Großdemo
Wg. Urlaub komme ich leider erst jetzt dazu, meine Eindrücke von der Demo der Welt mitzuteilen. Im Grunde ist schon alles gesagt, nur nicht von mir…..Vielleicht tut der Abstand auch ganz gut, um sorgsam seine Gedanken zu ordnen. Mir ist schon klar, dass ich hiernach einen shitstorm zu erwarten habe (falls meine Ergüsse überhaupt jemanden interessieren), allein deshalb, weil ich die ganze Sache differenzierter sehe. Aber vielleicht hat der eine oder andere ja ähnliche Gedanken oder sachliche Anmerkungen und akzeptiert auch eine andere Meinung. Meinung ist immer subjektiv!
Also, einerseits fand ich es richtig, mal Flagge zu zeigen. 15.000 Leute sind schon ein starkes Argument und eine eindrucksvolle Demonstration, dass man sich nicht alles gefallen lassen sollte. Das verbreitete Photo der Teilnehmer auf der Brücke weckt bei allen Bekannten, denen ich es gezeigt habe, allerdings sofort die Assoziation eines Zugs von Lemmingen zum Abgrund (sorry, diesen Elfmeter für eine zynische Bemerkung konnte ich jetzt nicht liegen lassen:biggrin:. Hätte man sich sparen können.
Andererseits im Rückblick auf den ganzen Vorgang habe ich doch gemischte Gefühle. Zunächst einmal zur Demo selber:
Die Redebeiträge hatten durchaus unterschiedliche Qualität. Die meisten der Redner hatten ihr e üblichen „Blut und Boden“ Reden mit den bekannten Argumenten vorgetragen, daher picke ich mir nur die Besonderheiten raus. Am meisten beeindruckt hat mich FDP - Lindner. Die CDU wird sich schwarz geärgert haben (ha, Wortspiel), seinem rhetorischen Talent nur den eher lahmen Laschet (schwarz – grün?) gegenübergestellt zu haben. Schon beeindruckend wie er die Menge für sich einnahm. Ich glaube zwar, dass er eine Ente von einer Taube nicht unterscheiden kann, dennoch, schon ein starker Auftritt. Würde er doch sein Talent nur einer seriösen Partei zur Verfügung stellen. Seine Bemerkung zu Joschka Fischer brachte zwar den gewünschten Erfolg, ist aber billigster Ausdruck von Neid. Offenbar hat die FDP immer noch nicht überwunden, dass sie nach der Ära Genscher/Baum entweder nur noch schwachbrüstige Minister, deren Namen heute kein Mensch mehr kennt, oder nur noch Figuren aus dem Kasperltheater hervorgebracht hat (FDP –bashing macht einfach immer noch Spaß J). Als bei diesem Teil der Rede laut gejubelt wurde, habe ich erst festgestellt, in welcher Umgebung ich mich niedergelassen hatte. Die brüllenden Herren mit den bunten Bändchen quer über den Leib ließen mir doch einige Schauer über den Rücken laufen und ich habe mich lieber schnell in anständige Gesellschaft begeben. Laschet, wie gesagt, eher lahm und noch inhaltsleerer. Beim Piratenchef war fremdschämen angesagt. Peinlicher Auftritt, allerdings insofern effektiv, dass er die Leute so eingelullt hat, dass sie seine in diesem Kreis nicht mehrheitsfähigen Bemerkungen gar nicht bemerkten und bebuhten, z.B. zur bleifreien Munition. (Exkurs: ich schieße seit Jahren freiwillig bleifrei und habe null Probleme. Schleierhaft, woher diese Aufregung über das Thema kommt. Ich gehe auch seit Jahren ins Schießkino, allein deshalb, weil man den Schießnachweis braucht, wenn man mal beim Staat jagen will, was ich ab und an tue. Die Förster bestätigen, dass sich die Quote Anzahl Schüsse – erlegtes Wild seit Einführung des obligatorischen Schießnachweises deutlich verbessert hat, auf im Schnitt jetzt 2: 1. Letztlich war ich auf einer Jagd, wo man allerdings nur bekannt gute Schützen eingeladen hatte, wo die Quote fast bei 1: 1 lag. Ich bin persönlich starker Anhänger des verpflichtenden Schießnachweises!)
Von den Aussagen des SPD – Mannes sollte man sich nicht zu viel versprechen. Da redet sich der LJV die Welt schön. Vielleicht fällt die Jagdsteuer weg, vielleicht wird die eine oder andere Tierart doch nicht gestrichen. Mehr kommt da nicht, fürchte ich. Die alleinige Hoffnung bieten wohl nur noch die sog. Jagdgenossen. Auf einen Jäger wie Friedhelm Farthmann braucht man auch nicht zu setzen. Der ist so was von einem has-been.
Leider habe ich von dem, was Rüsse sagte, nichts verstanden. Schade eigentlich und es zeugt von keiner guten Kinderstube, wenn man jemanden so niederschreit. Dabei unterstellt man doch der dort anwesenden überwiegend älteren Generation eine gute Erziehung. Und das stört mich mit am Meisten an der momentanen Auseinandersetzung, nämlich, dass man die sachliche Diskussionsebene verlassen hat und nur noch ideologisch (auf beiden Seiten!) argumentiert. Ich komme darauf noch zu sprechen. Es ist sicher völlig in Ordnung, das Pegida – Gesocks oder ähnliche Vollpfosten nieder zu brüllen. Aber hier geht es letztlich doch nur um ein Hobby, um die Sache und den Austausch von Argumenten, nicht um den Kampf für Demokratie, Anstand und Menschenwürde gegen Ewiggestrige. Selbst Vertreter der AfDioten lässt man doch in Diskussionen ausreden.
Interessant fand ich die Rede vom Waldbauernpräsidenten. Und zwar weniger das, was er gesagt hat (fand ich richtig), sondern was er nicht gesagt hat. Vorab, ich bin selber Waldbesitzer und mittlerweile nahezu ausschließlicher Waldjäger. Das bedeutet, dass mich die künftigen Einschränkungen bei der Niederwildjagd in der Praxis nicht so sehr berühren, anderseits profitiere ich von den Verbesserungen bei der Bejagung von Schalenwild. Und das bestätigen mir etliche Kollegen, natürlich nur unter der Hand, dass das neue Jagdgesetz für Waldbesitzer gar nicht so schlecht ist. Davon hat der Waldbauernpräsident eben nicht gesprochen, obwohl ähnliche Äußerungen auch von ihm verbürgt sind.
Damit komme ich zum Kern meiner Gedanken und warum mir die ganze Angelegenheit mittlerweile komplett gegen den Strich geht. Irgendwann zu Beginn des Prozesses ist man einfach falsch abgebogen. Die Grünen in die eine Richtung, die Jäger in die andere. Anstatt sich zusammen zu tun und gegen die eigentliche Ursache der ganzen Misere der Jagd vorzugehen, haut man sich lieber gegenseitig den Schädel ein. Mag sein, dass ein Grund die Einrichtung obskurer, nicht – transparenter Arbeitskreise war, mag sein, dass man zuerst das Trennende gesucht hat und nicht das Gemeinsame. Fakt ist aber für mich, dass eine einmalige Chance vergeben wurde. Wie sagte ein Hegeringsleiter neulich auf einer Veranstaltung sinngemäß „die Grünen sind die natürlichen Verbündeten der Jäger. Schade dass unsere Arbeit so wenig anerkannt wird“. Beides ist richtig, ich konzentriere mich aber auf den ersten Satz.
Der LJV hätte direkt nach der Wahl aktive auf die Regierung zugehen und das Heft in die Hand nehmen sollen. Es steht doch alles im Koalitionsvertrag, was jetzt umgesetzt werden soll. Anstatt zu agieren und das Heft selber in die Hand zu nehmen, hat man lieber auf die Karte „Abwarten“ gesetzt. Einem Heereman wäre so etwas nicht passiert. Jeder, der mit offenen Augen und Ohren das politische und gesellschaftliche Leben verfolgt, weiß doch, dass sich die Ansichten der Bevölkerung zur Jagd zu unserem Nachteil geändert haben und dass andere Gruppen die Meinungsführerschaft übernommen haben. Die vom LJV in Auftrag gegebene Umfrage zur Jagd ist doch genauso lachhaft wie die der Grünen. Man weiß doch, dass allein die Fragestellung die Ergebnisse bringt, die man haben will. Da empfehle ich vielmehr eine Untersuchung von Rainer Brämer „Was die deutschen von der Jagd halten“, die ich beim googeln gefunden habe. Darin hat er eine Vielzahl solcher Untersuchungen ausgewertet und kommt wahrscheinlich zum objektiv möglichsten Ergebnis. Die Jagd kommt in der Bevölkerung nicht so gut weg, wie wir es uns wünschen oder einreden. Leider ist das Versagen des NRW-LJV kein Einzelfall. In etlichen anderen Bundesländer agiert die Spitze der Jagdverbände doch ähnlich stümperhaft, wie aus nächster Nähe beobachten konnte.
Mit den Grünen und dem ehrenamtlichen Naturschutz (wobei ich hier nur den Nabu meine, weder den BUND, geschweige denn den Tierschutz) hätte man eine Allianz bilden können/sollen gegen die Hauptschuldigen all unserer Probleme, nämlich die intensive, industrielle Landwirtschaft und die exzessiv fütternden Waldbesitzer, die unter Wildbewirtschaftung eher die Mast von Tieren verstehen. Merkt denn keiner, dass insbesondere die Landwirtschaftslobbyisten hier ein böses Spiel mit den Jägern treiben? Deren Stellungnahmen gegen das Jagdgesetz sind doch nur Ablenkungsmanöver. Endlich hat man mit den Grünen/Naturschutz einen schwarzen Peter gefunden, auf den man alles abschieben kann. Die Reden der Vertreter der Landwirtschaftsverbände auf der Demo waren mehr als aufschlussreich.
Es kann doch keiner ernsthaft glauben/behaupten, dass der Artenrückgang in der freien Landschaft an ein paar Krähen, Mietzen oder Raubwild liegt. Wenn in einzelnen Landkreisen 50% der Ackerflächen aus Mais bestehen, liegt doch die Antwort auf der Hand, woran die Misere liegt. Ich besitze auch ein paar kleinere Waldflächen an der Grenze zu Holland. Ich kann mich gut daran erinnern, wie es war, als ich als Kind und Jugendlicher beim damaligen Jagdpächter zu den herbstlichen Treibjagden eingeladen war. Heute würde das als verbotene Kinderarbeit gewertet, was wir damals an Wild schleppen mussten. Und die einzig notwendige Biotoppflegemaßnahme war das Düngen mit Harnstoff der Büsche ringsum den Mittagsplatz. Und heute: Mais, Mais und noch mehr Mais und wenn kein Mais steht, werden die Äcker sofort wieder bepflanzt anstatt wie früher auch mal längere Zeit liegen gelassen. Was gab es damals für Unmengen an Kiebitzen. Sogar der große Brachvogel war häufig zu sehen. Und heute? Nur noch nach Gülle stinkende, ausgeräumte Felder. Ich bekomme zwar noch gutes Pachtgeld, das aber nur, weil mittlerweile die Jagd mangels einheimischer Interessenten von Holländern gepachtet wurde, die zudem auf alles schießen, was nicht schnell genug im Nachbarrevier ist. Ich kann’s ihnen noch nicht einmal verdenken angesichts der restriktiven Jagdpolitik in den Niederlanden. Übrigens, Katzen gibt es dort mangels umliegender Gehöfte nicht und es ist trotzdem kein Niederwild oder eine artenreiche Vogelwelt vorhanden.
Ich sehe bei dieser Entwicklung, die ja noch weiter geht, den einzelnen Landwirt eher als Opfer der Umstände denn als Täter (von Ausnahmen abgesehen). Wenn’s um die Existenz geht, muss man sich leider den Sachzwängen beugen. Ich kenne etliche Landwirte, die sich dessen bewusst sind und ebenfalls unter der Entwicklung leiden. Die eigentlichen Täter und die natürlichen Feinde der Jagd sind die Agrarlobbyisten, die das System mit allen Mitteln verteidigen und lieber ideologisch verbohrt auf die bösen Naturschützer schimpfen als endlich eine Kehrtwende ihrer zerstörerischen Politik vollziehen.
Es müssen doch auf Seiten der Jäger und Grünen/Naturschützern vernunftbegabte Leute geben, die zu Kompromissen fähig sind und gemeinsam gegen die wirkliche Bedrohung von Natur und Jagd vorgehen. Voraussetzung ist doch nur, dass man sich gegenseitig respektiert und auch die andere Meinung gelten lässt. Es hilft niemanden, wenn man seine Meinung als die allein selig machende ansieht. Ich kenne z.B. viele Leute, die zwar Vegetarier sind, aber akzeptieren, dass ich Wild schieße, um es zu essen. Einen Gummipunkt in der Anerkennung bekomme ich zusätzlich dadurch, dass ich ansonsten kaum Fleisch esse, schon gar nicht die Kunstprodukte aus der Massentierhaltung (auch wenn sie gegen Erkältungen helfen). Vielleicht nur zur Erinnerung, dass der NRW-Umweltminister bis zum Bruch mit dem LJV immer gemeinsam die Wildwochen eröffnet hat, um für den Verzehr von Wildbret zu werben. Es geht doch. Man muss nur gegenseitig die Lebensweise akzeptieren, auch wenn man selber eine andere hat.
Im Wald funktioniert die Zusammenarbeit doch auch häufig genug. Die örtlichen Nabu – Leute (z.T. selber Jäger bzw. umgekehrt) sind bei mir immer willkommen. Die Totengräber der Jagd sind hier die „Kollegen“, die im Winter exzessiv füttern, um mehr Wild schießen zu können. Das Gerede von den Notlagen ist doch nur peinlich in den warmen Wintern der letzten Jahre. Es ist nicht einzusehen, dass einige die die Wildschäden tragen müssen, aber keine Möglichkeit haben, den Abschuss zu erhöhen, weil in der Jagdzeit das Wild an den Fütterungen in der Nachbarschaft steht. Wer solche „Freunde“ hat, braucht keine Feinde. Man lese doch die Anzeigen in den einschlägigen Magazinen. Glaubt jemand ernsthaft, dass ein Jagdgast 1.000 und mehr € für einen Stand auf einer Drückjagd zahlt und es ist nicht garantiert, dass Wild vorkommt? Und das Wild wandert nicht wg. kollektiver Selbstmordgedanken dorthin, auch wenn der depressive Gesichtsausdruck z.B. beim Rotwild sicherlich diesen Schluss nahe legt.
So, jetzt habe ich mir meine Gedanken von der Seele geschrieben und meine Gefühlswelt ist wieder ausbalanciert :biggrin:. Fazit: Es war mal gut, Flagge zu zeigen, aber die Diskussion läuft aus meiner persönlichen Sicht komplett in die falsche Richtung. Wir Jäger werden von bestimmten Gruppen über den Tisch gezogen und keiner merkst. Es wäre Zeit für einen Neuanfang ohne ideologische Scheuklappen und man sollte sich andere Verbündete suchen als die, die auf der Bühne standen. LJV und Grüne haben es mittlerweile so weit gebracht, dass es beiden Seiten nur noch um das Beharren auf Positionen um des Beharrens willens geht. Die Sache spielt keine Rolle mehr, nur noch ideologische Sturheit. Ganz aktuell ist die Absage des Spargelanstichs durch den Verband (nicht durch Remmel) wg. der angekündigten Jägerdemo ein derartiges Eigentor für den LJV geworden, dass sich Remmel sicherlich schlapp lacht über so viel Dämlichkeit. Wenn ich Mitglied in einem Jagdverband wäre (was ich noch nie war), würde ich spätestens jetzt austreten.