Zukunfts Hirsch- Ja oder nein?!

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Suchfunktion....
habe bereits mehrfach diss. eingestellt. oder einfach die oben aufgeführten bücher lesen.. :wink:
 
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konst schrieb:
@ h. Ausserdem müssten die Leittierkälber damit ja auch immer überproprtional gut im Wildbret sein, weil die Spießlänge ja KEINE Veranlagung ist. Somit wird die überschüssige Energie dem Gehörnwachstum zugeführt.

Eben nicht, darum geht es doch. Ein langer Spiesser muss halt nicht immer gut im Wildpret sein.
Und wenn dir meine Quellenangaben nicht reichen, sorry aber das ich hier rumbblättere Seitenzahl und Zeilennummer angebe, soweit bin ich noch nicht. Da musst Du vielleicht Amadeus fragen.

Ich hatte dieselbe Disc. mit vAttems vor knapp einem Jahr. Da habe ich einen Teil der Diplomarbeit reingestellt. Also wer suchet.....
 
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Wanderjäger, das iss aber recht dürftig!!!!

Quellenangaben sind ja ok, aber daraus zitieren müsste doch eigentlich möglich sein, zumindest aber eine Art Zusammenfassung!
Entweder hast Du das selber nicht gelesen, nicht verstanden oder auch nur nachgeplappert!

Mein Anliegen ist denkbar einfach, kurz und knapp erklären, wie es zu diesem Zusammenhang Rang Alttier und Spiesslänge kommt. Verbesserte Ernährung, genetisch bedingt oder oder.........

Auf die soziale Stellung allein lässt sich diese Behauptung nicht begründen.

Unsere Politiker haben ja auch nicht den intelligenteren und muskulöseren Nachwuchs oder!!!???

Eifeljäger
 
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Eifeljäger schrieb:
Unsere Politiker haben ja auch nicht den intelligenteren und muskulöseren Nachwuchs oder!!!???

Eifeljäger
Muskulös ist hier natürlich Quatsch, genau das Gegenteil ist richtig:
Dass die soziale Stellung einen großen Einfluss hat auf die Entwicklungschancen, sollte klar sein. Der Nachwuchs hat einfach bessere Start-Voraussetzungen, da Eltern nicht nur genetisch (aber vielleicht eben auch!), sondern im täglichen Zusammenleben Kenntnisse, Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften usw. weitergeben. Pisa hat uns um die Ohren gehauen, dass unser Bildungssystem soziale Unterschiede verstärkt.
Ein Akademiker-Kind hat statistisch gesehen größere Chancen auf einen hochwertigen Bildungsabschluss als ein Arbeiter-Kind. Physische Stärke wird wohl eher durch Ernährungszustand und allgemeine Lebensbedingungen gekennzeichnet werden.

Beim Rotwild funktioniert es wohl ähnlich:

Das führende Alttier gibt dem Nachwuchs bessere Startvoraussetzungen mit: Futterplätze, Ruheplätze, Umgang mit Störungen und Feinden, usw. und vielleicht auch einen kleinen genetisch bedingten Vorteil. Dies führt zu einer Entwicklung des Nachwuchses, die ebenfalls auf die Einnahme einer guten sozialen Stellung ausgerichtet ist. Also weniger auf körperliche Stärke, mehr auf Geweihstärke, die später beim erwachsenen Hirsch die Stellung kennzeichnen wird.
 
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Für unsere Nachwuchsbiologen:
Für die nicht ganz so lesewilligen bis zur roten Farbe scrollen

EINFLUSS DER BEJAGUNG AUF DAS ROTWILD AUS GENETISCHER SICHT

Prof. Dr. G. B. Hartl
Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Olshausenstraße 40, D-24118 Kiel (1999)

Einleitung


Genetische Vielfalt in Körper- und Verhaltensmerkmalen ist die Grundlage für die Anpassungsfähigkeit einer Fortpflanzungsgemeinschaft an ihre sich ständig ändernde Umwelt. Wie durch die vergleichsweise geringe Häufigkeit spontan auftretender Veränderungen von Erbanlagen (aufgrund geringer Populationsgrößen und langer Generationsintervalle) und die überwiegend schädigende Wirkung solcher Erbänderungen in einem komplexen Organismus zu erklären ist, braucht sie bei großen Säugetierarten zu ihrer natürlichen Entstehung Tausende von Jahren. Ist genügend genetische Vielfalt vorhanden, so finden sich unter den verschiedensten Umweltbedingungen immer Individuen, die in der Lage sind, mehr Nachkommen hervorzubringen als andere - ein Vorgang, der den Genbestand verändert und als natürliche Selektion bezeichnet wird. Hat jedoch eine Fortpflanzungsgemeinschaft einen großen Teil ihrer Genreserven verloren, so treten vermehrt Krankheiten und Missbildungen auf, es kommt zu verminderter Fruchtbarkeit und Vitalität, und die Population kann schließlich bei Veränderung eines bestimmten Umweltfaktors aufgrund mangelnder Anpassungsfähigkeit zugrunde gehen.

In besonderem Maß werden Verluste von genetischer Mannigfaltigkeit durch die Isolation kleinerer Fortpflanzungsgemeinschaften herbeigeführt. Geht sie nämlich in einem derartigen Bestand z. B. durch starke Schwankungen der Populationsgröße verloren, so kann sie durch Zuwanderung aus anderen Beständen nicht wieder auf natürliche Weise eingebracht werden. Besonders die Zergliederung von Lebensräumen, die Errichtung von Gattern und Gehegen sowie die Aussetzung von wenigen Individuen bei Bestandesgründungen erzeugen solche, einer genetischen Verarmung preisgegebene Inselpopulationen.


Genetische Verarmung durch jagdliche Selektion

Während hinsichtlich der Auswirkung der oben genannten Einflussfaktoren auf den Genbestand von Wildtieren bereits eine Reihe fundierter Ergebnisse vorliegt, sind die genetischen Auswirkungen der jagdlichen Selektion bisher nur unzureichend dokumentiert. Ein solcher Wahlabschuss kann sowohl unter dem Aspekt der Veränderung der Altersstruktur und des Geschlechterverhältnisses in einem Bestand als auch hinsichtlich der "Herauszüchtung" einer bestimmten Ausprägung von Körpermerkmalen, wie etwa der Geweihform oder -größe beim Rothirsch, erfolgen.

Welche Auswirkungen auf die genetische Vielfalt eines Bestandes sind im Hinblick auf die verschiedenen Auslesekriterien zu erwarten?

Die Altersstruktur und das Geschlechterverhältnis haben einen großen Einfluss auf die sogenannte "effektive Populationsgröße" (Ne), die den genetischen Eintrag der jeweiligen Individuen zur Formierung des Genbestandes der nächsten Generation (und somit den Anstieg bzw. das Absinken des Inzuchtgrades) berücksichtigt. Leisten bestimmte Individuen oder Familien einen besonders hohen Fortpflanzungsbeitrag, so steigt im Bestand die Zahl abstammungsgleicher Erbanlagen, was bei gleichbleibender oder sogar ansteigender Bestandesgröße dennoch zu einer Erhöhung des Inzuchtgrades führt. Ein Beispiel: Besteht eine Population aus 1000 Individuen mit einem Geschlechterverhältnis von 1:1, so beträgt die effektive Populationsgröße ebenfalls 1000. Befruchtet hingegen (in einem Extrembeispiel) ein einziger Hirsch 999 Tiere, so beträgt Ne 4 (dieser Wert ergibt sich aus der Formel: Ne = 4NmNf/Nm+Nf, N = Anzahl, m = männlich, f = weiblich). Das bedeutet, dass der Inzuchtgrad bzw. der Verlust an genetischer Variabilität demjenigen in einer Population von nur 2 Hirschen und 2 Tieren, mit einem Geschlechterverhältnis bei der Fortpflanzung von 1:1, entspricht. In ähnlicher Weise wirkt auch die Überlappung mehrerer Generationen bei der Paarung, wodurch es z. B. vermehrt zu Vater-Tochter Paarungen kommt, jedoch ist dieser Effekt mathematisch schwieriger in den Griff zu bekommen, da eine konkrete Berechnung die Markierung aller Individuen eines Bestandes und deren mehrjährige, sorgfältige Beobachtung erfordern würde.

Wie steht es um die genetischen Auswirkungen des Wahlabschusses im Hinblick auf Körpermerkmale?

Nach den Erkenntnissen der quantitativen Genetik wird die Ausprägung mess- bzw. zählbarer Körpermerkmale in der Regel durch eine größere Anzahl zusammenwirkender Erbanlagen gesteuert. Diese geben eine sogenannte "Reaktionsnorm" vor (d. h. einen Bereich zwischen einer genetisch erreichbaren Maximal? bzw. Minimalausprägung) innerhalb welcher sich, je nach Umweltbedingungen, die tatsächliche Ausprägung eines Merkmals bewegt. Unterschiede zwischen Individuen (die Gesamtvarianz eines Merkmals) können daher sowohl auf Umwelteinflüsse als auch auf genetische Faktoren zurückzuführen sein, wobei man den durch Kreuzungsversuche ermittelten Erblichkeitsanteil eines Merkmals als dessen Heritabilität bezeichnet. Bei solchen Experimenten wird die Ausprägung des jeweiligen Merkmals bei den Nachkommen im Verhältnis zu jener bei beiden Elternteilen analysiert.

Gerade beim Geweih, dessen Erblichkeitskomponente im Rahmen der Jagd bereits seit langer Zeit sehr kontrovers diskutiert wird, ist die Ermittlung der Heritabilität komplizierter als bei vielen anderen Körpermerkmalen. Es ist, außer beim Ren, nur bei männlichen Individuen ausgebildet, was eine vollständige Familienanalyse verhindert. Dies soll nicht bedeuten, dass sich über die Vererbbarkeit von Geweihmerkmalen nichts erfahren lässt. Die vorhandene Vielfalt an Meinungen zu diesem Thema zeigt aber, dass ausreichende Erkenntnisse ? trotz mannigfaltiger Einzeluntersuchungen und ?beobachtungen ? nicht vorliegen.

Worin liegt aber nun die Bedeutung der genetischen Bestimmung von Geweihmerkmalen für die Jagd?

Entsprechend der Ausrichtung der angewandten Genetik in den frühen Jahrzehnten unseres Jahrhunderts wurden Abschussrichtlinien geschaffen, die massiv tierzüchterisches Gedankengut in die Wildbewirtschaftung hineintrugen. Begriffe wie "Aufartung", "Artverderber" und dergleichen mehr zeugen von einer genauen Vorstellung davon, wie z.B. ein Rothirsch "auszusehen hat", wobei aber weniger biologische Erkenntnisse als menschliche Ästhetik und Nutzkriterien eine Rolle spielten. "Weltrekordgeweihe", wie sie die verschiedenen Jagdausstellungen zieren, zeigen, dass auch heute, trotz tiefergehender biologischer und ökologischer Einsichten, das Streben nach "Maximierung" - sehr zu unterscheiden von "Optimierung" - eine wesentliche Antriebskomponente des Menschen darstellt.

Warum aber ist die einseitige Selektion im Hinblick auf eine extreme Ausprägung von Körper- oder Geweihmerkmalen vom modernen genetischen Standpunkt aus problematisch?

Der Grund dafür liegt darin, dass bei starker genetischer Verankerung eines Merkmals (welches, wie wir uns erinnern, außerdem von zahlreichen Erbanlagen gesteuert wird) ein einseitiger Selektionsdruck schließlich zur weitgehenden Reinerbigkeit der entsprechenden Gene und somit zur genetischen Verarmung führt. Dies wäre nicht so bedrohlich, wenn nur das jeweilige Merkmal (z. B. Geweih) von den Genverlusten betroffen wäre. Das eigentliche Problem ergibt sich durch die Koppelung der dieses Merkmal steuernden Gene mit weiteren Erbanlagen auf einem bestimmten Chromosom (Träger des Erbgutes), welche die Ausprägung vieler anderer, meist im einzelnen unbekannter, aber biologisch möglicherweise wesentlich wichtigerer Merkmale bestimmen. Auch sie werden durch die Selektion reinerbig, unter Umständen sogar für eine Genvariante, die unmittelbar schädlich für das Tier ist. Aus der Haustierzucht ist längst bekannt, dass die Maximierung einer bestimmten Eigenschaft oft mit schädlichen Auswirkungen in anderen Merkmalsbereichen gekoppelt ist. Während man beim Haustier jedoch abwägen kann, ob die erwünschte Eigenschaft einen besonderen Haltungs- bzw. tierärztlichen Betreuungsaufwand rechtfertigt und die "Umwelt" gewissermaßen maßgeschneidert werden kann, müssen Wildtiere unter der Wirkung zahlreicher, dem Menschen im einzelnen meist unbekannter Umweltfaktoren überleben. Überleben in freier Wildbahn ist gleichbedeutend mit Anpassung an Umweltveränderungen und somit auch mit Evolution.


Die Devise muss daher heißen: Erhaltung möglichst großer genetischer Vielfalt, um eine solche Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten. Natürliche Auslese kann nicht imitiert werden, da sie wesentlich mehr Aspekte des Phänotyps eines Lebewesens berücksichtigt, als dies dem Menschen im entferntesten möglich ist.


Derlei Einsichten haben zu einem Gegenausschlag des Pendels geführt. Um die Zweifelhaftigkeit der Selektion auf bestimmte Geweihmerkmale zu unterstreichen, wird in jüngerer Zeit vor allem die Umweltkomponente als nahezu ausschließlich maßgeblich für die Geweihentwicklung betont. Es trifft ohne Frage zu, dass ein komplexes Merkmal wie das Geweih in bestimmten Aspekten stark von Umweltfaktoren (z. B. Ernährung, soziale Stellung) beeinflusst werden kann und der Jäger nicht unbedingt in der Lage ist, vom Phänotyp, also dem äußeren Erscheinungsbild, auf den Genotyp, die zugrundeliegende Erbanlagenkomposition, zu schließen. Dennoch erinnert die allzu extreme Formulierung dieses Standpunktes an den Ausspruch: ".. weil nicht sein kann, was nicht sein darf!" Wäre ein großes, endenreiches Geweih ausschließlich ein Weiser für bessere Kondition, warum sollte man dann nicht bedenkenlos auf große Geweihe selektieren? Ich denke, hinsichtlich der Frage "Wahlabschuss oder nicht?" sollten zwei Komponenten getrennt erörtert werden:


1) Kann man im Hinblick auf die besondere Ausprägung von Geweihmerkmalen selektieren?
2) Soll man das tun, auch wenn man es bis zu einem gewissen Grad könnte?


Eiweißvarianten als Anzeiger für Geweihmerkmale

Die im folgenden dargestellten Ergebnisse einer konkreten Untersuchung meiner Arbeitsgruppe, die in Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen Dr. Gerard Lang und Dr. Francois Klein durchgeführt wird, sollten eine Stellungnahme ermöglichen.


Kann man die Ausprägung von Geweihmerkmalen in einem Bestand durch Wahlabschuss beeinflussen?


Um diese Frage zu prüfen, wurden drei voneinander abstammende Rothirschbestände in Frankreich untersucht.
Die Population im Gebirgsstock Donon (DON), deren Individuenzahl im Jahre 1880 ungefähr 500 betrug, bildete den Ausgangsbestand für alle anderen Rotwildvorkommen in den Nordvogesen. Die derzeitige Populationsgröße beträgt etwa 2750 Individuen mit einer errechneten "effektiven Populationsgröße" (Ne) von 1833. Eng benachbart ist der Bestand in den Nordvogesen (VN) mit einer Ne von etwa 533, der seit 1976 durch die abgezäunte Autobahn Paris?Straßburg von DON genetisch isoliert ist. Dies konnte durch die Suche nach Spuren auf die Autobahn flankierenden Sandstreifen, durch die Beobachtung markierten Rotwildes sowie durch populationsgenetische Untersuchungen nachgewiesen werden. Mit neun Individuen aus dem Bestand VN wurde im Jahre 1961 das Gatter JPV gegründet. Die derzeitige Ne beträgt etwa 23.

Als Kriterien für den Wahlabschuss in diesen Gebieten gelten die Körpergröße, die Endenzahl bei erwachsenen Hirschen und die Länge der Spieße bei einjährigen Hirschen (wenn deren Spießlänge die der Lauscher nicht übertrifft, werden sie abgeschossen).


Von insgesamt 129 Individuen aus DON, 233 Individuen aus VN und 57 Individuen aus JPV wurden sowohl eine Reihe von Körper- und Geweihmaßen erhoben als auch Organe für biochemisch?genetische Laboruntersuchungen entnommen. Mittels der Zahnschliffmethode wurde bei allen Individuen (außer bei Einjährigen) eine Altersbestimmung durchgeführt.

Die Laboruntersuchungen dienten dem Zweck, die genetische Vielfalt der Bestände mit Hilfe genetischer Varianten von Enzymen (Eiweiße, die Stoffwechselvorgänge in Gang bringen und steuern) zu charakterisieren. Im Gegensatz zu Körpermerkmalen, bei denen, wie schon erwähnt, erst die genetische von der Umweltkomponente zu trennen ist, werden diese sogenannten "biochemischen Marker" meist nur durch ein bis zwei Erbanlagen ohne jegliche Umweltbeeinflussung determiniert. Zudem können in diesem Merkmalsbereich reinerbige Tiere für bestimmte Eiweißausprägungen von mischerbigen eindeutig unterschieden werden.

In einem weiteren Untersuchungsschritt wurde statistisch geprüft, inwieweit bestimmte Eiweißausprägungen bevorzugt mit bestimmten Merkmalsausprägungen im Bereich des Körpers und des Geweihes zusammenfallen. Dabei ergaben sich für das männliche Rotwild folgende Resultate:

Bei Hirschen mit einem Alter von mindestens vier Jahren zeigten reinerbige Merkmalsträger der Enzymvariante IDH-2125 eine im Durchschnitt um den Wert 1.5 größere Endenzahl als rein- oder mischerbige Träger von IDH-2100.
Bei Hirschen mit einem Alter von mindestens neun Jahren hatten reinerbige Merkmalsträger der Enzymvariante ACP100 im Durchschnitt um 3 Enden mehr als rein- oder mischerbige Träger von ACP85. Auch die Stangenlänge, die Länge von Aug- und Mittelspross, der Stangenumfang und der Rosenumfang waren bei reinerbigen ACP-2 100 -Hirschen deutlich höher. Erkennbar war dieser Effekt jedoch erst ab dem sechsten Lebensjahr, während Hirsche dieses Genotyps zwischen 2 und 5 Jahren sogar eine geringere Geweihausbildung aufwiesen als die Träger des ACP-2 85 -Gens.
Die Erklärung für diese statistisch signifikanten Merkmalsbeziehungen liegt wahrscheinlich darin, dass die für die Enzyme IDH?2 und ACP-2 verantwortlichen Erbanlagen mit anderen Genen gekoppelt sind, welche einen Einfluss auf die Geweihgröße und die Endenzahl haben. Der Befund einer Koppelung der Endenzahl mit dem IDH-2100-Gen deckt sich gut mit Ergebnissen amerikanischer Forschungen am Weißwedelhirsch, wonach die Anzahl der Enden durch ein einzelnes "Hauptgen" gesteuert wird, welches gewissermaßen wie ein Schalter einer Gruppe von untergeordneten Erbanlagen vorgesetzt ist. Der Genort Idh-2 könnte einem solchen Schaltgen am Chromosom nahe benachbart sein. Acp-2 dagegen weist anscheinend eine Koppelung mit einer generell für das Geweihwachstum verantwortlichen Erbanlage auf.

Nun zu den für den Wahlabschuss relevanten Aspekten:

- DON, VN und JPV unterscheiden sich in der Genhäufigkeit der Enzymvariante IDH-2 125 voneinander, und zwar in einem Ausmaß, das Zufallsveränderungen als alleinige Ursache ausschließt. Dieser Anstieg der Genhäufigkeit von IDH?2 125 von DON zu VN und von VN zu JPV geht konform mit einem gleichsinnigen und deutlichen Anstieg der Endenzahl; desgleichen die Intensität des Wahlabschusses und die Zeitdauer seit deren Einführung in den jeweiligen Beständen.

- Die Genhäufigkeit von ACP-2 100 nimmt hingegen, trotz der Selektion zugunsten einer hohen Endenzahl, von DON zu VN stark ab. Dies kann dadurch erklärt werden, dass Hirsche mit geringer Endenzahl in der Regel im Alter von 2-5 Jahren abgeschossen werden, der Effekt der Geweihwachstumskomponente aber erst ab einem Alter von 6 Jahren voll zur Wirkung kommt (möglicherweise wird bei reinerbigen ACP-2 100 -Trägern in den ersten Lebensjahren vor allem in das Körperwachstum investiert).

? In der Klasse der Einjährigen trat die Enzymvariante ACP-1 100 deutlich häufiger bei Individuen mit kurzen Spießen auf. Auch hier kann eine entsprechende Verschiebung der Genhäufigkeiten von DON zu VN und von VN zu JPV (Anstieg der alternativen Enzymvariante ACP-1 300 ) nicht durch den Zufall erklärt werden. Die Selektion gegen kleine Spießer ist besonders effizient, da das Merkmal leicht anzusprechen ist, die Tiere noch wenig erfahren bzw. scheu sind und die Jäger für einen solchen Selektionsabschuss durch die Freigabe eines weiteren Abschusses honoriert werden. Auch die Enzymvariante ME-1 90 trat in hochsignifikantem Ausmaß nur bei Einjährigen mit kurzen Spießen auf. Die Konsequenzen des Wahlabschusses sind leicht abzuschätzen: Bei anhaltendem Selektionsdruck gegenüber Einjährigen mit kurzen Spießen nehmen die mit diesem Merkmal assoziierten Enzymvarianten in ihrer Häufigkeit ab, bis sie schließlich aus dem Bestand eliminiert sind. Andererseits sind unter den großen Spießern reinerbige IDH-2 100 -Träger relativ selten, was bedeutet, dass die Spießlänge über die spätere Geweihausbildung nur sehr wenig aussagt. Hinsichtlich des Auftretens von ACP-2 100 gab es keinen Unterschied zwischen Einjährigen mit langen oder kurzen Spießen, was diesen Befund noch unterstützt[/color


Die hier in aller Kürze dargestellten Ergebnisse erlauben somit die folgenden Schlussfolgerungen:

1) Durch den selektiven Abschuss im Hinblick auf bestimmte Geweihmerkmale wurde einerseits eine Steigerung der Endenzahl erzielt, andererseits erfolgte eine Verschiebung der Genhäufigkeiten für andere, damit gekoppelte Merkmale. Dabei ist anzunehmen, dass der Abschuss von Einjährigen mit kurzen Spießen eher lediglich zu Genverlusten als zu einer Anhebung der Endenzahl beiträgt[/color

2) Dieser Befund legt nahe, dass die als Selektionskriterien verwendeten Körper? bzw. Geweihmerkmale zu einem hohen Grad erblich bedingt sind. Der Umstand, dass bestimmte Eiweißvarianten nicht in jedem Fall, sondern nur besonders häufig zusammen mit einer bestimmten Geweihausprägung auftreten bestätigt aber (mit Vorbehalt hinsichtlich des noch unbekannten Koppelungsabstandes zwischen Marker- und "Geweih"genen), dass auch Umwelteinwirkungen bei der Geweihentwicklung eine gewisse Rolle spielen. Dennoch sollten unter extremen Versuchsbedingungen (z.B. starker Nahrungsüberschuss oder -mangel, soziale Stellung des Muttertieres oder Dominanzverhältnisse an einer Fütterung) gewonnene Erkenntnisse über mögliche Umweltfaktoren ohne eine Prüfung ihres tatsächlichen Wirkungsgrades in einem freilebenden Bestand nicht überbetont werden.


3) Die Geweihform und -stärke ist ein System, welches, genetisch gesehen, aus mehreren Komponenten besteht. So kann die Endenzahl wahrscheinlich sowohl durch ein entsprechendes Hauptgen (gekoppelt mit dem Enzymgen Idh-2) als auch durch einen allgemeinen Größenfaktor (gekoppelt mit dem Enzymgen Acp-2) bestimmt werden. Beide Effekte können einander verstärken oder aber auch aufheben.

4) Wie aus den Befunden hinsichtlich der ACP-2 hervorgeht, muss der Selektionswert einer Erbanlage nicht in jedem Altersstadium gleich sein. Obwohl reinerbige ACP-2 100 -Träger in höherem Alter häufig ein größeres Geweih ausbilden, werden sie mangels der Erkennbarkeit des entsprechenden Genotyps meist in jungen Jahren eliminiert. Ein mangelnder "Selektionserfolg", wie er zur Begründung der weitgehenden Umweltbedingtheit von Geweihmerkmalen gelegentlich hervorgehoben wird, kann daher einfach auf einer Unkenntnis der genetischen Zusammenhänge beruhen.


Ist eine Beeinflussung der Ausprägung von Geweihmerkmalen durch den Wahlabschuss anzustreben?

Gemäß der im vorliegenden Aufsatz entwickelten Gedanken muss diese Frage mit "nein" beantwortet werden. Das folgende Beispiel mag einen Eindruck von den mit einseitiger Selektion verbundenen Gefahren geben:

Wie bereits ausgeführt, konnte die Enzymvariante IDH-2 125 mit dem Auftreten einer höheren Endenzahl in Verbindung gebracht werden. Auch wenn die Selektion auf die Endenzahl durch die Unkontrollierbarkeit dieses Merkmals bei den weiblichen Individuen etwas gemildert wird, führt der konsequente Wahlabschuss zu einer Anhäufung des Gens für diese Enzymvariante im Bestand. Damit geht andererseits die Häufigkeit des Gens für IDH-2 100 immer mehr zurück.
Nun hat aber ein englisches Forscherteam beim Rotwild auf der schottischen Insel Rhum festgestellt, dass weibliche Kälber, die mischerbig für IDH-2 100 /IDH-2 125 sind, aufgrund eines bisher noch unbekannten Selektionsdruckes deutlich bessere Überlebenschancen haben als reinerbige. Das Vorliegen beider Genvarianten (bzw. der damit gekoppelten, noch unbekannten Eigenschaften) in einem Rotwildbestand ist für dessen Überlebensfähigkeit also von großer Bedeutung. Dazu muss gesagt werden, dass der untersuchte Rotwildbestand auf Rhum nicht bejagt wird, sehr dicht ist und an den Grenzen der Nahrungskapazität lebt, wodurch die natürliche Auslese voll zum Tragen kommt. In unserem Datenmaterial konnten wir hingegen kein vermehrtes Vorkommen von IDH-2 100 /IDH-2 125 Mischerbigen unter den erwachsenen Tieren feststellen, was dadurch erklärt werden kann, dass dieser Bestand durch Bejagung auf vergleichsweise niedriger Dichte gehalten wird und genügend Nahrung vorhanden ist. Der auf Rhum wirkende natürliche Selektionsdruck wäre somit nicht oder nur in sehr geringem Maß vorhanden.

Dieses Beispiel zeigt eine doppelt gefährliche genetische Auswirkung von Wildbewirtschaftungsmaßnahmen auf:

Durch den Wahlabschuss wird die Häufigkeit einer Genvariante zunehmend verringert, wodurch auch mischerbige Individuen immer seltener werden. Darüber hinaus wird durch andere Maßnahmen ein entgegengesetzter natürlicher Selektionsdruck unter Umständen abgeschwächt
oder ausgeschaltet, welcher die Beibehaltung der alternativen Genvariante gefördert hätte.

Auch durch die einseitige Selektion gegen Einjährige mit kleinen Spießen gehen Merkmalsvarianten in anderen Bereichen verloren, deren Bedeutung noch abzuschätzen bleibt. Das Eintreffen des vom Jäger erwünschten Effektes ist hingegen fraglich: Der große Spießer entwickelt sich, wie erwähnt, nach unseren Ergebnissen keineswegs unbedingt zu einem vielendigen Kronenhirsch!

Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass, wenn die stärkere Ausprägung bestimmter Geweihmerkmale eher auf einer guten Kondition als auf additiven Genwirkungen beruht, der entsprechende Hirsch sogar mischerbiger sein kann als Individuen, die in dem betreffenden Merkmal eine schwächere Ausprägung zeigen. Solche Befunde sind hinsichtlich der Stangenlänge, des Stangenumfanges und der Mischerbigkeit an Enzymgenen vom Weißwedelhirsch bekannt, konnten von uns jedoch beim Rothirsch nicht bestätigt werden. Es ist durchaus denkbar, dass es bei verschiedenen Hirscharten Unterschiede hinsichtlich gewisser Einzelheiten der Geweihbestimmung, aber auch in Bezug auf die Verlässlichkeit des elektrophoretisch bestimmten Mischerbigkeitsgrades als Anzeiger für genetische Vielfalt in anderen Merkmalsbereichen gibt.

Nach dem derzeitigen Wissensstand, bei welchem sicher noch eine Reihe unerwarteter Zusammenhänge aufzudecken bleibt, ist jedenfalls dringend zu empfehlen, von züchterischen Einflüssen bei freilebenden Wildtieren abzusehen.

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3 Feb 2006
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toller Aufsatz!

Wenn nun der Hirschabschuß in einer Population nur in der Altersklasse III
erfolgt, die Gesamtabschußzahl im Geschlechterverhältnis aber beibehalten wird, so kommt es neben einer Überalterung der Bestände auch noch bedingt zu einer genetischen Verarmung des Bestandes

Wer sich fragt wo das wohl stattfindet darf sich vertrauensvoll an mich wenden....

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