Vielleicht dies:
Kramgebeugt schleicht er in den Wald um seine traurigen Dienst für die Gesellschaft zu erfüllen; niedergedrückt von der Ausstattung deutscher Premiumhersteller, deren wahre Kosten er der Gattin verschwieg. Er opfert sein sauer verdientes Geld, seine spärliche Freizeit, ja selbst seine gesellschaftliche Reputation zum Wohle der Ökologie, im Dienst der Volksernährung und zur Abwehr von Epidemien. Nun steht er tränenblind an einem gerade gestreckten Stück Schalenwild. Niemand versteht sein sinn- und wertvolles Treiben. Dennoch es muss sein!
Sicher gibt es eine Fülle von Sachargumenten pro Jagd. Sicher gibt es auch zumindest in Teilbereichen eine Notwendigkeit zur Jagd und ebenso sicher steht die Jagd mit dieser Argumentation letztlich vor dem Aus. Bestandsregulierung ginge auch chemisch, Prädatorenersatz, Jahrzehnte ein beliebtes Argument, gerät ins Wanken durch die Rückkehr längst verschwundener Großraubtiere. Wildarten, die nicht als (Wald-)Schädlinge eingeordnet werden, verschwinden per se von der Liste jagdbarer Arten.
Für Berufsjäger mag Jagd ein reines Handwerk zum Broterwerb sein. Für die Vernichter der riesigen Bisonherden Nordamerikas war es schlicht ein Geschäft, brutal, ausbeuterisch, zerstörend. Aber schon für den in seine Umwelt eingebundenen Urjäger, den San, den Inuit war und ist Jagd immer mehr. Jagd muss hier zur Erhaltung der eigenen Lebensgrundlage immer fortdauernd also nachhaltig sein. Fast die gesamte Jagdkultur, der Trophäenkult, eine Jagdethik und in weiten Teilen das, was den echten Kern der Weidgerechtigkeit bildet, findet in der kulturellen Assimilation (Anpassung/ Angleichung) der Jagd an das Leben dieser Jäger seinen Ursprung.
Heutige Jäger jagen durchaus mit Nutzen für Umwelt, Artenschutz oder zur Gewinnung eines hochwertigen Lebensmittels. Ziehen sie sich aber auf diese Argumentation zurück, reflektieren ihr Handeln nicht grundsätzlicher und können sie dieses Handeln nicht darstellen, stehen sie, wie die Jagd heute in weiten Teilen, vor den Trümmern ihrer eigenen Glaubwürdigkeit. Das Herunterbeten letztlich fremder Argumente ohne eigene Authentizität verstärkt diesen Effekt eher als ihn zu lindern.
Wie erklärt man den Virus Jagd, der je mehr sein Träger mit ihm infiziert ist letztlich alle Lebensbereiche erfasst? Beim Vollblutjäger wird diese Ausbreitung über kurz oder lang überall deutlich. Aber selbst der nur temporär Jagende, der klassische Eventjäger, kann sein Fieber nicht salvieren, wenn er behauptet, nur zur Rettung des deutschen Waldes, des Niederwildes oder zur Schadensabwehr loszuziehen und dafür auch noch selbstlos Kosten, Mühen und Zeit investiert. Jäger als Mutter Teresa der Gesellschaft, lächerlich.
Jagd ist Handwerk, Jagd ist nützlich. Letztlich jagen wir aber um zu jagen. Wie ein Handwerk in der Vollendung zur Kunst wird, sich selbst in eine höhere Ebene katapultiert, so ist auch gelebte Jagd letztlich mehr als die auf vordergründigen Nutzen ausgerichtetes Tun.
Jagd ist ein Tor zu unseren Ursprüngen, Eintauchen in eine unverfälschte und archaische Welt. Deshalb wird Jagd auch vereinzelt mit Sex verwechselt. Diese Gleichsetzung ist falsch, der Vergleich jedoch naheliegend. Wie sich die menschliche Sexualität vom reinen Fortpflanzungszweck zur Form einer sozialen Kommunikationsform gewandelt hat, so ist auch die heutige Jagd über das reine Beutemachen humanoider Spezies weit hinausgewachsen. Die Jagd bildet eine Brücke zu den Ursprüngen menschlicher Existenz. Wie die Sexualität kulturell gebändigt und in totalitären Systemen auch verteufelt und unterdrückt wurde und wird, so fürchtet sich eine von political correctness geprägte Gesellschaft vor Mitgliedern, die den Mut haben jenseits des Zeitgeistes zu agieren. Jagd ist wie die Sexualität letztlich auch positiv anarchistisch.
Jagd ist die zentrale und ursprüngliche Fähigkeit des Menschen. Heutige Jagd ermöglicht dadurch dem Menschen ein ganzheitliches Leben. Jagd ist Teilhabe an der Natur, Teilhabe an einem Kreislauf, der so alt ist, wie das Leben. Sie ist eben nicht ein naturentfremdetes, nur kontemplatives (betrachtendes) Dasein. Jagd erdet den Menschen. Man kann das auch in einem einfachen Sinn religiös formulieren. Jagd ist Teilhabe an der Schöpfung, an der göttlichen Weltvernunft; weltlicher ist sie zumindest das Akzeptieren des natürlichen Spiels des Lebens. Sie ist das Gegenteil von menschlicher Hybris, die glaubt sie dürfte und könne alles, sich selbst erhebend, sogar den Tod negierend, ein irdisches Paradies errichten wollend, indem sie eben den ursprünglichen, natürlichen und aus sich selbstgeordneten Zustand auflöst und durch eine „schöne, neue Welt“ ersetzt.
Es mag sein, dass in einer zunehmend naturentfremdeten, von Machbarkeitswahn geprägten Welt, Jagd nicht mehr vermittelt werden kann. Vielleicht ist es dann besser die Jagd geht aufrecht unter, anstatt sich solange unter das Joch treiben zu lassen, bis der letztlich trotzdem dann unausweichliche Untergang nur noch eine Erlösung ist. Besser ist es eine ohnehin nicht mehr vermeidbare, klare Abrisskante zu ziehen, bevor die Jagd zu einer hässlichen Fratze ihrer selbst als Schädlingsreduktion, Hightechculling (Schlachten (mit überlegener Technik)) und degenerierter Alibijagd verkommt.
Vielleicht kann es aber auch gelingen zu verdeutlichen, was der Preis der Gesellschaft für den Verlust der Jagd ist. Jagd ist aus sich heraus immer naturbewahrend. Jagd um der Jagd willen ist immer nachhaltig und damit die einzige Form der Naturnutzung, die aus blankem Eigennutz an möglichst optimalen, dauerhaften Habitaten interessiert ist. Jagd ist für den Vollblutjäger und selbst für den, der nur gelegentlich von ihr kostet eine kathartische (reinigende) Handlung. Sie erreicht damit eine Ebene, die ins Transzendente übergeht. Jagd hat eine quasi religiöse Komponente. Für viele Jäger ist Jagd ein zentraler Bestandteil ihres Lebensentwurfes, zum Teil über Generationen hinweg gelebte Tradition und Selbstverständnis. Man sollte darüber nachdenken, wie weit eine weitere Drangsalierung und Verengung der Jagd sich mit einer freiheitlichen Grundordnung vereinbaren lässt. Eine Gesellschaft die Menschen, dieser Lebensweise beraubt, wird keine bessere, sondern eine intolerantere, totalitäre Gesellschaft. (Man könnte hier aus der Geschichte lernen, wenn man nur wollte).
Jagd ist Kulturtechnik, die handwerkliche Fähigkeiten, Werkzeuge und Hunderassen entwickelt hat, die einen Wert in sich selbst darstellen. Die Gesellschaft verliert auch hier, wenn sie Jagd auf den Stand der Technik reduziert, wenn sie Jagd von ihren Ursprüngen weg auf den status quo einer Technokratie einschränkt. Sie nivelliert damit zuerst das Wesen der Jagd, verengt aber letztlich das gesamte Leben auf das enge Fenster letztlich den Menschen sich selbst entfremdenden modernen Welt.
Sowie die UNESCO die Falknerei als Weltkulturerbe anerkannt hat, obwohl doch hier zweifelsohne fern vordergründiger Nützlichkeit ein Tier auf eine anderes Tier gehetzt wird, sowie es Bestrebungen gibt, längst tote Sprachen wie das Altgriechische oder das Latein als Kulturerbe aufzunehmen, so muss auch die Jagd fern ihrer alltagspolitischen Tändeleinen und zwar in ihren zahlreichen Facetten erhalten und geschützt werden. So wie es ferner religiösen Minderheiten gestattet wird aus religiösen Motiven Tiere gegen das Tierschutzgesetz zu schächten, so muss es Jägern möglich sein aus „religiösen“ Motiven zu jagen. Das Recht auf ein selbstbestimmtes, in diesem Fall naturnahes und natürliches, zumindest natürlicheres Leben ist ein hohes Rechtsgut.
Dies müssten selbst Jagdgegner erkennen können. Letztlich geht es dann nicht mehr vordergründig um die Jagd, sondern um gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Die Gesellschaft würde aber direkt von einem ideologiefreien Diskurs um die Jagd profitieren.