Die Geschichte von Egon
Am 1. August war ich bei Opa_Lu zur Jagd eingeladen. O-ton der Einladung: „Einfach mal gucken was wir so sehen“.
Ich packte also mein Geraffel, den Minihund und lauter Krams in mein Auto und machte mich gen Norden. Bei Neumünster hatten zwei Autofahrer zuviel Tuchfühlung aufgenommen und bei mir kam die Frage auf, ab wie viel Dänen pro Kilometer die A7 eigentlich dänisches Staatsgebiet wird. Kurzer Anruf bei Opa_Lu, Punkt 19 Uhr wird nichts, obwohl 30 Minuten vor Routenplanerzeit losgefahren, zu viele Gegner auf der Straße.
Ankunft in Opa_Lus Idyll, herrlich. Der obligatorische Rotwein steht auf dem Tisch. Erstmal ankommen. Die Katze erklärt meinem Terriermini, dass Katzenjagd ein großartiges Hobby ist.
Dann also, rin’ inne Klamotte und raus ins Revier. Ach nee, wir sind ja schon mitten im Revier. Wir fahren ca. 1 Minute mit dem Auto um die Ecke bis vor einen Maisschlag. Ich witzele noch, warum wir überhaupt das Auto genommen haben, nicht ahnend, dass ich noch verdammt dankbar darüber sein werden.
Wir nehmen den Maisschlag an…also wir pirschen durch die ziemlich breite Fahrgasse bis zu einem hohen Baumsitz. Opa_Lu stellt mir die leicht ironische Frage, ob ich schwindelfrei bin. –Aber Hallo! Wir steigen auf den Baumsitz und ich bekomme die sichtbaren Reviergrenzen erklärt. Wir können außerdem noch ein weibliches Stück Rehwild in einer Maisgasse beobachten. Weiter links wackelt der Mais schweineverdächtig. Wir baumen ab (endlich passt dieser Begriff mal so wirklich) von diesem wundervollen Sitz mitten in der Baumkrone und pirschen weiter durch den Mais. Schweineparfüm umwabert uns.
An der Kante des Maisschlags geht Lu vor mir her und tritt langsam auf die Wiese aus. Wir glasen nach links und rechts. Lu geht weiter auf die Wiese raus. Mein Blick geht nach rechts, da hinten wackeln doch zwei Lauscher im Gras. Ich muss so scharf eingeatmet haben dass Lu sofort sein Glas in meine Sichtrichtung schwenkt. Mist. Da liegt ein Bock und hat uns natürlich voll auf dem Radar. Wir beobachten weiter reglos. Der Bock, etwa lauscherhohe Stangen mit auffällig hellen Spitzen, steht auf und springt ab in den Mais.
Wir gehen weiter auf die Wiese und haben rechts von uns nun auch noch in nächster Nähe eine Ricke mit Kitz, zunächst ziehen sie auf uns zu, dann bekommt die Ricke Wind und beide verschwinden im Mais.
Im großen Bogen pirschen wir über die Wiese um gegen den Wind zu unserem Sitz zu kommen (Vater Hans Kanzel, für die eingeweihten). Die Kanzel schwankt bedächtig, leichtes Seefahrergefühl kommt auf. Wir richten uns darauf ein warten zu müssen, nach dem wir den vertrauten Familienabend so plump gestört haben.
Wir tauschen Geschichten aus und beobachten die Maiskannte. Opa_Lu genehmigt sich eine blonde Flüssige. Ich bin nervös, aber ruhig. Rauchen darf ich nicht…nicht neben einem Schnief-Schnauf-Lausch-Experten, das würde mir nur wieder Vorwürfe einhandeln. Also weiter schauen und warten. Hinter uns fährt ein Mähdrescher im Raps und stört die idyllische Ruhe.
Rechts vor uns traut sich das Kitz wieder auf die Wiese und wir bewundern wie mutig es ist und sich schon ziemlich weit allein hinaus traut. Dann wirft es plötzlich auf und verschwindet erneut im Mais.
Dann kurze Zeit später, tritt der schon zuvor gesehene Bock auf die Wiese aus. „Mach dich fertig“ flüstert Lu. Was? Fertig? Ich? Jetzt wird es ernst. Ich wurschtele einen Moment herum bis ich Lu’s Stutzen auf der Brüstung und mich darum drapiert habe. Dann habe ich den Bock im Visier, aber er läuft hektisch auf der Wiese auf und ab, bewindet die Gräser und wirkt im ganzen suchend. Er verschwindet wieder im Mais. Ich sichere und lehne mich zurück. Uff, ein erster Adrenalinschub. So nahe habe ich noch nie einen Bock gesehen und ich sitze gerade zum zweiten Mal mit scharfer Waffe an.
Ein paar Minuten später steht der Bock wieder auf der Wiese. 110m, er steht breit, aber mir zu weit. Ich warte, will alles richtig machen und kämpfe Visionen stundenlanger Nachsuchen im Mais zurück in die schwarzen Winkel meiner Gedanken. Konzentration auf den Bock jetzt.
Der Bock zieht auf unseren Sitz zu.
„Pass auf“ sagt Lu „ich belle ihn an, dann verhofft er.“ Er ruft, aber der Bock bleibt spitz stehen. Nicht gut. Der Bock kommt weiter in unsere Richtung. Lu ruft noch mal, aber wieder dreht sich der Bock in Richtung des Rufes. Er zieht weiter, jetzt bilderbuchgerecht von rechts breit vor die Kanzel, ich bin drauf, Lu ruft und der Schuss kracht. Der Bock ist weg. Wo ist er hin? Zusammengebrochen? Auf den Fleck genagelt? Kann das sein?
Lu verunsichert mich durch weitere Fragen, meinst du er liegt, hast du es gesehen, wo bist du abgekommen, wo hat der Bock gestanden, hast du durchrepetiert. Ohje. Adrenalin rauscht.
Rechter Hand auf der Wiese zieht ein jüngerer, schmalerer Bock schaulustig heran.
Endlich, nun darf ich dann doch noch eine Zigarette rauchen. Ich zittere und bekomme kaum die Packung auf.
Wir glasen noch einmal die Stelle ab, wo der Bock zuletzt gestanden hatte. Nichts zu sehen. Wo ist er nur…
Nach endlosen weiteren Minuten raffen wir unser Zeug und baumen ab. „Geh vor in die Richtung wo du den Anschuss vermutest“ werde ich von Lu vorgeschickt. Den Stutzen locker im Arm gehe ich forscher als mir zu Mute ist voran. Dorthin, bei dem Grasbüschel müsste es sein. Ich mach mir Gedanken ob ich in dieser Dämmerung, es ist mittlerweile kurz vor 22 Uhr überhaupt noch einen Anschuss finden würde.
Einige Schritte weiter schimmert auf einmal was rotes exakt zwischen den zurvor vermuteten Grasbüscheln. Mit jedem Schritt darauf zu werden die Konturen des Bockes deutlicher. Er liegt. Mein etwas hoch geratener Hochblattschuss hat ihn auf den Fleck gebannt.
Lutz lässt mich ein paar Minuten mit dem Bock zurück und besorgt Ordnungsgemäß Erleger- und Inbesitznahmebruch und einen letzten Bissen für den Recken. Ein ungewöhnlicher, ungerade Sechser, die Stangen laufen in sehr hellen Spitzen aus.
Lu hilft mir beim Aufbruch, erledigt ihn Großteils. Ich stehe unter Schock und kann es immer noch nicht fassen.
Der knappe Kilometer zurück zum Auto artet in arge Schlepperei aus. Egon ist stärker als gedacht, wir vermuten so um und bei 14 kg. Am Auto angekommen bin ich verdammt froh den Recken nicht auch noch die nächsten zwei Kilometer schleppen zu müssen.
Bei Lu zu Hause bringt der bock dann doch 16 kg an die Waage.
Little known facts:
1.8.2009
Uhrzeit 21.20 Uhr
.30-06, Steyr Mannlicher Stutzen
Entfernung: ca. 40 m
Danke Opa_Lu für dieses großartige Erlebnis und die Leihgabe der Waffe. Und überhaupt, für Egon. Auch wenn jetzt der beste Vererber und Stammvater deiner Rehwildpopulation fehlt. Danke.
Ach so. Und die Bilder? Lu…schmeiß dein Internet an, setz den Hamster ins Laufrad und lade bitte ein, zwei Bilder hoch…Ich finde das Verbindungskabel vom Handy nicht…Aber Bilder folgen bestimmt!