Es gibt keine amerikanischen Verhältnisse, sondern ein soziales Problem junger Männer in (zumeist urbanen) Problembezirken. Die Zentren der Kriminalität sind große Metropolen mit ihren sozialen Brennpunkten, egal ob sich diese in den USA (Chicago, Detroit, New York), Großbritannien (London, Manchester, Birmingham), den Niederlanden (Amsterdam), Deutschland (Berlin, Frankfurt, Hamburg) oder Belgien (Brüssel) befinden.
Würde man die Mordraten in den großen Städten der USA ab 500.000 Einwohner nicht berücksichtigen, käme man auf ähnliche Gewaltraten wie in Europa, wenn auch nicht so niedrige wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (Diese Länder haben trotz völlig unterschiedlichen Waffengesetzen ähnliche Mordraten – und zwar, je höher der legale Besitz ist, desto niedriger die Mordrate – was aber auch an den großen Städten liegen kann, die in Deutschland häufiger sind, womit wir wieder bei dem urbanen Problem junger Männer wären – hier beißt sich die Katze in den Schwanz).
Gerne verweise ich auf die US-Kriminologen, die mit mehr und mehr Studien zum Waffenbesitz, ihre kritische Anti-Waffenhaltung aufgeben haben:
Gary Kleck ist Professor an der School of Criminology and Criminal Justice an der Florida State University in den USA. Seine Forschung konzentriert sich auf Gewalt und Kriminalitätsprävention mit speziellem Fokus auf den Waffenbesitz. Im Jahr 1993 gewann Dr. Kleck den Michael J. Hindelang Award der American Society of Criminology für sein Buch Point Blank mit der Begründung, es sei seit drei Jahren der beste Beitrag zur Kriminologie.
Marvin Wolfgang, einer der renominiertesten US-Kriminologen und bekennender Waffenkontrollbefürworter, schrieb über Dr. Kleck:
Die Studie von Kleck und Gertz beeindruckt mich wegen der Umsicht und den aufwändigen Nuancen ihrer methodischen Untersuchungen. Ich mag ihre Schlussfolgerungen, dass der Besitz einer Pistole nützlich sein kann, nicht, aber ich kann nichts Nachteiliges über ihre Methodik sagen. Sie haben ernsthaft versucht, alle Gegenargumente bereits im Voraus zu berücksichtigen und haben dies außerordentlich gut gemacht. Marvin E. Wofgang, “A Tribute to a View I Have Opposed,” Journal of Criminal Law and Criminology 1995, Vol. 86 No. 1.)
Gary Kleck beschrieb, wie er von einem Waffenkontrollbefürworter, zu einem Kontroll-Skeptiker wurde:
Als ich meine Forschung zu Waffenbesitz im Jahr 1976 begann, glaubte ich, wie die meisten Akademiker, an die “Anti-Gun”-These, d.h. an die Idee, dass die Verfügbarkeit von Waffen einen positiven Effekt auf die Häufigkeit und / oder die Schwere von Gewalttaten hat.
Damals gehörte diese These zum gesunden Menschenverstand, die nicht empirisch überprüft werden müsste. Doch als sich ein gewisser Umfang an zuverlässiger Evidenz (und eine enorme Menge an nicht-so-sicheren Belegen) angesammelt hatte, verschoben viele der fähigsten Spezialisten in diesem Bereich ihre Position von “Anti-Gun”-Position zu einer skeptischeren Haltung.
[Weitere Forschungen] hatten mich veranlasst, auch die skeptische Position hinter mir zu lassen.
Ich glaube jetzt, dass die beste derzeit verfügbare Evidenz, wie unvollkommen sie auch ist (und immer bleiben wird), anzeigt, dass der freie Zugang zu Waffen keinen messbar positiven Effekt auf die Deliktraten von Totschlag, Selbstmord, Raub, Körperverletzung, Vergewaltigung oder Einbruch in den Vereinigten Staaten hat.
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Studie zu Waffenbesitz u.a. mit Gary Kleck
Interessant ist auch dieser Widerruf des Kriminologen Professor David Mustard, der zuvor strengere Waffenkontrolle befürwortet hatte im “University of Pennsylvania Law Review”
“Als ich 1995 mit meinen Forschungen zum Waffenbesitz begann [an der Universität von Chicago], hatte ich Schusswaffen leidenschaftlich abgelehnt und völlig die gängige Meinung akzeptiert, dass die Erhöhung der Waffenbesitzdichte zwangsläufig zur einer Erhöhung der Gewaltverbrechen und Unfalltoten führt. Meine Meinung zu diesem Thema wurde in erster Linie durch Medieninhalte in Bezug auf Schusswaffen geformt, die – für mich unmerklich – systematisch die Kosten von Schusswaffen betonten, während sie praktisch alle Vorteile ignorierten. Ich dachte, es sei doch offensichtlich, dass die Verabschiedung von Gesetzen, die gesetzestreuen Bürgern das verdeckte Tragen von Waffen erlauben, viele Probleme schaffen würden. Seit nun mehr als sechs Jahren bin ich vom Gegenteil überzeugt. Ich stellte fest, dass Shall-Issue-Laws – Gesetze, die Waffenscheine erlauben müssen, sofern der Antragsteller keine Vorstrafen hat oder unter keiner signifikanten psychischen Erkrankungen leidet, Gewaltverbrechen reduzieren und keine Auswirkungen auf Unfalltote haben.”
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Culture Affects Our Beliefs About Firearms But Data Are Also Important