Der Veteran:
In aller Ruhe leuchte ich am frühen Morgen den Hang mit dem lichtstarken Telos XP 50 ab – oh, da blitzt auf 200 m im dichten Gezweig ganz schwach ein Wildkörper auf.
Mit dem Glas mache ich dann nach einer kleinen Ewigkeit eine Gams aus und nach längerem Schauen ist sie in einer Lücke angesprochen – von der Färbung her ist es ein sieben bis achtjähriger Bock.
Er hat die für dieses Alter typische Schabrackenfärbung der Pyrenäengams – hell vorn und sehr hell hinten bei dunklem Sattel.
Also zu jung, ich beobachte den ab und an in einer Lücke im Astgewirr der wuchernden Eschen wieder sichtbar werdenden Bock, ein prachtvolles Tier, weit ausliegende, lyraförmige Krucken, der hat Potential.
Doch was ist das? Ist der linke Vorderlauf krumm?
In einer Lücke wird er auf 200 m halbwegs sichtbar - ich sitze auf einem Stein und habe die Merkel K 5 auf dem Hepa Carbon Vierbeinzielstock felsenfest liegend - und dann zappelt der "Mistköter" DJT, der immer auf meinem Schoß sitzt, als der Schuß bricht - im Zf ist nur noch Landschaft sichtbar... Gams springt ab, ist oben vorm Waldrand noch eine Weile, hin und her ziehend, sichtbar, also kerngesund.
Gut 0:1 für Gamsbock, aber der ist hoffentlich nicht vergrämt.
Am folgenden Morgen pirsche ich wieder zum Hang, - JA, der Bock äst immer in Deckung in dichtestem Gestrüpp, nur ganz schwach schimmert es ab und an hinter dem Astgewirr hervor… Nur an der typischen Färbung erkenne ich, daß es vermutlich der gesuchte laufkranke Bock ist. So weiße ich immerhin, daß und wo er äst.
Hilft aber auch nichts, nach eineinhalb Stunden taucht der Adjutant, ein junger einfarbiger Bock, schön frei auf, der Alte hatte sich auf französisch nach oben empfohlen, sah nur weit oben ganz schwaches Leuchten durch den Bestand...
Also mit der alten WBK hätte ich heute früh nix gesehen und säße immer noch bibbernd auf meinem Stein.
O.K. den bekomme ich noch. - Inshallah...
Am Spätnachmittag auf der abgewandten Seite des Felsgewirrs nach oben geklettert, vorsichtig in den Abfall zum Gamshang eingestiegen und in guter Position gewartet.
Wieder vergeht ein schöner Abend, aber ohne Anblick.
Der zweite Tag findet mich am Morgen wieder am Fuße des Hangs, diesmal scheint Hubertus mir wohl gesonnen zu sein. Nach einiger Zeit liegt der Gams auf einem Felsband einigermaßen frei sichtbar.
Ich riskiere den Schuß auf 160 m aufs Blatt – vor dem ein Ginsterbusch steht. Satter Kugelschlag – aber was ist das? Der Bock springt nach oben ab, verhofft im Astwerk, zieht weiter hoch, sichert lange vom Waldrand in den Hang, der Hausken 224 xtreme dämpft den Schußknall schon enorm. Schließlich verschwindet der hinter der Vegetation nur schemenhaft sichtbare Bock im Wald.
Die Kontrolle am Anschuß zeigt einen im Ginster verborgenen Felsblock – den habe ich liquidiert…
Mist!
Am Abend wechselt er wieder aus dem Wald, aber wieder äst er dauernd hinter dichtem Astwerk, da bleibt der Finger gerade, es bleibt spannend.
Am dritten Tag das gleiche Spiel, der kranke Bock äst immer gut verdeckt, es bietet sich keine Chance für einen sicheren Schuß.
Ich könnte seitlich überriegelt durch den Wald oder das Felsgewirr aufsteigen und eventuell in den Hang genug Einblick erhalten. Das ist mir aber zu unsicher, der Wind wechselt oft die Richtung, dazu gibt es unberechenbare Fallwinde; ich will den Bock nicht aus diesem Hang vergrämen.
Schließlich bricht der vierte Tag an, ich pirsche erst gegen 09h zum Hang.
JA, jetzt liegt er tiefer auf einer Felskanzel. Ich muß durch einen Bach waten, um in Deckung nahe genug zu kommen. Kein Problem, die Bergstiefel sind mit Dachsfett bestens wassergeschützt und durch die fest gewickelten Lodengamaschen dringt kein Wasser ein.
Schließlich habe ich tief gebückt eine gute Position erreicht, sinke auf einen Stein, baue den Zielstock vor mir auf und lege auf.
Der feine Punkt des Absehens steht fest eine Handbreit hinter dem Blatt, ich muß ja das kranke Blatt zur Dokumentation des Hegeabschusses erhalten.
Diesmal ist der DJT vor meine Füße verbannt, sachte berühre ich den Abzug der K 5 und fetter Kugelschlag verrät den Treffer des 110 grn Barnes TTSX.
Der Bock hat noch die Kraft, um 20 Meter in den fast senkrechten Felshang zu flüchten, dann torkelt er und stürzt ab. Gut so - in dem fast lotrechten Steilabbruch mit bröckeligem Schieferfels wäre es unangenehm gewesen, ihn zu bergen.
Uff - dieser Gams hat mich vier Tage auf Trab gehalten, der Erinnerungswert ist hoch, ich genieße einige Minuten der Ruhe und lasse die vergangenen Tage vor meinem inneren Auge verstreichen.
Eine schöne Jagd wars.
Die Ruhe ist aber relativ, zu meinen Füßen springt der DJT wild winselnd umher. Erst der Schuß, den er mit Beute verbindet und dann hat er die stürzende Gams ausgemacht und will zur Beute...
Beruhige die Hündin – soweit überhaupt möglich – und genieße weiter den Anblick des jetzt sonnenbeschienen Gamshangs. Was habe ich ein Glück, hier leben und jagen zu dürfen!
Dann kraxel ich eine steile, rutschige Rinne hoch zum Bock, Lea muß ich ganz kurz halten, sie springt wie eine Wilde hin und her und bringt mich ab und an aus dem Gleichgewicht.
Der siebenjährige Bock ist abgekommen, hat eine kachektische linke Schulter, das mittlere Vorderlaufgelenk ist steif, etwas Eiter schimmert in der Hautwunde…
Schade um ihn, in einigen Jahren hätte er bei seiner weiten Auslage eine ansehnliche Trophäe getragen, nun fehlen die Jahresringe...
Mache einige Bilder und ziehe ihn dann abwärts bis zum Fuß des Steilhangs zu meinem abgelegten Rucksack.
Löse das Wildbret aus – das bekommt wegen der eitrigen Vorderlaufwunde Lea, da hat sie eine Weile lecker Futter aus dem Trockenschrank.
Der Rucksack ist wegen des abgekommenen Bocks nicht schwer, schultere ihn und stapfe frohgemut heimwärts.
Immerhin kann ich das Hirn genießen, eventuelle Bakterien der Laufverletzung können die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, es schmeckt kurzgebraten auf Brot lecker.