Meine Bockjagd in Polen

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Jagdbericht aus Polen / Nähe Kalisz, dieses Wochenende

Als ich am Freitag um 6:00 von zu Hause abreiste, musste ich davor noch meine Jagdutensilien zusammensuchen, weil am Vortag einfach keine Zeit mehr war. Nach flotter Fahrt war ich um 13:00 nach 550 km vor Ort, dann gab es einige Geschäftsbesprechungen und um 18:00 ging es ab zum Revier.

Bevor wir tatsächlich im Revier jagen konnten, gab es die obligate Vorsprache beim zuständigen Förster/Jagdleiter eines 12.000ha Reviers, der alle Zeit der Welt hatte, die Jagdpapiere auszufertigen. Weiters bestand er neben dem üblichen Begrüßungsschluck darauf, dass wir kurz in sein Jagdpavillion mitkämen, wo gerade gegrillt wurde. Die frische Forelle war ein Gedicht, das aber doch den einen und anderen kleinen Vodka brauchte, um den Fisch ordentlich schwimmen zu lassen. In der Zwischenzeit ging ein Gewitter nieder, also hatten wir Zeit bis zum Aufbruch. Erst nach acht Uhr abends machten wir uns auf den Weg.

Wir fuhren weitere zwanzig Minuten mit dem Geländewagen im Revier, dann waren wir endlich bereit, einen passenden Bock zu erlegen. Die Landschaft war abwechslungsreich strukturiert, das Getreide stand noch ungedroschen auf den Feldern, aber viele Wiesen waren trotz der Regenfälle der vergangenen Wochen gemäht. Gummipirsch war angesagt – aber nicht mit dem Auto, sondern mit den vorsorglich mitgebrachten Gummistiefeln.
Die eine oder andere Ricke wurde gesichtet, aber die Böcke hatten offenbar auch in Polen gerade Feistzeit und so konnten wir nur Jährlingsböcke ausmachen. Für mich als Ansitzjäger war das Herumstapfen im schweren Boden zwar interessant, aber jagdlich nicht sonderlich ergiebig. Meine Steyr 7x64 führte ich geladen mit entspanntem Schlagbolzen. Es war gegen ¼ 10, als wir uns wieder dem Auto näherten. Bei mir zu Hause wäre die Schusszeit bereits vorbei gewesen, aber dort, weit nördlicher, gab es noch passabel Licht.

Und plötzlich stürmte ein Bock neben einem Waldstreifen im kurzen Gras direkt auf uns zu! Es waren zwar fast 300 Meter, als wir ihn bemerkten, er machte ordentlich Dampf und kam genau in unsere Richtung. Mein Jagdfreund sprach ihn als schussbar an, ich riss den Kammerstängel der Steyr hoch, drückte ihn wieder runter und versuchte, sein mitgeführtes Dreibein in Stellung zu bringen. Dreibein! Schei**bein würde ich lieber sagen! Das Zeug ist klasse, wenn man Zeit hat aber unmöglich, wenn man es rasch ordentlich hinstellen muss. Trotzdem gelang es mir irgendwie, die Waffe darauf zu platzieren. Der Bock war nun auf rund 120m, als er doch unsicher wurde, kurz verhoffte und sich auch noch breit stellte, um links in die Büsche zu verschwinden. Die halbe Sekunde nutzte ich und zog den Abzug – und nichts geschah! Ich hatte anstatt des Abzuges den Stecher erwischt… Ich bin mit der 7x64 nicht oft unterwegs, aber die 222rem mit Feinabzug hatte ich wegen des geringen Kalibers zu Hause gelassen… und der Bock verschwand in den Büschen.
(Die Stecher-Feinde haben wieder einen Punkt gegen mich gesammelt..)

Also wieder Kammerstängel hoch, Waffe entspannt und ordentlichen Groll gegen mich selber. Das Zielfernrohr hatte ich daraufhin wegen des größeren Gesichtfeldes von 12 auf 6fach zurückgedreht, als der Kerl auf 80 Meter plötzlich wieder aus den Büschen austritt.
Kammerstängel hoch, runter, Dreibeingewusel und Versuch, den ziehenden Bock wieder ins Glas zu kriegen waren eigenartiger Weise möglich – und wie auf Befehl verhofft er kurz! Absehen auf das Blatt, ordentlich am nicht eingestochenen Abzug gerissen und Rummps geht der Schuss sauber über den Bock, der uns darauf das Weidloch zeigt und auf Nimmerwiedersehen in den Stauden verschwindet.
So geärgert habe ich mich schon lange nicht mehr. Mit meiner Ansitzwaffe gehe ich nie wieder auf Pirsch, schwor ich mir.

Nicht nur der Bock war weg, auch das Licht ging zur Neige und unser freundlicher Förster erwartete uns wieder an seinem Grillplatz. Nur einige Minuten wollten wir bleiben, und da mein Jagdfreund Autofahrer war, musste ich die für ihn gedachte Vodka-Ration neben meinen ordentlich gefüllten Gläsern ebenfalls leeren. Es war schließlich halb Eins, als wir „zu Hause“ waren.
Andrzej, mein Gastgeber meinte, dass wir um zwei Uhr früh wieder ins Revier müssten, da wegen des Mondes durchaus Chancen auf Schwein bestünden – also hatte ich wenig Schlaf vor mir.

Pünktlich, aber keinesfalls ausgeschlafen war ich kurz nach dem Einschlafen wieder bereit für die nächste Fahrt ins Revier. Um drei Uhr saßen wir auf dem Hochstand. Ordentlicher Rundblick von oben, ordentliche Auflage – wie ich es von zu Hause gewohnt bin. Durch den Mond war es hell genug und das Grau des frühen Morgens machte sich rasch bemerkbar. Nachdem die Schweine, „die immer von dort nach da ziehen“ an diesem Tag offenbar ihrer Gewohnheiten schlagartig geändert hatten, bestand Andrzej um fünf Uhr darauf, abzubaumen und wieder auf dem schweren Boden zu pirschen.

Wie am Vortag sahen wir junge Böcke und Ricken, nur die alten Böcke machten sich wieder rar. Plötzlich erschien ein Jungfuchs auf einer Wiese. Der Lasermesser zeigte 200m und Andrzej lächelte milde, als ich langsam das Dreibein in Stellung brachte. Der Fuchs zog unbekümmert auf der Wiese hin und her, hauptsächlich in meine Richtung. Spannen, Einstechen, warten - und als es bei 160m krachte, bekam der Jungfuchs sein Ableben gar nicht mehr mit. Ich war stolz, mein Stümpern vom Vortag wieder ausgebügelt zu haben und die Pirsch ging weiter.

Schwere Regenwolken hatten sich in der Zwischenzeit zusammen geschoben und wir waren kurz vor sieben Uhr bereits auf wenige hundert Meter an unser Fahrzeug herangekommen, als wir durch eine Lücke im Buschwerk neben dem Weg auf einer Wiese eine weitere Geiß auf rund 300m entdeckten. Kurz wurde mit dem Fernglas bestätigt, dass es „nur“ ein weibliches Stück war als wir zu unserer völligen Überraschung knapp neben der Geiß zwei kämpfende Böcke ausmachten.
Nach einer Minute musste der unterlegene Bock das Feld räumen und der Sieger fing mit tiefem Windfang an, die Wiese zu prüfen. Zwischen uns und dem Bock gab es fast nicht als freie Fläche, trotzdem versuchte ich mein Glück, ihn anzugehen. Er war so mit sich und dem Duft der abgesprungenen Geiß beschäftigt, dass ich rasch vorankam. Ein einzelner Busch zwischen mir und dem Bock bot mir zusätzliche Deckung, aber als ich mich mit diesem geringe Sichtschutz in etwa 150m herangearbeitet hatte, sah ich keinen Bock mehr – offenbar war er in der Zwischenzeit abgesprungen, ohne dass ich es bemerkt hatte.

Missmutig machte ich mich auf den Rückweg, als ich den wild winkenden Andrzej sah. Etwas stimmte nicht, also kontrollierte ich nochmals die Gegend – und zu meiner Überraschung tauchte der Bock hinter einigen hohen Brennnesseln auf und zog quer zu mir in Richtung des nächsten Einstandes. Dreibein in Stellung gebracht (ging nun schon leichter), Gewehr aufgelegt, entsichert, eingestochen und mitgefahren, mitgefahren, mitgefahren… der Kerl zog in 160 Meter Entfernung unbeirrbar weiter. Zwanzig Meter, bevor er den sicheren Einstand erreichte, schrie ich ihn an und er verhoffte wirklich. Abzug angetippt, Rummps – und langsam ging der Bock mit gekrümmten Rücken weiter. Repetiert hatte ich schon, eingestochen ebenfalls und auf dem Bock war ich auch schon wieder, als er sich nieder tat, das Haupt noch einmal kurz hob und dann zwei Meter vor der Dickung verendete. Fluchtstrecke mit einem Leberschuss keine 20 Meter – auch deshalb nehme ich lieber eine 7x64 auf Reh als ein zarteres Kaliber.
Der Bock hatte schon zurückgesetzt, ein gleichmäßiger Sechser mit passabler Perlung und als wir den Zahnabschliff kontrollierten stufte ihn Andrzej als sechs- bis siebenjährig ein.

Für mich war es wieder ein unvergessliches Jagderlebnis in Polen bei Freunden und wer sich die Zeit genommen hat, bisher zu lesen, freut sich hoffentlich mit mir.

Weidmannsheil!
 
G

Gelöschtes Mitglied 3257

Guest
Weidmannsheil zum Bock. Genial gut geschrieben!!!! :p
 
G

Gelöschtes Mitglied 4317

Guest
@barry08 Waidmann´s Heil zu Fuchs und Bock.
Feine Geschichte.
 
Registriert
19 Mrz 2005
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Hi Barry,

auch von mir ein aufrichtiges Waidmannsheil!
Das sind dann wohl die berühmten Geschichten, die man so schnell nicht wieder vergisst.

MfG Kornweihe
 
G

Gelöschtes Mitglied 4627

Guest
Waidmannsheil! Schön geschrieben. Gibts vielleicht auch Bilder?

gruß hama :wink:
 
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Waidmannsheil.
Und des Pirschen mit den Stiefeln bist eh von die Treibjagden gewohnt.
Also stell deine Kondition nicht so unter den Scheffel.
;)
 
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7 Okt 2007
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Ääähh, ich möchte wirklich kein Miesmacher sein, aber wie genau führt man eine Steyr geladen und entspannt? Falls Du mit gezogenem Abzug die Kammer schliesst, ist das brandgefährlich! Der Schlagbolzen liegt in dem Fall auf dem Zündhütchen auf, und ein Schlag von hinten reicht unter umständen, dass die Patrone losgeht, wenn das Zündhütchen ein Hypochonder ist.

Du solltest Bärentöter zu dem Thema mal anmailen, er hat das glaube ich mit einer bezünderten Hülse ausprobiert, und konnte den beschriebenen Effekt hervorrufen.

MFG
Evolution
 
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20 Okt 2006
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@Evoloution

Nachdem ich meine Blaser entspannt und geladen führe, mache ich es mit der Steyr genau so. Hypersensible Zündhütchen lehne ich aus Prinzip ab :wink:

Ich lebe nach dem alten Prinzip: "no risc, no fun" :roll: aber vielleicht sollte ich deine Bemerkungen wirklich mal überdenken...

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Noch was: Der Bock wog aufgebrochen, Haupt abgeschärft, 20,5 kg.
Die Wildübernahmestelle war mit dem "Küchenschuss" sehr zufrieden

Weidmannsdank an alle Gratulanten!
 

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