Warum Boattail bei Jagdgeschossen?

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Mal ne Frage in die Runde:
Nun habe ich ja inzwischen ziemlich viel über Ballistik und Präzision gelesen. Dabei bin ich auf folgende Frage gestoßen, die ich mir nicht erklären kann:
Wenn man die aussenballistischen Eigenschaften von Geschossen anschaut stellt man fest, dass ein Bootsheck (aka boattail) erst beim Übergang vom Überschallbereich in den Unterschallbereich aussenballistisch Vorteile bringt. Gleichzeitig besagen alle (BR und andere) Quellen, dass Geschosse mit flachen Boden Vorteile in der Präzision haben.

Bei der Jagd verwendete Kaliber haben den Übergang Überschall zu Unterschall irgendwo zwischen 600 und 1000 m. Wenn nun die Mehrzahl der Jäger (in D und USA) nie ein Boattailgeschoss aus aussenballistischen Gründen benötigen und es im verwendeten Bereich sogar Nachteile in der Präzision bringt, warum sind dann alle modernen Entwicklungen (von AB bis TTSX, als Beispiele) Boattailgeschosse? Reines Marketing? Trotzdem sollten doch die Firmen auch eine Serie mit entsprechenden Flachbodengeschossen anbieten, oder?

Sind also die Jäger weltweit so ignorant gegenüber den ballistischen Zusammenhängen oder habe ich irgendwas entscheidendes Übersehen?

Oliver
 
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waldkauz schrieb:
Mal ne Frage in die Runde:

.....Bei der Jagd verwendete Kaliber haben den Übergang Überschall zu Unterschall irgendwo zwischen 600 und 1000 m......, warum sind dann alle modernen Entwicklungen (von AB bis TTSX, als Beispiele) Boattailgeschosse? Reines Marketing?......

Oliver

Jepp, DAS ist es! :D

-Es gibt es, du (meinst du) brauchst es, du willst es, du kaufst es... :wink:

Grüße
Saturn
 

mho

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Ein gewisser Anteil von Marketing ist sicher dabei. "Ballistic coefficients" sind ein Verkaufsargument - ob realistisch oder nicht.

waldkauz schrieb:
Mal ne Frage in die Runde:
Gleichzeitig besagen alle (BR und andere) Quellen, dass Geschosse mit flachen Boden Vorteile in der Präzision haben.

Aber ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Sicher sind die "Flatbase" Geschosse sehr populär beim Benchrestern, aber diese sind dann meistens Specialgeschosse. Es ist überhaupt nicht gesagt das "Boattail" Geschosse nicht gute Resultate erbringen können. Schlussendlich ist es sehr individuell was unterschiedliche Waffen verdauen..

Ich bin kein Benchrester, aber die Waffe die mir am meisten präzision leistet (Nesika System, Hart Lauf, Jewell Abzug, Brown Precision Schaft, .222 Rem) schiesst Boattails besser als Flat-Base.

- mike
 
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Hi Oli,

irgendwie steh ich aufm Schlauch....

Soll das heissen, dass BT-Geschosse keinen "aerodynamischen Vorteil" gegenüber den FB-Gschossen gleichen Gewichtes haben solange sie im Überschall-Bereich fliegen??? Die Form des Hecks im Überschallbereich also keine Bedeutung haben sollte??

Gruss Wisent
 
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Das Problem bei den Benchrester ist jenes da die meisten benchrester 6PPC .262 mit 14" Lauf schiessen und die 6PPC keine BT Geschosse mag.
Man schiesst halt das was aus dem Lauf am besten fliegt, wie sonst eben auch, und das sind nun mal FB Geschosse.
Standard sind hierfür zB die 68grs FB Hohlspitz Geschosse von Berger, Shilen, Dolomit, .......etc
 
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Boattail Geschosse halten die Geschwindigkeit wegen des günstigeren BC etwas besser als sonst gleiche Flatbase. Auf jagdlich relevante Entfernungen kann man das aber vernachlässigen.
Welches von beiden Geschossen aus einer speziellen Waffe präziser ist, kann man nicht grundsätzlich beantworten, sondern das zeigt der Versuch.
Der Wiederlader liebt die Boattailer. Sie lassen sich besser setzen. :)
 

doa

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Ich kannn mir vorstellen, das die Sorgfältigkeit der Mündungsbearbeitung auch eine Rolle spielt... (Gasschlupf):wink:

Ansonsten gilt, wie oben gesagt, ausprobieren.

Auch kann sich die unterschiedliche Länge bei gleichem Gewicht bemerkbar machen und vv.
 
A

anonym

Guest
Finde das sich Geschosse mit BT besser setzen lassen aber es kommt immer darauf an welches Geschoss der Lauf mag
 
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Wisent schrieb:
Hi Oli,

irgendwie steh ich aufm Schlauch....

Soll das heissen, dass BT-Geschosse keinen "aerodynamischen Vorteil" gegenüber den FB-Gschossen gleichen Gewichtes haben solange sie im Überschall-Bereich fliegen??? Die Form des Hecks im Überschallbereich also keine Bedeutung haben sollte??

Gruss Wisent

Jein. Es gibt einen aerodynamischen Vorteil von BT auch im Überschallbereich, allerdings ist er vernachlässigbar klein(ich habe so was von 8% Anteil des BT am Gesamt cw im Kopf, kann aber auch falsch sein)

Allerdings wiegen wohl die Vorteile von flatbase Geschossen (nicht nur in 6mm) die Nachteile mehr als auf. Ich zähle mal aus dem Kopf auf (habe mehrere Literaturquellen dafür):
- Flatbase Geschosse haben in der Regel eine größere Führungslänge und neigen daher weniger zum Verkanten
- Flatbasegeschosse lassen sich wohl fertigungstechnisch präziser herstellen
- Flatbasegeschosse werden von der Gaswolke an der Mündung weniger abgelenkt

Allerdings lassen sie sich, wie schon dargestellt, etwas schlechter setzen.

Das Fazit aller(!) Autoren, die ich bisher gelesen habe, war: Flatbase bis 600m, boattail darüber.

Natürlich kann es sein, dass eine bestimmte Waffe u.U. mit einem Boattail besser schießt, allerdings würde ich aus obigen schließen, dass es dann höchstwahrscheinlich an der Qualität der Flatbasegeschosse liegt. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel :wink:

Oliver
 
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habe das auch so in Erinnerung wie Waldkautz das beschreibt . Dazu kommt noch der superairodynamische Geschossbug(Sekantenogive), um den BC zu verbessern,was natuerlich auch mit einem Nachteil erkauft werden muss und der ist weniger Paezision. Mit anderen Worten, ein Geschoss, dass richtg weit kommt durch optimale Formgebung hat den Nachteil der geringeren Paezision...irgendwie passts immer nicht.

Gruss und Waihei
 
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Hmmm, bei Jagdgeschossen könnte man auf die Idee kommen, dass es u.U. zielballistische Vorteile hat? Ist nur geraten, ich habe keine Ahnung.
 
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wenn sich das Geschoss sich nicht aus irgend einem Grund um 180 Grad im wildkoerper umdreht, dann kommt es bei einem Durchschuss ueberhaupt nicht mit dem Ziel in Kontakt. Ich tippe mal drauf, dass ein BT keinerlei zielballistische Vorteile hat und frodo mit dem zweiten Teil im letzen Satz seines Beitags Recht hat.

Gruss und Waihei
 
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Ob das eingeschnürte Heck eines Geschosses im Geschwindigkeitsbereich zwischen Mach 3 und Mach 2 aerodynamisch was bringt, ist wirklich eine interessante Frage.
Meine aerodynamischen Kenntnisse beziehen sich nur auf den Bereich niedriger Reynolds-Zahlen des Segelflugs. Dort ist die Sache klar: Der Gesamtwiderstand eines Flugkörpers setzt sich aus dem Formwiderstand und der Oberflächenreibung zusammen. Das eingeschnürte Heck
- verbessert die Windschlüpfrigkeit und
-verringert die Oberfläche des Geschoßes,
ist also aerodynamisch klar im Vorteil. Angeblich soll im Überschallbereich ja alles anders sein. Aber Form und Oberflächenreibung werden auch in diesem Fall eine Rolle spielen.

Das eingezogene Heck verschiebt auch den Schwerpunkt des Geschoßes nach vorne. Ich vermute einen Einfluss der Schwerpunktlage in Bezug auf die Resultierende der Luftangriffskraft bei geringen Anstellwinkeln für die Stabilität im Flug. Weniger geschwollen ausgedrückt: Hecklastige Geschoße (zB Winchester XP3) fliegen verkehrt herum stabiler als mit der Spitze voraus. Solche Geschoße werden daher eher zum Taumeln neigen und mehr Drall brauchen als Geschoße, die den Schwerpunkt weiter vorne (z.B. Nosler Accubond) haben.

Dass das Geschoß mit geradem Hinterteil, zumindest solange es noch im Lauf ist, auch seine Vorteile hat, hat Waldkauz ja schon beschrieben
 
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Über einen Beitrag von graylion zum KJG-Thema ich auf folgende Seite gestoßen: http://shadowspear.com/vb/showthread.php?t=9340.

Dort wird das eingezogene Heck etwa so begründet:
Wenn der Geschoßboden nicht völlig plan ist, erhält das Geschoß beim Verlassen der Mündung einen schrägen Schub, was letztendlich die Streuung vergößert. Weil sich ein völlig ebener Geschoßboden nur schwer fertigen lässt, ist es produktionstechnisch einfacher, ein eingezogenes Heck zu bauen.
 
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Venedigermandl schrieb:
Das eingezogene Heck verschiebt auch den Schwerpunkt des Geschoßes nach vorne. Ich vermute einen Einfluss der Schwerpunktlage in Bezug auf die Resultierende der Luftangriffskraft bei geringen Anstellwinkeln für die Stabilität im Flug. Weniger geschwollen ausgedrückt: Hecklastige Geschoße (zB Winchester XP3) fliegen verkehrt herum stabiler als mit der Spitze voraus. Solche Geschoße werden daher eher zum Taumeln neigen und mehr Drall brauchen als Geschoße, die den Schwerpunkt weiter vorne (z.B. Nosler Accubond) haben.

Hätt ich aus dem Bauch heraus auch gesagt.
Hab aber verschiedentlich gelesen, daß Geschosse, deren Schwerpunkt nach hinten verschoben präzieser fliegen.
Vielleicht kann hier jemand erklären, warum dem so ist.

Greetz Anton
 

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