Mein lieber Forestgump,
du hast, singulär betrachtet, zweifellos Recht, in toto aber Unrecht.
Auch ich hätte keinerlei Probleme damit, den Sachbearbeiter unserer zuständigen Behörde ins Haus zu lassen, ihm Tresor und Waffen zu zeigen und mit ihm anschließend über Sinn und Unsinn von Paragrafen bzulästern, denn besagter Herr ist sehr sympathisch und absolut kein kleinlicher Paragraphenreiter.
Wie gesagt, singulär betrachtet....
Aber sieh es bitte mal in toto. Rekapituliere bitte, wie weit das Grundgesetz in den letzten ca. zwanzig Jahren ausgehöhlt wurde.
Erinnere dich - es gab einmal die Regelung über das Recht am eigenen Bild. Dann fing man an, öffentliche Plätze per Video zu überwachen. Was ja letzlich bedeutet, daß man unbescholtene Bürger unter Generalverdacht stellt und ihre Rechte ignoriert.Wurde vom BVerfG verworfen und abgenildert eingeführt.
Dann kam die Idee, Mautbrücken zur Verkehrsüberwachung zu nutzen, ebenfalls vom BVerfG verworfen.
Dann kam der Lauschangriff, sinngemäß das Gleiche, zunächst vom BVerfG verworfen.
Dann kam der Zugriff auf das www und der Zugriff auf private Rechner.
Jetzt kommt der Verlust der Unverletzlichkeit der Wohnung.
Vor zwei Tagen brachte das ZDF ein Interview mit Schäuble zu Verfassung und Verfassungsgericht. Darin forderte der Innenminister, die Politik müsse in grösserem Umfang das Recht haben, politische Entscheidungen OHNE die Beteiligung des BVerfG zu beschließen und durchzusetzen.
DAS HATTEN WIR SCHON MAL VOR RUND 70 JAHREN, HIESS ERMÄCHTIGUNGSGESETZ UND BRACHTE HITLER DIE MACHT, DIE ER FÜR SEINE IRRWITZIGEN PLÄNE BRAUCHTE.
Ich glaube nicht, dass Schäuble nicht alle Latten am Zaun hat, ich vermute aber, dass der Mann durch das auf ihn verübte Attentat zutiefst traumatisiert wurde und in einem Sicherheitswahn befallen ist, der es ihm unmöglich macht, in allen seinen Aufgabebereichen auf dem Teppich der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bleiben.
Kein Zweifel, mit all den o. g. Maßnahmen wurde Gutes geplant, aber darf die Zielsetzung die Mittel bestimmen? Heiligt der Zweck die Mittel?
Ich denke, dem ist nicht so.
Als vor ca. 25 Jahren der Naturschutz begann, die Jagd intensiver zu beeinflussen, prägte jemand den Begriff der Salamitaktik. Nun sehe ich wieder die gleiche Salamitaktik angewendet: Wenn der große Schritt zu unpopulär ist, macht man halt viele kleine. Und bedient sich dabei obszönerweise tragischer Vorkommnisse.
Es ist immer das Gleiche, die Geschichte wird urteilen.
Vielleicht, wenn in 150 Jahren kein Bürger mehr die Freiheit hat, auch nur einen einzigen unbeobachteten Schritt zu tun, wird man sich fragen: Warum hat man den Politikern, die damals mit der Veräusserung des Grundgsetzes anfingen, nicht einfach ein Loch in den Kopf geschossen? So wie man heute fragt: Warum hat man vor 70 Jahren nicht Hitler ein Loch in den Kopf geschossen. Wie man vor 1700 Jahren fragte: Warum hat niemand Nero erschlagen?
Ich muß zugeben, ich weiß nicht, was richtig ist.
Eines ist aber sicher: Mein Vertrauen in die mich regiernden Politiker ist so gering, daß ich ihnen diese letzte, ihnen bisher verwehrte Macht, nämlich die der Verletzung des einzigen Gesetzes, dass uns alle schützt und auf das unser gesamtes Staatswesen beruht, nicht zugestehen möchte.
Und wenn ich mir die lausige Wahlbeteiligung der letzten Wahlen ins Gedächtnis rufe, scheine ich mit dieser Meinung nicht alleine zu sein.
Wehret den Anfängen!
