, kann Variation der L6 helfen 10mm oder weniger zu erreichen. Da der Übergangskonus mit jedem Schuss etwas ausbrennt, muss man irgendwann auch die L6 nachführen.

Mach ich es? Mittlerweile nicht mehr, von meiner PRS- Büchse abgesehen. Ich schaue zuerst ob es da irgendwelche Ladedaten schon gibt, bevorzugt vom Geschosshersteller. Und lade erst mal damit. hat bisher immer für Streukreise unter 20mm gereicht, meist eher unter 15mm, wenn der Rest sauber erledigt wurde.

- Änderung der V0 durch Schalldämpfer? Ich habe das schon mehrfach versucht, zu messen. An eigenen Waffen und im jagenden Bekanntenkreis. Bisher ging eine mögliche Veränderung der V0 in der Streuung der V0 unter.
 
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Super beschrieben, danke sehr!
Was fehlt: Satterlee-Test in der Praxis😆.
Nein, Scherz... Aber der Test wirkt, als ob man am einfachsten zu guten Ergebnissen kommt... das Filmchen muss ich noch gucken...
 
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Wheelgunner_45ACP

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Super beschrieben, danke sehr!
Was fehlt: Satterlee-Test in der Praxis😆.
Nein, Scherz... Aber der wirkt, als ob man am einfachsten zu guten Ergebnissen kommt... das Dilmchen muss ich noch gucken...
Tut mir leid, auf Satterlee bin ich erst NACH OBT gestoßen, dass darf ein Anderer machen . . .

Edit sagt: Auch bin ich mir nicht sicher, ob das so mit ein Schuss pro Ladung funktioniert. Da muss die Standardabweichung der Ladung schon entsprechend gering sein, damit das aussagekräftig ist. Von daher würde ich auch da immer mindestens 3 Schuss pro Pulvermenge machen und den jeweiligen Mittelwert nehmen
 
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