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[h=1]Kreis Rottweil
Wildschweine stören Landfrieden[/h]Armin Schulz, 22.01.2014 07:40 Uhr
Kreis Rottweil - Als die Rotte Wildschweine in jener Sommernacht das Stück Feld umgräbt, zerstört sie mehr als den erntereifen Hafer. Der Frieden zwischen Jagdpächter und Landwirt ist seitdem dahin. Da kann auch eine Richterin nicht viel ausrichten. Und schon gar nicht ein Bürgermeister.
Das Prozedere: In solchen Fällen ist eigentlich klar. Hat eine Wildsau beispielsweise einen Acker durchpflügt, treffen sich Jagdpächter, Landwirt, Sachverständiger und Gemeindevertreter an Ort und Stelle, begutachten die Sauerei, berechnen den Schaden, die der Jäger dem Landwirt zu zahlen hat, und fertigen ein Protokoll an. Damit alles schön schwarz auf weiß festgehalten wird und niemand hinterherkommen kann wie die alte Fasnet.
Der Fall: Man schreibt den 6. August 2012. Mehrere gestandene Männer kommen auf einem Feld am Rande der Gemeinde Dietingen zusammen. Bei dem Treffen an der frischen Luft indes muss irgend etwas gründlich schiefgegangen sein, weshalb nun bereits die zweite Nachsitzung in einem stickigen Saal im Amtsgericht Rottweil notwendig wird. Bei der ersten versucht die Richterin einen Vergleich – die Streitparteien lehnen ab. Der Streitwert: 1260 Euro.
Im Kern geht es um zwei Fragen: Wie aus zunächst protokollierten 126 Euro an Schadenssumme plötzlich 1260 Euro werden konnten. Und wie aus notierten elf Ar inzwischen ein Hektar umgepflügter Fläche im Raum steht. Das ist immerhin beinahe das Zehnfache, anstatt 1100 also 10.000 Quadratmeter.
Gestern trifft man sich erneut. Es treten auf: der Jagdpächter als Beklagter, als Zeugen der Ehemann der Landwirtin, die ihr Geld haben will, der Bürgermeister und ein weiterer Jäger, der aus dem Zollernalbkreis kommt – und Bemerkenswertes zu berichten weiß.
Erinnerungslücken: Der Besichtigungstermin liegt beinahe eineinhalb Jahre zurück. Darunter leidet ganz offensichtlich die Erinnerung. So tut sich der Bürgermeister schwer, die Ereignisse vom 6. August 2012 zu rekapitulieren. Er wisse noch, dass es eine gütliche Einigung gewesen sei, das sei ihm, der seine Rolle vor allem in der des Vermittlers sehe, wichtig gewesen, sagt er aus. Er erinnere sich auch daran, dass im Protokoll elf Ar notiert worden seien, wie hoch indes der Schadensbetrag gewesen sei, wisse er nicht mehr. Schließlich, so der Bürgermeister, habe er mit Wildschadenssachen eher am Rande zu tun. Anderseits dann doch so häufig, dass er sich an einzelne Vor-Ort-Besichtigungen beim besten Willen nicht erinnern könne.
Ein besseres Gedächtnis scheint der Mann der geschädigten Landwirtin zu haben. Auch er ist an jenem Augustmorgen vor Ort. Mit dem Sachverständigen sei er ins Feld gegangen und habe die kaputte Fläche per Fußmaß abgeschritten. Die anderen Beteiligten seien am Wegesrand zurückgeblieben. Drei Flächen seien zerstört gewesen, insgesamt 10 000 Quadratmeter, so der Landwirt. Der Sachverständige habe zum Schluss die Berechnungen angestellt und das Protokoll geschrieben.
Das Protokoll: Ob ihm denn aufgefallen sei, dass auf dem Protokoll, das er unterschrieben habe, elf Ar gestanden haben?, fragt die Richterin. Nein, sagt er. Er habe lediglich, während er unterschrieben habe, gemerkt, dass 126 Euro "rein rechnerisch" nicht stimmen könnten. Da müsse eine Null dazu, habe er zum Sachverständigen gesagt.
So werden aus 126 schließlich 1260 Euro, das Zehnfache der ursprünglichen Summe. Und so wird aus einer aus Bürgermeistersicht einvernehmlichen Angelegenheit eine strittige Sache. Denn von der Korrektur will der Jagdpächter erst im Nachhinein erfahren haben, als ihm der Bescheid ins Haus flatterte. Als er das Protokoll unterschrieben habe, seien es noch 126 Euro gewesen, sagt er.
Auf dem Rathaus: Er sei daraufhin zum Bürgermeister gegangen und habe ihn auf den "Fehler" hingewiesen, darauf, dass im Nachhinein eine Null hinzugekommen sei, berichtet der Jagdpächter am Rande der gestrigen Sitzung beim Amtsgericht. Und fügt mit ernsthafter Miene hinzu: "Das ist Betrug." Der Bürgermeister, man duzt sich, soll bestätigt haben, dass da wohl eine Null hinzugekommen sei, habe sich aber ratlos gezeigt. Von diesem Treffen im Rathaus indes will der Bürgermeister vor Gericht nichts mehr wissen, nur, dass der Jagdpächter mit "der ganzen Geschichte unzufrieden ist".
Der Zeuge: Da tritt ein weiterer Jäger, der als Zeuge geladen ist, auf den Plan und erzählt eine ganz andere Geschichte. Er, mit dem Jagdpächter befreundet, präsentiert dem Gericht Fotos von dem von Wildsauen heimgesuchten Acker, die er am Tag vor dem Ortstermin gemacht habe. Eine halbe Stunde vor der Zusammenkunft an jenem Morgen des 8. August habe er zudem selbst die beschädigten Flächen per Fuß abgeschritten und sei auf elf Ar gekommen.
Er zeigt weitere Fotos vom Besichtigungstermin und verblüfft mit der Aussage, dass der Sachverständige selbst nichts getan habe, nichts erklärt, nichts gerechnet, nichts unter-, sondern seine Berechnung einfach übernommen habe: elf Ar. Dass überhaupt irgendjemand ins Feld gegangen sei und per Fußmaß irgendetwas abgeschritten habe, wie vom Mann der Klägerin behauptet, dem widerspricht er. Elf Ar also. Mehr könnten es nicht gewesen sein, so der Jäger aus dem Nachbarkreis. Also keine 10 000 Quadratmeter? "Das ist gigantisch, das wäre mir aufgefallen." Bliebe es an dem Sachverständigen, Licht ins Dunkel zu bringen. Dieser aber, mittlerweile in dieser Funktion nicht mehr tätig, fehlt gestern unentschuldigt.
Offen und geklärt: Strittig bleiben die Fragen: Wie hoch ist die von den Wildsauen beschädigte Fläche tatsächlich? Wann und warum wurde das Protokoll geändert? Wer hat wann davon erfahren? Und geht das überhaupt? Schließlich ist so ein Protokoll ja alles andere als ein Pausenbrotpapier.
Geklärt indes scheint die Frage (oder auch nicht), warum der Jäger aus dem Zollernalbkreis sich in dieser Sache so engagiert. "Ich habe ein Interesse, dass zwischen Jägern und Bauern Frieden herrscht". Das ist hier wohl frühestens in ein paar Wochen der Fall. Am 11. März wird die Verhandlung fortgesetzt.
http://www.schwarzwaelder-bote.de/i...den.105b2bff-90fd-4a83-8694-89a3add3739d.html
Wildschweine stören Landfrieden[/h]Armin Schulz, 22.01.2014 07:40 Uhr
Kreis Rottweil - Als die Rotte Wildschweine in jener Sommernacht das Stück Feld umgräbt, zerstört sie mehr als den erntereifen Hafer. Der Frieden zwischen Jagdpächter und Landwirt ist seitdem dahin. Da kann auch eine Richterin nicht viel ausrichten. Und schon gar nicht ein Bürgermeister.
Das Prozedere: In solchen Fällen ist eigentlich klar. Hat eine Wildsau beispielsweise einen Acker durchpflügt, treffen sich Jagdpächter, Landwirt, Sachverständiger und Gemeindevertreter an Ort und Stelle, begutachten die Sauerei, berechnen den Schaden, die der Jäger dem Landwirt zu zahlen hat, und fertigen ein Protokoll an. Damit alles schön schwarz auf weiß festgehalten wird und niemand hinterherkommen kann wie die alte Fasnet.
Der Fall: Man schreibt den 6. August 2012. Mehrere gestandene Männer kommen auf einem Feld am Rande der Gemeinde Dietingen zusammen. Bei dem Treffen an der frischen Luft indes muss irgend etwas gründlich schiefgegangen sein, weshalb nun bereits die zweite Nachsitzung in einem stickigen Saal im Amtsgericht Rottweil notwendig wird. Bei der ersten versucht die Richterin einen Vergleich – die Streitparteien lehnen ab. Der Streitwert: 1260 Euro.
Im Kern geht es um zwei Fragen: Wie aus zunächst protokollierten 126 Euro an Schadenssumme plötzlich 1260 Euro werden konnten. Und wie aus notierten elf Ar inzwischen ein Hektar umgepflügter Fläche im Raum steht. Das ist immerhin beinahe das Zehnfache, anstatt 1100 also 10.000 Quadratmeter.
Gestern trifft man sich erneut. Es treten auf: der Jagdpächter als Beklagter, als Zeugen der Ehemann der Landwirtin, die ihr Geld haben will, der Bürgermeister und ein weiterer Jäger, der aus dem Zollernalbkreis kommt – und Bemerkenswertes zu berichten weiß.
Erinnerungslücken: Der Besichtigungstermin liegt beinahe eineinhalb Jahre zurück. Darunter leidet ganz offensichtlich die Erinnerung. So tut sich der Bürgermeister schwer, die Ereignisse vom 6. August 2012 zu rekapitulieren. Er wisse noch, dass es eine gütliche Einigung gewesen sei, das sei ihm, der seine Rolle vor allem in der des Vermittlers sehe, wichtig gewesen, sagt er aus. Er erinnere sich auch daran, dass im Protokoll elf Ar notiert worden seien, wie hoch indes der Schadensbetrag gewesen sei, wisse er nicht mehr. Schließlich, so der Bürgermeister, habe er mit Wildschadenssachen eher am Rande zu tun. Anderseits dann doch so häufig, dass er sich an einzelne Vor-Ort-Besichtigungen beim besten Willen nicht erinnern könne.
Ein besseres Gedächtnis scheint der Mann der geschädigten Landwirtin zu haben. Auch er ist an jenem Augustmorgen vor Ort. Mit dem Sachverständigen sei er ins Feld gegangen und habe die kaputte Fläche per Fußmaß abgeschritten. Die anderen Beteiligten seien am Wegesrand zurückgeblieben. Drei Flächen seien zerstört gewesen, insgesamt 10 000 Quadratmeter, so der Landwirt. Der Sachverständige habe zum Schluss die Berechnungen angestellt und das Protokoll geschrieben.
Das Protokoll: Ob ihm denn aufgefallen sei, dass auf dem Protokoll, das er unterschrieben habe, elf Ar gestanden haben?, fragt die Richterin. Nein, sagt er. Er habe lediglich, während er unterschrieben habe, gemerkt, dass 126 Euro "rein rechnerisch" nicht stimmen könnten. Da müsse eine Null dazu, habe er zum Sachverständigen gesagt.
So werden aus 126 schließlich 1260 Euro, das Zehnfache der ursprünglichen Summe. Und so wird aus einer aus Bürgermeistersicht einvernehmlichen Angelegenheit eine strittige Sache. Denn von der Korrektur will der Jagdpächter erst im Nachhinein erfahren haben, als ihm der Bescheid ins Haus flatterte. Als er das Protokoll unterschrieben habe, seien es noch 126 Euro gewesen, sagt er.
Auf dem Rathaus: Er sei daraufhin zum Bürgermeister gegangen und habe ihn auf den "Fehler" hingewiesen, darauf, dass im Nachhinein eine Null hinzugekommen sei, berichtet der Jagdpächter am Rande der gestrigen Sitzung beim Amtsgericht. Und fügt mit ernsthafter Miene hinzu: "Das ist Betrug." Der Bürgermeister, man duzt sich, soll bestätigt haben, dass da wohl eine Null hinzugekommen sei, habe sich aber ratlos gezeigt. Von diesem Treffen im Rathaus indes will der Bürgermeister vor Gericht nichts mehr wissen, nur, dass der Jagdpächter mit "der ganzen Geschichte unzufrieden ist".
Der Zeuge: Da tritt ein weiterer Jäger, der als Zeuge geladen ist, auf den Plan und erzählt eine ganz andere Geschichte. Er, mit dem Jagdpächter befreundet, präsentiert dem Gericht Fotos von dem von Wildsauen heimgesuchten Acker, die er am Tag vor dem Ortstermin gemacht habe. Eine halbe Stunde vor der Zusammenkunft an jenem Morgen des 8. August habe er zudem selbst die beschädigten Flächen per Fuß abgeschritten und sei auf elf Ar gekommen.
Er zeigt weitere Fotos vom Besichtigungstermin und verblüfft mit der Aussage, dass der Sachverständige selbst nichts getan habe, nichts erklärt, nichts gerechnet, nichts unter-, sondern seine Berechnung einfach übernommen habe: elf Ar. Dass überhaupt irgendjemand ins Feld gegangen sei und per Fußmaß irgendetwas abgeschritten habe, wie vom Mann der Klägerin behauptet, dem widerspricht er. Elf Ar also. Mehr könnten es nicht gewesen sein, so der Jäger aus dem Nachbarkreis. Also keine 10 000 Quadratmeter? "Das ist gigantisch, das wäre mir aufgefallen." Bliebe es an dem Sachverständigen, Licht ins Dunkel zu bringen. Dieser aber, mittlerweile in dieser Funktion nicht mehr tätig, fehlt gestern unentschuldigt.
Offen und geklärt: Strittig bleiben die Fragen: Wie hoch ist die von den Wildsauen beschädigte Fläche tatsächlich? Wann und warum wurde das Protokoll geändert? Wer hat wann davon erfahren? Und geht das überhaupt? Schließlich ist so ein Protokoll ja alles andere als ein Pausenbrotpapier.
Geklärt indes scheint die Frage (oder auch nicht), warum der Jäger aus dem Zollernalbkreis sich in dieser Sache so engagiert. "Ich habe ein Interesse, dass zwischen Jägern und Bauern Frieden herrscht". Das ist hier wohl frühestens in ein paar Wochen der Fall. Am 11. März wird die Verhandlung fortgesetzt.
http://www.schwarzwaelder-bote.de/i...den.105b2bff-90fd-4a83-8694-89a3add3739d.html