<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Arial, Verdana">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Dompfaff:
Was ist denn das für ein naiver Thread?
<HR></BLOCKQUOTE>
Ich dachte, durch das kraftvolle Statement von Dompfaff wäre die "Deutsche kauft nur bei Deutschen"-Debatte beendet. Statt dessen wird weiter die Anti-Globalisierungskeule geschwungen.
Vielleicht ein paar Volkswirtschaftliche Gedanken:
Nüchtern besehen ist Globalisierung doch nichts anderers als ein Abbau von zuvor politisch installierten Handelshemmnissen und -barrieren. Globalisierung stellt -im Idealfall- den eigentlich natürlich Zustand wieder her, bei dem jeder mit jedem einen für beide vorteilhaften Vertrag abschließen kann, ohne dass eine zufällig zwischen den Vertragspartnern liegende politische Grenze diese für beide vorteilhafte Absicht ver- oder zumindest behindert.
Wer leidet unter der Globalisierung? Natürlich ein alter nationaler Vertragspartner von jemandem, der diesen nun nicht weiter berücksichtigt und stattdessen mit einem neuen anderen internationalen Vertragspartner ins Geschäft kommt. Somit gibt es also möglicherweise tatsächlich Verlierer der Globalisierung. Dabei müssen wir jedoch im Hinterkopf behalten, dass dieser mögliche Verlierer bisher ein Profiteur war, der also unverdiente Einkünfte bezog, die ihm nicht aufgrund Leistung sondern wegen politischer Intervention zugeflossen waren. Er war bis dato ein Profiteur staatlicher Zwänge, der nun darunter leidet, dass diese Maßnahmen seine unverdienten Zusatzeinkünfte nicht mehr beschützen. Dagegen profitiert nun ein neuer Vertragspartner, irgendwo anders auf der Welt, der nun durch die bislang bestehenden Zwangsmaßnahmen nicht mehr benachteiligt wird; nun ist er in der Lage, durch eigene Leistung eigene Einkünfte zu erwirtschaften. Diejenigen, welche bislang durch Protektionismus ausgeschlossen waren, profitieren also in jedem Fall durch die Globalisierung: Schwellenländer und Entwicklungsländer, dh. vor allem die Gegenden der Welt, denen wir Prosperität, Entwicklung und Wohlstand wünschen und denen wir bislang Entwicklungshilfe oder andere Schlechtes-Gewissen-Subventionen zugeteilt haben.
Fazit: Eleganter als mittels Globalisierung ist Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe nicht zu betreiben.
Aber was ist mit uns Deutschen ? Die ökonomische Theorie sagt, dass unter einer Reihe von Annahmen - zB. freie Preisbildung auf allen Märkten (Arbeitsmarkt!) - alle in den freien Handel eintretenden Staaten Wohlfahrtsgewinne erzielen, im Vergleich zur Alternativ-Situation, die Protektionismus ermöglicht. Sehr wichtig ist dabei aber die Ebene der Analyse: Alle beteiligten Volkswirtschaften, nicht aber alle beteiligten Individuen. Die empirische Wirtschaftsforschung besagt, dass diese Prognose regelmäßig eintrifft, selbst dann, wenn die theoretischen Annahmen nicht vollständig gegeben sind, also wenn zB. keine freie Preisbildung auf den Arbeitsmärkten herrschen. Allerdings steigen ohne eine freie Preisbildung auf den Arbeitsmärkten die Kosten auf der Seite der Individuen, welche als Verlierer einer Globalisierung gelten können. Es werden also netto immer noch die angesprochenen Wohlfahrtsgewinne erzielt, sie werden jedoch geringer, weil nun die Anpassungskosten der verlierenden Individuen zunehmen.
Wie ist das praktisch zu sehen ? Der beiderseits vorteilhafte Vertragsschluss eines deutschen Automobilherstellers mit polnischen Arbeitern und die gleichzeitige Weigerung dieses Unternehmens, die Verträge mit den deutschen Arbeitern zu verlängern, ist natürlich zunächst einmal nachteilig für die - bislamg politisch protektierten - deutschen Arbeiter ist. Die nationale Reaktion darauf ist logischerweise, dass diese deutschen Arbeiter arbeitslos werden. Zudem verbietet man ihnen durch den Flächentarifvertrag, sich in ein neues Arbeitsverhältnis hineinzukonkurrieren, statt dessen hält man sie lieber staatlich alimentiert vom Arbeitsmarkt fern.
Eine andere denkbare und in anderen Ländern zu beobachtende Reaktion wäre, dass man ihnen auf flexiblen Arbeitsmärkten erlaubt bzw. sie durch im Vergleich geringere staatliche Alimentation auch dazu nötigt, irgendein anderes Arbeitsverhältnis zu suchen, in welchem sie vermutlich weniger verdienen, aber weiterhin selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Arbeitslosigkeit ist somit keineswegs eine zwangsläufige Folge der Globalisierung, denn es gäbe anstelle des Autobaus genügend andere Dinge zu tun, wenn der Preis der Arbeitskräfte erschwinglich genug wäre. Als dritte Lösung könnte man dafür sorgen, dass der Anteil qualifizierter, gebildeter und produktiver Arbeiter in Deutschland zunimmt. Diese Arbeitsplätze stehen nämlich nicht in direktem Wettbewerb mit Kollegen in der Ukraine oder China. Jedoch stoßen Schulabgänger, die bei den Grundrechenarten an ihre Grenzen stoßen, auf unüberwindliche Hindernisse.
Ergo:
Wenn ein deutscher Arbeiter tatsächlich als Globalisierungsverlierer zu sehen ist, dann hängt das Ausmaß, in dem ihn dieses Unglück trifft wesentlich von denjenigen Parametern ab, die in der Hand der deutschen Politik liegen. Freiere Preisbildung auf den Arbeitsmärkten, Senkung der Bruttolöhne durch Senkung von Steuern und Abgaben sowie die Bereitstellung einer akzeptablen Bildung (PISA !!!) sind nationale Aufgaben. Wenn also die deutsche Politik diesen Aufgaben gerecht würde, dann würden selbst diejenigen Arbeiter, die zunächst Globalisierungsverlierer sind, damit rechnen, dass das Ausmaß, in dem sie verlieren, verhältnismäßig gering ist.
Des weiteren stellt sich die Frage, wie zahlreich die Globalisierungsverlierer unter den deutschen Arbeitnehmerschaft sein werden: Nicht besonders zahlreich. Auf ersten Blick sieht man nur, dass der deutsche Autohersteller seine Kleinwagen nun in der Ukraine bauen lässt und dass daher deutsche Arbeiter ihre Jobs verlieren. Was aber anschließend geschieht, ist ein Prozess, der weitgehend unbemerkt bleibt, eine Spezialisierungstendenz. Freier Handel führt nämlich dazu, dass die Industrien der verschiedenen Staaten sich auf veschiedene Dinge konzentruieren bzw. spezialisieren, nämlich in Richtung ihrer komparativen Kostenvorteile. Im Ergebnis bedeutet dies, dass selbst wenn ein Staat Kostenvorteile bei der Produktion a l l e r Güter hätte, es sich doch tendenziell auf diejenigen Güter spezialisieren würde, bei der relative Kostenvorteile bestehen. Es ist also keineswegs so, dass die Chinesen den USA oder Deutschland alle Märkte streitig machen. Vielmehr übt Globalisierung einen Druck zur Spezialisierung aus, der Deutschland dazu zwingt, vor allem Güter zu produzieren, die kapitalintensiv und humankapitalintensiv sind.
Und schon sind wir wieder bei den flexiblen Arbeitsmärkten und dem hervorragenden Bildungssystem. Je schneller beides da ist, desto schneller und schmerzloser funktioniert dieser Spezialisierungsprozess, in den uns die zunehmende internationale Arbeitsteilung zwingt. Die deutsche Politik hat es somit auch mit Blick auf die Globalisierung in der Hand, wie viele Globalisierungsverlierer es in Deutschland geben wird und wie schwer sie darunter zu leiden haben. Je länger die Politik diese Prozesse blockiert, desto unangenehmer, langwieriger und teurer wird der Prozess.
Gut gemeinte Boykott-Aufrufe für Unternehmen, die sich nicht aus reinem Spaß international bewegen helfen aber wahrscheinlich nicht weiter
[ 04. Februar 2006: Beitrag editiert von: Christian H ]