Zur Ausgangsfrage, warum so wenig Jäger auf die Schießstände kommen. Wir haben das Thema vor einem halben Jahr bei WO-Jagd intensiv diskutiert. Initalzündung war die Frage eines Benchrestschützen namens "13+1", der - wie er schrieb: bewußt provokant - fragte, wie oft wir Jäger eigentlich übten und damit eine interessante Diskussion anstieß. Meine Antwort:
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Waidmannsheil, lieber 13+1,
genau diese provokante, herablassende Art ist doch das Problem. Unsere Kreisjägerschaft (siehe Profil) verfügt über einen wunderbaren Schießstand. Gleichzeitig allerdings auch über einen zweigeteilte Mitgliederschaft:
A) Die eine kleinere Gruppe besteht aus regelmäßigen Schießstandbesuchern. Sie sind eine relativ homogene Ansammlung von Jagdscheininhabern, die an allen drei möglichen Wochentagen auf dem Schießstand ist, um dort ziemlich zu "pötten", aber eben auch z.T. sehr gut zu schießen. Wichtig ist die Beobachtung, daß die Mehrheit dieser Fraktion keine eigene Jagdgelegenheit besitzt - und die so "gesparte" Zeit zum Schießtraining nutzt. Ihre "Schießstandgemeinschaft" ersetzt die Reviergemeinschaft. Anerkennung können Sie (nur oder in erster Linie) über Ihre Schießleistung erringen.
B) Die zweite Gruppe besteht aus den Jägern mit eigenem Revier oder zumindest Jagdmöglichkeit. Sie schießen Ihre Waffen ein, kommen zum Hegeringsschießen und hin und wieder, wenn Bedarf besteht (Waffe neu oder heruntergefallen.) Schießt die Waffe einigermaßen (DJV-10 und Schluß) wird die übrige Zeit aufs Revier verwandt.
Schießen ist nur Mittel, waidmännisches Erlegen der Zweck. Annerkennung wird durch jagdliches Geschick und saubere Strecke erlangt.
Zwischen A und B gibt es in Person einiger weniger (Zeitproblem) gleichermaßen viel jagender und viel schießender Jäger Überschneidungen. Diese können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich - vereinfacht gesagt -zwei heterogene Gruppen ausmachen lassen.
Zwischen den Gruppen A und B besteht - aus nicht völlig unnachvollziehbaren Gründen - folgende Wechselwirkung:
Die Gruppe B bezeichnet A als "Schießer" und z.T. sogar als "Sauf- und Ballerköppe", bei denen das Schießen Selbstzweck sei.
Gruppe B revanchiert sich damit, daß, sobald ein Jäger der Abteilung B - begrüssenswerter Weise - den Stand aufsucht, wie die Schießhunde aufgepasst und bei erst bester sich bietender Gelegenheit angeschlagen wird: "Riemen von der Waffe, Waffe brechen, Verschluß auf!". Wenn Mitglied B es dann bis zur Schießbahn geschafft hat, und seine ersten Schüsse abgegeben hat, stehen die A-Verbände nicht allzuweit. Ihr einziges Bestreben ist, ihren Hohn über die Schießleistungen des B-lers ebenso subtil wie verächtlich kundzutun.
Bietet sich dazu die Gelegenheit nicht, werden auch gern die benachbarten Schießbahnen bezogen, und - wenn möglich - über Vertreter B hinweg - schießtechnische Fachgespräche geführt, die - Reineke kann das zumindest ein bißchen beurteilen - nur ein Zweck haben, nämlich eben den, das Sie geführt wurden.
Das B so schnell - wie möglich - den Stand verläßt, um nach Hause zu kommen ist nachvollziehbar. Was unter den Revierjägern gesprochen wird, ebenfalls. Der Großteil der Jäger unseres Hegerings fährt, wenn geschossen werden soll, inzwischen auf einen, gut eine dreiviertel Stunde entfernten, "öffentlichen" und kommerziellen Schießstand,
obwohl "unser" KJS-Schießstand genau auf der Gemeindegrenze liegt.
Die jagenden Jäger B laden A so gut wie nie zu Gesellschaftsjagden ein - wegen deren Verhaltens (und auch, weil diese sich nicht mit einer Gegeneinladung revanchieren können). Deren jagdliche Erfahrung ermangelndes Schießerimage vertieft sich natürlich - Komplexe mögen einhergehen - der Schießstand wird zur Wagenburg...
... kommt wieder ein B´ler dreht sich die Spirale ein weiteres Stück.
Ob A´ler oder B´ler mehr Schuld an dieser Entwicklung haben kann dahinstehen. Eine Triebfeder ist sicher aber eben die provokante und herablassende Art...
.... oder 13+1, sollte ich Dich umgekehrt - wärest Du Jäger - fragen, wieviel Stück Schalenwild, wieviel Raubwild, wieviel Nutzwild Du in den letzten Jahren im Schnitt zur Strecke gebracht hast?
Ich würde es nicht tuen!
Du hast Recht, daß es einem Teil der Jägerschaft gut zu Gesicht stände, wenn Sie sich im Umgang mit ihrem Gewehr mehr übten. Aber akzeptiere - als Sportschütze und Benchrestfreund - daß das Schießen für uns in aller erster Linie nur Mittel ist. Zweck ist für uns die Jagd.
Sollte Dir diese Einsicht gelingen, und sich damit einhergehend die - wie Du schreibst - etwas provokante Art verlieren, würde es mich freuen, Dich auf dem Schießstand kennnenzulernen, und von Dir als Sportschützen etwas zu Verfeinerung meines jagdlichen (!) Schießens zu lernen.
Horrido
Reineke
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Die obige Beschreibung ist natürlich aus Veranschaulichungsgründen, bewußt vereinfacht und übersteigert dargestellt. Die Resonanz auf den Beitrag zeigte aber, daß auf anderen (Jagd-)Ständen z.T. exakt die gleichen Erfahrungen gemacht wurden. (
http://www.wo-system.com/ubb/Forum13/HTML/000323.html )
Wie sieht es bei Euch aus? Und ist nicht vielleicht auch dies ein Grund für mangelnde Schießstandbesuche? Zumindest die älteren Jäger in meinem Bekanntenkreis scheuen zum Großteil den Schießstandbesuch aus obigen Gründen.
Horrido
Reineke