aus
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29466/1.html:
""Israel muss sich gegen die Raketen verteidigen, die unsere südlichen Städte terrorisieren", erklärten israelische Sprecher. "Die Palästinenser müssen auf das Töten unserer Kämpfer innerhalb des Gazastreifens reagieren", gaben Hamassprecher bekannt.
Was den Zusammenbruch der Feuerpause betrifft, so gab es nie eine wirkliche Feuerpause. Das Wichtigste an der Feuerpause im Gazastreifen hätte die Öffnung der Grenzübergänge sein müssen. Ohne den ständigen Versorgungsfluss kann es im Gazastreifen kein Leben geben. Aber die Grenzübergänge waren - abgesehen von wenigen Stunden hin und wieder – nicht geöffnet. Die Blockade des Landes, des Meerzugangs und des Luftraumes gegenüber einer Bevölkerung von 1,5 Millionen ist ein Kriegsakt, genau so wie wenn Bomben fallen und Raketen abgefeuert werden. Sie lähmt das Leben im Gazastreifen: sie zerstört die Verdienstmöglichkeiten und bringt Hunderttausende an den Rand des Hungers; Krankenhäuser hören auf zu funktionieren; Strom und Wasserzufuhr sind unterbrochen.
Diejenigen, die die Schließung - egal unter welchem Vorwand – entschieden haben, wussten, dass es unter diesen Umständen keine wirkliche Feuerpause geben kann.
Das ist die Hauptsache. Dann kamen die kleinen Provokationen, die dafür bestimmt waren, dass die Hamas darauf reagieren soll. Nach mehreren Monaten, während derer kaum Kassamraketen abgefeuert worden waren, wurde eine (israelische) Armeeeinheit in den Gazastreifen gesandt, um "einen Tunnel zu zerstören, der nah an den Grenzzaun" herankam. Vom rein militärischen Standpunkt aus gesehen, wäre es viel sinnvoller gewesen, auf der israelischen Seite des Zaunes einen Hinterhalt zu legen. Aber das Ziel war, einen Vorwand für die Beendigung der Feuerpause zu finden, und zwar in einer Weise, die es ermöglichte, den Palästinensern die Schuld dafür zu geben. Und tatsächlich, nach mehreren solcher kleinen Aktionen, bei denen Hamaskämpfer getötet wurden, rächte sich die Hamas mit einem massiven Granatenbeschuss und - siehe da – die Feuerpause war beendet. Alle gaben der Hamas die Schuld.
Und was war das Ziel? Zipi Livni verkündete es offen: die Hamasherrschaft im Gazastreifen zu vernichten. Die Kassams dienten nur als Vorwand.
Die Hamasherrschaft liquidieren? Dies klingt fast wie ein Kapitel aus dem berühmten Buch von Barbara Tuchman "Der Marsch der Dummen". Schließlich ist es kein Geheimnis, dass es die israelische Regierung war, die die Hamas anfangs mit aufbaute. Als ich einmal einen früheren Shin-Bet-Chef, Yacob Peri, darüber fragte, gab er eine seltsame Antwort: "Wir haben sie nicht geschaffen, aber wir behinderten auch ihre Entstehung nicht."
Jahrelang wurde die islamische Bewegung in den besetzten Gebieten von den israelischen Behörden begünstigt. Alle anderen politischen Aktivitäten wurden rigoros unterdrückt, aber die Tätigkeiten in den Moscheen wurden erlaubt. Man kalkulierte einfach und naiv: Zu jener Zeit wurde die PLO als der Hauptfeind angesehen und Yassir Arafat als der gegenwärtige Satan. Die Islamische Bewegung predigte gegen die PLO und Arafat, deshalb wurde die islamische Bewegung als Verbündeter betrachtet.
Mit dem Ausbruch der 1.Intifada 1987 nahm die Islamische Bewegung offiziell den Namen Hamas an (die arabischen Anfangsbuchstaben der "islamischen Widerstandbewegung") und schloss sich dem Kampf an. Selbst dann unternahm der Shin Bet fast ein Jahr lang nichts gegen sie, während Fatahmitglieder massenhaft exekutiert oder verhaftet wurden. Erst nach einem Jahr wurden auch Sheik Ahmed Yassin und seine Kollegen verhaftet.
Seitdem hat sich das Rad gedreht. Nun ist die Hamas der gegenwärtige Satan, und die PLO wird von vielen in Israel fast wie ein Ableger der zionistischen Organisation angesehen. Die logische Schlussfolgerung einer israelischen Regierung, die an Frieden interessiert ist, hätte weitreichende Konzessionen an die Fatah-Führung sein müssen: Ende der Besatzung, Unterzeichnung eines Friedensvertrages, die Gründung eines palästinensischen Staates, Rückzug zu den Grenzen von 1967, eine vernünftige Lösung des Flüchtlingsproblems, Entlassung der Gefangenen. Das hätte der Hamas sicher Einhalt geboten.
Aber Logik und Politik haben wenig mit einander zu tun; denn nichts davon geschah. Im Gegenteil. Nach dem Mord an Arafat erklärte Ariel Sharon Mahmoud Abbas, der Arafats Platz einnahm, zum "gerupften Huhn". Abbas wurde nicht die geringste politische Errungenschaft zugestanden. Die Verhandlungen wurden – unter amerikanischer Schirmherrschaft – zum Witz. Der authentischste Fatahführer Marwan Barghouti wurde auf Lebenszeit ins Gefängnis geschickt. Und anstelle einer großzügigen Gefangenenentlassung gab es belanglose und beleidigende "Gesten".
Abbas wurde systematisch gedemütigt. Fatah sah einer leeren Hülse gleich, und Hamas gewann einen überwältigenden Sieg bei den palästinensischen Wahlen – den demokratischsten Wahlen, die je in der arabischen Welt abgehalten worden waren. Israel boykottierte die gewählte Regierung. Beim folgenden internen Kampf gewann die Hamas die Macht im Gazastreifen.
Nach alledem entschied sich jetzt die Regierung Israels, die "Hamasherrschaft im Gazastreifen zu liquidieren" – mit Blut, Feuer und Rauchsäulen."