Philosophische Betrachtung über die Tierrechte

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Da bin ich doch zufällig über eine interessante Buchbesprechung gestoßen

Wolf, Ursula: Das Tier in der Moral

Das Buch ist auch sehr lesenswert und vor allen Dingen liefert es Stoff für eine sachliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Tierrechtsbewegung insbesondere über deren Implikationen.

Das Buch ist leider z.Z. vergriffen aber der Verlag Klostermann plant für 2004 eine 2. Auflage.

Klostermann

[ 18. Dezember 2003: Beitrag editiert von: Brackenjäger ]
 
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Gestehe: Hast Du das Buch gelesen ... oder nur die Besprechnung?
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Die Annahmen, die dem Buch - laut Besprechung - unterliegen, sind schon fragwürdig: "Für Ursula Wolf erscheint es logisch anstatt eines willkürlichen absoluten Werts, wie etwa das Teilhaben an der Welt der Vernunft (wie etwa Immanuel Kant) eine andere Basis zu finden auf der eine Moraltheorie gründen kann. In Anlehnung an die Tugendmoral ist Wolfs Ausgangsbasis die Feststellung, daß für alle Wesen das Streben nach Selbstverwirklichung, nach individuellem Glück (ganz unabhängig von der Höhe ihrer Reflektiertheit), wie auch immer dieses für einzelne Lebewesen aussieht, an erster Stelle steht".

Das Streben nach Selbstverwirklichung, nach individuellem Glück ist selbst in der menschlichen Gesellschaft erst seit kurzem und - Gott sei´s gedankt - global gesehen nur regional die dominante Überlebensstrategie. Selbst die absolute Vermeidung des Schmerzen ist erst seit knapp 50 Jahren ein Ideal. Ich empfehle dazu die Abhandlungen Ernst Jüngers "Über den Schmerz" und Heimo Schwilks "Schmerz und Moral".

Auch ist es mir neu, dass der Rothirsch, der bei Beunruhigung erst dem gesamten Kahlwild den Vortritt läßt; die Bache, die sich zwischen Jäger und Frischlinge wirft, obwohl sie allein längst über alle Berge wäre; der Pelikan, der sich die Brust aufreist, um mit dem eigenen Blute die Jungen zu füttern; ja selbst die Krähe, die in der Kolonie den Aufpasser gibt und beim Nähern eines Feindes (z.B. eines kleinen Reineke) mit einem lauten Warnruf die anderen schützt, auf sich selbst aber erst recht aufmerksam macht, Beispiele für das Streben nach "individuellem Glück" im Tierreich seien.

Mit solchen Annahmen kommt man dann zu Punkt 5., der "Folgerung" (?!) der Besprechung: "Zwar führt Ursula Wolf in ihren Werken nicht die effektiven Konsequenzen aus, es ist aber anzunehmen [!!], daß sie für ein grundsätzliches Tötungsverbot von höher entwickelten Tieren eintritt, abgesehen von Ausnahmen wie Notwehrhandlungen.

Ein Buch also, das von fragwürdigen Annahmen ausgeht, um zu nichtfasslichen Folgerungen zu gelangen, deren Interpretation (siehe Besprechung) dem Exegeten nach dessen Gusto obliegt, erscheint mir nicht so richtig lesenswert. Man muß ein schiefes Menschenbild nicht auch noch auf Tiere übertragen - so schlecht sind diese nämlich nicht. Die Idee hingegen solches hier überhaupt einmal zu diskutieren, finde ich gut - sonst wäre es bei meiner Antwort auch nicht so spät geworden.

Gute Nacht allerseits!
Reineke

P.S: Ich stelle aber noch die hiesigen Punkte 2.1 und 2.2 "Altruismen im Tierreich", resp. "Genetische Grundlagen des Altruismus" zur Diskussion.

[ 19. Dezember 2003: Beitrag editiert von: Reineke ]
 
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Ich gestehe, das Buch gelesen zu haben. Und noch weiter, das ich das Buch sehr schätze. Ursula Wolf spielt ja mit offenen Karten, sie legt ihre Prämissen offen auf den Tisch und arbeitet deren Konsequenzen sauber aus.

Dein Kritikpunkt ist aus Sicht der Besprechung sicherlich bedenkenswert, nur liegt im Buch der Argumentationstrang mehr auf einer Ausarbeitung und Konkretisierung der Schopenhauer´schen Mitleidethik.

Bemerkenswert finde ich auch, das die ideologischen Vorreiter der Tierrechtsbewegung z. B. Singer, nicht gut weg kommen in der Analyse.
 
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<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Brackenjäger:
Dein Kritikpunkt ist aus Sicht der Besprechung sicherlich bedenkenswert, nur liegt im Buch der Argumentationstrang mehr auf einer Ausarbeitung und Konkretisierung der Schopenhauer´schen Mitleidethik. <HR></BLOCKQUOTE>

Dann haben entweder Frau Wolf, die Rezension oder der kleine Fuchs Schopenhauer nicht verstanden!

Mit Schopenhauer hast Du den Schmerz-Vermeider schlechthin: Einzig Leid wird nach seiner Ansicht "positiv" - im Sinne der Anwesenheit von Schmerz - wahrgenommen; das Glück hingegen wird nur "negativ" - im Sinne der Abwesenheit von Schmerz wahrgenommen. Du merkst nur, dass es Dir gut geht, weil Du bemerkst, dass Du keine aktue Sorge/Schmerz verspürst. Deshalb lautet Schopenhauers Maxime ja auch "Nicht dem Glück hinterherrennen, sondern vielmehr dem Schmerz aus dem Wege gehen!"

Wie verträgt sich das denn mit dem obig Zitierten (Selbstverwirklichung, Streben nach individuellem Glück) aus der Besprechung?

Konkret: "In Anlehnung an die Tugendmoral ist Wolfs Ausgangsbasis die Feststellung, daß für alle Wesen das Streben nach Selbstverwirklichung, nach individuellem Glück (ganz unabhängig von der Höhe ihrer Reflektiertheit), wie auch immer dieses für einzelne Lebewesen aussieht, an erster Stelle steht. Dieses Streben zu verhindern bedeutet für die einzelnen Individuen Leid."

Nach Schopenhauer (Aphorismen/DWaWuV) müßte der letzte Satz lauten: "Dieses Streben zu unterdrücken, bedeutet für die einzelnen Individuen die Vermeindung von Leid."

Reineke

P.S: Zu Singer gäbe es noch einige interessante Anmerkungen - aber sicher nicht coram publico im Forum!
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Hallo allerseits,
ich muss sagen, dass ich mich in letzter Zeit etwas intensiver mit den philosophischen Grundlagen der Tierschutzethik befasst habe, denn irgendwie muss man seinen Kritikern ja antworten.
Mein Tip zum Thema ist Jörg Luy, "Die Tötungsfrage in der Tierschutzethik". Sehr gut an diesem Buch ist die zusammenfassende Dokumentation der wesentlichen Tierschutz und Tierrechtsargumentationen (von Pythagoräern angefangen, geht auch auf Wolf ein). Auch steht der Aspekt der Tötung an sich im Vordergrund, d.h. sehr zugeschärft auf den letzen "Knackpunkt" der Jagd, die in meinen Augen Tierschutzargumente bereits berücksichtigt (kein Leid durch falsche Haltung und Transport), aber den Fleischkonsum natürlich bejaht.
Für andere Aspekte ist Kalchreuther m.M. nach das beste Buch.
Übrigens ist der Volltext von Luy irgendwo im Netz zu finden.
 
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<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Reineke:
...Hatten wir nicht einmal eine 60 Sekunden-Sperre?
<HR></BLOCKQUOTE>

Ja, aber die kann manchmal auch ganz schön nervig sein. Da macht das doppeln schon Spaß!
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Wolf argumentiert ja ganz geschickt, indem sie die metaphysischen Probleme der Schopenhauer´schen Ideen ausblendet und sich alleinig auf die Leidensfähigkeit als Kriterium der Adressanten der Moral konzentriert. Sie macht ja auch keinen Hehl darauß, das sie nach einer Moralkonzeption Ausschau hält, in der außermenschliche Wesen Berücksichtigung finden können.
 
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Zu welcher Bewertung der Literatur im Einzelfall oder individueller Einschätzung tierischen Glücks-/Leidempfindens ein Jäger auch kommen mag, ist allein die intensive Beschäftigung mit diesem Thema unschätzbar wichtig.

PS.: Gerade Post bekommen - DJZ hat den Test der Mauser M 03 auf CD!...nette Idee.
 

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