Forestgump schrieb:
Warum Großgeräte nicht aufs Land gehören: Das empfehle ich Dir mal mit den Leuten zu diskutieren, die einen Transport von 70km in das nächste entsprechend ausgerüstete Zentrum nicht überlebt hätten...
Falsch, grottenfalsch. Find mir ein Kaff in Deutschland, das mehr als 40 km vom nächsten Mittelzentrum mit mindestens CT weg ist, wo zudem kein Hubschrauber landen könnte. Und dann lese genau die Experten der Rhönklinik etc, die solche tollen weiteren hotspots der Gelderabmelke projektieren: die reden ohnehin von solchen zumutbaren Enfernungen zum nächsten "Facharzt", ganz zu schweigen von Großgeräten.
Der Ersatz 24-stündiger Hausarztpräsenz durch weitere Geldabflüsse in Scanner-Träume à la Raumschiff Enterprise nützt keinem Kind mit Ohrenweh, zerschlägt die ordentliche palliative Begleitung genau da, wo sie stattfinden sollte: in den Weiten des ländlichen Raums, zuhause. Aber nein, da bauen wir doch hochlukrative Hospize mit ganz lieben Sterbebegleitungsschwestern und Anästhesisten-Konsilen, am Eingang schon klar: jetzt ist aber Schluss mit Kurativansprüchen. Da stirbt`s sich`s dann "entschlossen" schneller und sauberer, auf höchstem Niveau schmerzbefreit. Und mit dem qualitätsbelegenden Morphinpumpeneinsatz wächst dann auch netterweise der Profit aus der Spezialisierung für den dann stets BWL (BA) qualifizierten Boss der Einheit...
Ich zynele aus gelebter Praxis, weil mir die völlig fehlgeleitete Pumperei in rein profitorientierte Spezialisierung und Sektorisierung längst als seelenlos und inhuman entlarvt erscheint. Und ihre Fürsprecher als bestochene Politikerfatzkes.
Medizin heute ist weiterhin im Wesentlichen: Palliation.
Und eben immer noch seltenst heroische Heilung.
Auf ein platzendes Aortenaneurysma und die eine akute Hirnblutung kommen jeweils erstmal 1000 unheilbare Leidende, die zum Teil 12 Stunden nach der letzten Super-Chemo oder Brutalentwässerung beim tollen Spezialisten....schnöd zuhaus aufschlagen, Klammern in der Brust etc.
Leider hatte der vielbeschäftigte gutverdienende Spezialist keine Zeit zu irgendwelcher Kommunikation und dachte gar nicht so recht ans nun folgende Erbrechen. Auch gegen die lebensgefährliche Entsalzung hilft dann nur der Barfußmediziner, der sich wirklich die Zeit nimmt achtsam zu sein und zur Not (für nix) Blut ins nächste Krankenhaus fährt zur Kontrolle. Weil der Patient sonst abamselt aufgrund der leider zwingend rasch "in den ländlichen Raum" abgeschobenen kleinen Nebeneffekte: ei wie unachtsam und dumm wäre das doch !
Die halt so nebenbei erforderliche engmaschigste Koordination von Pflege, die Schmerzbehandlung auch am Wochenende und nachts daheim oder die so wichtige Marcumareinstellung ist bei uns grade pro Hausbesuch bei den Profiteuren von Hi-tech-Ruck-zuck-Medizin dann so ca: 155 Cent Honorarumsatz wert. Dies, weil man ja schon die große Kohle für die heroischen Acts längst voll verpulvert hat.
Null Nachwuchs für solchen Schwachsinnsjob garantiert.
Und genau daran wird das aufgeblähte und abgemolkene System schmerzhaft scheitern in ein paar Jahren - gar nicht am Mangel seelisch ausgeglühter Ex-Uni-Oberärzte und ihrer jetzt ambulanten Folterarsenale in jeder Kleinstadt.
Wie human, achtsam und modern die - nochmal: hauptsächlich: palliativen ! - Segnungen der Medizin am Boden ankommen, entscheidet sich am Zustand der
Arbeitsameisen in der Krankenversorgung. Und damit an der Humanität ihres Alltags, am Setting, in dem sie sich weiterbilden können und an der Zeit, die sie zum nichtkauderwelschenden Klartext-Anbieten und Umsetzen des Gelernten pro leidender Nase auch haben.
Dank langer faktischer "Priorisierung" der Interessen von Pharma- und Hi-tech-Industrie schaut es grade hier perspektivisch grauenhaft aus im ganzen Land:
Durchschnittsalter Hausärzte 54, Abwanderung in Rente jährlich extrem über Nachwuchszahlen und Kluft exponenziell wachsend, Gratisfortbildung immer noch oft nur nachts und pharmagesteuert, 60-70 Stunden-Wochen in ländlicher Praxis Normalfall (nach 24 Stunden Sonntags-Notdienst gleich der arbeitsfette Montag bis in die Nacht hinein - absolut legal! ). Drum die Defensivmedizin mit Facharztüberweisung an jeder Ecke. Erstickend in Formularen und Regelmentierungen und (Echtzitat!) "virtueller Honoraranwartschaft" als völlig theoretischen Höchstsätzen vor Erbringung der leider wesentlich höheren Leistung und dann mit nichtjustiziablen "Abschlagszahlungen" in Höhe der Allgemeinkosten des Ladens abgefüttert. Jetzt über momentan 7 Monate in Ba-Wü anstatt Honorarberechnungen 6 Monate nach Leistungserbringung - Dein Geld liegt auf der KV, auf dem Konto nur Schulden.
Burn-out die Regel und Sauwut über die Politik obligat, wenn wieder von "Besserverdienern" und "120.000 € Durchschnittsgewinn" (OECD Studie 2004: 86.000€, vor Renten- und Krankenversicherung und Steuer in dieser um mindestens ein Jahrzehnt verkürzten Lebenserwerbsphase gegenüber Nichtakademikern ) die Rede ist.
Hat Deinen Großeltern ein "Kernspin das Leben gerettet"? - bevor sie an Krebs- oder Diabetesfolgen jahrelang dem Tod entgegen litten. Oder sind die heftigeren Infekte, Fehlentwicklungen Deiner Kinder durch ne Uni bemerkt und geheilt worden ?
Ganz sicher nicht - da waren die "ganz normalen" Docs entscheidend, ganz nah, rufbereit und hoffentlich gut engagiert.
Und genau um deren Präsenz und Existenz geht es grade schon knallhart und bundesweit.
Wenn weiter die Lasermedizin und der Herzkatheter, der in jeder Kleinstadt ja ach so berechtigt wachsende Anspruch auf ein tolles Hospiz mit dem angeschlossenen Anaethesisten der Kreisklinik und "Alternativmedizin auf Kasse" oder nur den auch nicht wirklich hilfreichen tollen Orthopäden bei Rückenschmerzen plakatierte Ziele bleiben, wenn weiter nur Gefasel von "Klagen auf hohem Niveau" und zum letzten gemurksten Gesundheitsreformpatch "geschafft ohne jede Leistungskürzung für die Versicherten" kommt:
ist der Notstand absolut programmiert.
So isses - Zahlen einfach mal reinziehen am Netz.
Chrüazi,
Martin