Skrupel

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Ein herzliches Servus ins Forum,

gestern nutzte ich das halbwegs schöne Wetter, um wieder einmal ins Revier zu gehen, ich hatte auch schon einen Sitz im Auge, wo ich vor Tagen bereits einen schwächeren jungen Bock bestätigen konnte, nach gut 20 Minuten war ich fast am Sitz angelangt, als ich bemerkte, dass der Bauer dort gerade mit den ersten Ausmäharbeiten beschäftigt war. Wieder hinunter ins Auto und in einen anderen Revierteil gefahren, ca. 4km Luftlinie entfernt.
Dort angekommen, baumte ich auf, als plötzlich die Kinder eines Jagdkollegens daherkamen, die kleinen Stoppel sind 5 und 7 Jahre alt, mit der Jagd vertraut, also ließ ich sie auf den Sitz steigen, natürlich leicht abmahnend sie müssen dabei aufpassen und leise sein. Ich erklärte ihnen ein paar Dinge und sie erzählten stolz über ihre ersten Begegnungen mit dem Wild, welches um ihren Hof herum zu Hauf vorhanden war. Es war schließlich 20 Uhr als ihre Mutter nach ihnen rufte, die Kleinen wünschten mir standesgemäß "Weidmannsheil" und tingelten wieder davon, samt ihrer Hündin. Endlich Ruhe, dachte ich...

Plötzlich wurde es windig und es setzte ein leichter Nieselregen ein. Es wurde ungemütlich und ich beschloss wieder abzubaumen, das war ca. um 20:40. Hell genug war es noch, ich fuhr zu einem Bekannten, um ein wenig zu plaudern, um sein Gehöft sind weitläufige Wiesen, ich vernahm einen braunen Felck, gute 200m von mir entfernt in den Stauden. Nachdem ich schnell das Spektiv aus dem Auto holte, schmiss ich mich in die feuchte Wiese, ein schwacher Bock, leichte Spieße, keine Rosen, Körperbau nicht sehr stark, ein 3er!

Mein Bekannter hat mich schon öfters auf der Jagd begleitet, aber in seinem Beisein konnten wir noch kein Stück erlegen, er war schon ganz aufgeregt, ich nahm die Büchse, Auflage war sehr gut, ich war ruhig, doch irgendwie wollte ich nicht schießen, ich entlud die Waffe wieder. "Wos isn jetz los, wieso schiaßtn nit?", schaute er mich fragend an und ich antwortete, dass ich nicht schießen muss, irgendwie auch nicht will, ich konnte es ihm und mir selbst nicht
erklären. Bock war zweifellos angesprochen, hell genug war es, Auflage war gut, Entfernung moderat, ich sah kein Zittern oder den Herzschlag im Zielfernrohr....

Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr Jagdkarteninhaber, gehe seitdem auf die Jagd, und wenn ich einen schwachen 3er sah, schoss ich ihn ohne viel darüber nachzudenken, sofern die Rahmenbedingungen passten. Doch nun setzten sich die Zahnräder im Kopf in Bewegung, wieso weiß ich nicht....

Konntet ihr das bei euch auch schon einmal beobachten?



WMH
carinthia
 
K

K 9277

Guest
Guten Morgen carinthia,

ich habe früher schon mal einen Beitrag hier im Forum gelesen, in dem ein Jäger so etwas Ähnliches erlebt hat. Dieser hatte, mein ich, "Mitleid" mit der Kreatur und verspürte auch nicht den Willen das Tier zu erlegen, obwohl die Rahmenbedingungen alle passten.
Ich selber kann dir da weniger helfen. Ich habe meinen JS jetzt 4 Jahre und bin noch Feuer und Flamme...es soll aber ab und zu vorkommen, dass Jäger die Lust nach der Jagd für eine Zeit lang verlieren und die Jagd kaum noch oder in dem Zeitraum gar nicht mehr ausüben. Meist ist es aber nur eine kurze Phase und danach geht es weiter.
Ich kann mir auch vorstellen, dass in diesem Fall bei dir so eine Art Phase eingetreten ist, und das die Rahmenbedingungen einfach in diesem Fall zu leicht waren. Bock stand da, bekam euch nicht mit, gute Entfernung, schießen MUSSTEST du nicht, es war hell genug und hattest alle Zeit der Welt.

Das wird aber wieder denke ich...
:thumbup:

Gruß und Waidmannsheil
KleinerKeiler
 
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Moin!

Ja. Manchmal signalisiert mir mein Unterbewusstsein, dass ich jetzt besser NICHT schiesse. Entweder es störte "irgendetwas", was auch nicht immer zu identifizieren war (einmal aber z. B. Leute im Hintergrund, die mit heller Hose / dunkler Jacke vor Pfeifengras / Kieferndickung in der Dämmerung nicht zu sehen waren, nur als minimalste Schattierungsänderung, und die ich dann erkannte als sie vor der einheitlich anders gefärbten Laubwaldkulisse 20m weiter ankamen) oder ich war wegen der Ruhe und zum Abstand gewinnen draussen und konnte mich dann nicht zum Beute machen überwinden.

Viele Grüße

Joe
 
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Ich kann Dich gut verstehen.

Das selbe kommt bei mir derzeit auch häufig vor, die letzte Mondphase wurde noch davon geprägt.

Ich war um 22 Uhr aufgebaumt und hatte einen guten Blick auf eine sehr helle Lichtung, auf der nach kurzer Zeit ein wirklich guter und vom Alter her schießbarer Bock austrat, welcher sicher mein bislang stärkster hätte sein können.

Die Waffe war im Anschlag, eingestochen, der Bock stand auf 40m scheibenbreit und der Absehen hinter dem Blatt...
Aus irgend einem Grund, konnte ich den Bock nicht erlegen. Ich hatte allerdings einen Jungjäger auf einem Sitz in einiger Entfernung angesetzt.

Der Gedanke, an den ich mich erinnere war, dass ich hoffte, der Jungjäger hätte sein erstes Waidmannsheil.

Um 23: 15 sah ich den Bock das letzte mal bevor er in der Dickung verschwand, 23:36 ein Schuss von der Kanzel nebenan. Definitiv große Kugel (er hatte meinen Bockdrilling dabei). Ich hatte eigentlich mit Waschbären an dieser Stelle gerechnet, dachte deswegen zunächst dass der JJ sich vertan hätte. Kurz drauf ein Anruf: "Ich habe eine Sau erlegt..."

Ich glaube über diesen Anruf war meine Freude größer, als hätte ich den guten Bock erlegt. Der JJ, ein guter Freund konnte es kaum abwarten, bis ich bei ihm angelangt war, sein Grinsen über beide Ohren und die Nervösität, das ganze Drumherum (10m Suche in die Dickung, am Anschuss kein Schweiß, das gemeinsame Aufbrechen) haben mir einen weitaus schöneren Abend bereitet, als mein vermeintlicher Lebensbock, Bock Nummer xxx, erlegt von einer hohen Schlafkanzel beim Ansitz auf Sauen.

Der Bock wurde bis heute in meinem 300ha reinen Waldrevier nicht mehr gesehen, es gibt ihn noch da bin ich sicher, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn in diesem letzten Pachtjahr überhaupt erlegen kann, selbst wenn ich ihn noch einmal sehe.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 9935

Guest
Sali,

auch ich hatte schon das ungute "Bauchgefühl" und habe immer darauf gehört. Im nachhinein war es fast immer die richtige Entscheidung. Da wir nicht die Horde mit der Jagd ernähren müssen ist dies - meiner Meinung nach - völlig o.k. Es gibt Tage da gewinnt man und es gibt Tage da gewinnt das Wild, aus welchen Gründen auch immer.

Ich sass im November auf der Kanzel und es kam ein Fuchs vorbei und alles stimmte: Ansprache, Entfernung, Kugelfang, freies Hinterland, gute Lichtverhältnisse, breit vorbeigeschnürt....

Und ich hab nicht geschossen. Ich weiss bis heute nicht warum aber es war für mich die richtige Entscheidung den Fuchs zu pardonnieren.

Ein Jeder nach seiner Façon/Fasson...
 
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Wen ich mir selber nicht Sicher bin bleibt der Finger gerade.

Immerhin treffen wir mit der Entscheidung zu jagen auch Entscheidungen über Leben und Tod.

Ich will aber keine Entscheidungen über Leben mit Leid verantworten....
und wildlebende Gerschöpfe sind nun mal ein schlechtes Medium um Selbstwertgefühle; Ego und Anspruchsdenken auszutesten.

Darum begleite ich auch keine anderen Jäger mit auf den Stand : die Entscheidung und Verantwortung muss jeder selber treffen; tragen und Verantworten; da will ich niemanden durch falsches Anspruchsdenken unbewußt zu etwas nötigen.

Jagen ist bedeuten mehr als leben zu nehmen.


TM
 
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moin,
@carinthia
denkst du das "Skrupel" das richtige Wort für deine Entscheidung ist?

Es gibt Entscheidungen, da entscheidet das Gewissen. Und das ist gut so.Warum auch immer....

Genau das unterscheidet uns vom Tier (u.a.)
gruß
dorfler
 
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So wie du das schilderst hat das weniger mit Skrupel zu tun, als damit das Reh einfach leben zu lassen (Mitgefühl). Zieh sogar meinen Hut vor dir, ich kanns nämlich nicht leiden wenn man den Respekt vor Leben verliert ! Hab diese Entscheidung auch schon öfter getroffen. Insbesondere wenn ich einen Familienverbund an Rehen (Kitze, Geis und der Jährling vom vorigen Jahr) miteinander spielen sehe, fällt mir der Schuss auch manchmal schwer und ich lasse es bleiben. Insbesondere deshalb, da das Rehwild für mich ja keinen "Feind" darstellt, sondern eine lebende, vitale und immer wieder beeindruckende Kreatur. Das nächste passende Tier kommt bestimmt :thumbup:
 
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So wie du das schilderst hat das weniger mit Skrupel zu tun, als damit das Reh einfach leben zu lassen (Mitgefühl). Zieh sogar meinen Hut vor dir, ich kanns nämlich nicht leiden wenn man den Respekt vor Leben verliert ! Hab diese Entscheidung auch schon öfter getroffen. Insbesondere wenn ich einen Familienverbund an Rehen (Kitze, Geis und der Jährling vom vorigen Jahr) miteinander spielen sehe, fällt mir der Schuss auch manchmal schwer und ich lasse es bleiben. Insbesondere deshalb, da das Rehwild für mich ja keinen "Feind" darstellt, sondern eine lebende, vitale und immer wieder beeindruckende Kreatur. Das nächste passende Tier kommt bestimmt :thumbup:

Ich stimme dir vollkommen zu.
Besonders wenn man viel jagd ist man nicht immer so begierig etwas zu erlegen und ich selber erlege nur mehr Wild wenn es richtige ,harte Jagd ist.
Jagen sollte nicht nur das toeten von Wild sein ,sondern auch das Erlebnis rundherum.
Diesen Fruehling, bei der Baerenjagd hatte ich mehr Freude die Baeren zu filmen,welche entkommen sind und obwohl es der erste Baer fuer einen Freund von mir sein haette sollen,aber manchmal muss man auf der Seite des Wildes sein.


@Carinthia


Ich wuerde mir nicht den Kopf zerbrechen und so lange du noch Spass bei der Jagd/Wildbeobachtung und beim draussen sein hast.
 
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Immer mal wieder....

Seltsamerweise nie bei Sauen, Flugwild, Kaninchen....

Da ist Beuteinstinkt immer fordernd. Aber sonst..... kann ich gut laufen lassen.
 
A

anonym

Guest
Immer mal wieder....

Seltsamerweise nie bei Sauen, Flugwild, Kaninchen....

Da ist Beuteinstinkt immer fordernd. Aber sonst..... kann ich gut laufen lassen.
Sorry fürs Vollquote, aber das trifft es aus meiner Sicht gut. Bei Raubwild kenne ich diesen Beuteinstinkt bei mir recht ausgeprägt. Überhaupt wenn eine Situation eine schnelle Entscheidung fordert.

Aber insbesondere bei Rehwild fällts mir manchmal schwer. Je länger ich es vertraut äsend oder so beobachten kann, desto "schlimmer" wird es. Aber macht doch nix, wenn ich es dann mal wieder seh freu ich mich (wie auch immer die Begegnung dann verläuft) und verhungern muss ich deswegen auch nicht.
 
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Mir ging das einmal so, und zwar mit einer Sau. Ich saß letztes Jahr mal im Feld an, Raps frisch gedroschen, guter Mond, guter Wind, laues Wetter. Nach etwa zwei Stunden Ansitz zockelte ein Keiler mit geschätzten eineinhalb Zentnern aus den Fichtenstangen, stand cool rum, hob prüfend das Haupt und schlurfte weiter umeinander. Ich hatte ihn in einem Bereich von 30-70 Metern zwanzig Minuten lang scheibenbreit vor und wollte ihn einfach nicht totschießen. Er hat irgendwie so friedlich gewirkt auf seinen Rapsstoppeln beim Mäuse suchen mit seinem Tellerspiel und seinem Geschnuffel. Ich bin dann von der Kanzel runter und hab mich auf die Leitersprosse gesetzt, eine geraucht und ihm zugeguckt, bis er seines Wegs ging und ich meines. Ich hatte und habe kein Bedürfnis das tiefenpsychologisch und psychoanalytisch aufzudröseln, weil so ein Verhalten ganz einfach zutiefst menschlich ist. Normal lasse ich wirklich nicht viel bis gar nix laufen, was frei ist und passend kommt. Aber ich höre auf mein Bauchgefühl, wenn es mir was sagt. Damit bin ich weder im Beruf noch bei der Jagd je schlecht gefahren. Wer weiß, vielleicht haben sie die Sau dann bei den Gesellschaftsjagden nebendran noch verschossen. Aber ich bin an dem Abend zufrieden heimgefahren.
 
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Bin auch schon Raus um <beute zu machen> was dann zu ein schoenen Ansitz oder Pirsch sich herausstellte.

Hab auch schon einige male dieses Jahr den Finger gerade gelassen, obwohl alles Passte.....naja Kuehltrue voll, das ist das eigentliche Problem:lol:.

Mann muss ja nicht immer Schiessen
Aber das macht doch die Jagd so spannend und reizvoll............

Tip ...mach einfach weiter so und hoer auf dein Bauchgefuhl.....

wmh
 
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9 Jan 2014
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Es gibt verschiedene Gründe, den Finger gerade zu lassen.
Entweder passt das Terrain nicht oder das Wild steht nicht richtig oder eben auch, dass das Bauchgefühl widerstreitet.
In allen Fällen ist es meines Erachtens gut so!
Es hat aber in allen Fällen nichts mit "Mitleid" zu tun, da das Wild ja nicht leidet, so dass Mitleid qua devinitionem nicht möglich ist, da nichts "mit"-erlitten wird.
Es ist wirklich eher situationsbedingter Skrupel!

Aber das ist eine ehrenwerte Entscheidung, die Du getroffen hast, die einer Diskussion grds. nicht zugänglich ist.
Lediglich Ablehnung oder Zustimmung zu Deiner Entscheidung ist möglich.
 
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4 Dez 2006
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456
Der Spruch meines Vaters begleitet mich nun mein ganze (Jäger-)Leben.

Schieß nur das, was Dir Spaß macht.

Eigentlich ein einfacher Satz. Aber in dieser Aussage steckt viel Erfahrung; also halte ich mich daran.

Ich hatte in der letzten Zeit meine Tochter und meinen Sohn öfters mit auf dem Hochsitz, leider kam noch nichts passendes. Als ich dann allein war wurde ich förmlich umgerannt von Schmalrehen und Böcken; dazu kamen weitere schöne Beobachtungen wie Marder oder Silberreiher, Mäusebussarde die Regenwürmer fraßen ... Ich habe alles pardoniert, da es mir mehr SPAß mit denen gemacht hätte.

Vielleicht war es bei Dir ebenso, nur dass Du den Bock - wenn Du allein gewesen wärst - geschossen hättest.

Zieh daraus keine negativen Schlüsse, nimm es hin so wie es ist... und mach weiter.
 

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