Ein Tag mit Aufpasser
Als ich mit dem Wagen auf Markus’s Hof fahre, begrüßt mich der Jagdherr schon höchstpersönlich. Seine Erscheinung wäre ein Fall für die Feder von Geilfus, wie er da mit seiner zerschlissenen Wachsjacke, der speckigen Lederhose, dem alten unförmigen Forsthut, seiner FN über der Schulter und seinem Deutsch-Kurzhaar neben sich, in Mitten seiner Jagdfreunde steht und mir ein fröhliches „Waidmannsheil, Du Wilddieb!“ entgegenschmettert.
15 Schützen haben sich schließlich versammelt, um zum ersten Mal seit 20 Jahren in diesem Revier wieder eine Treibjagd zu veranstalten. Seitdem Markus vor vier Jahren den Pachtvertrag für dieses Revier unterschrieben hat, hat sich hier einiges getan. Zusammen mit den drei Nachbarjagden hat man ein lückenloses Netz von Reviereinrichtungen aufgebaut, hat immerhin sechs Hektar Wildackerstreifen angelegt und vor allem die Landwirte dazu gebracht niederwildfreundlicher zu wirtschaften. Hierbei war natürlich Markus’s Funktion als Vorsitzender des örtlichen Bauernverbandes sehr hilfreich.
Auch jagdlich hat sich einiges getan. Waren dem Vorpächter Fuchs, Marder, Elster und Rabenkrähe noch mehr oder weniger egal, so haben Markus und seine Mitstreiter in den Nachbarrevieren insbesondere die intensive Fallen- und Baujagd eingeführt, Elstern- und Krähenjagdtage veranstaltet und sich von August bis Ende Oktober zu gemeinsamen Fuchsjagden in den Rüben, Sonnenblumen und im Mais verabredet. Diese ganzen Anstrengungen führten schließlich zu einer gigantischen Raubwildstrecke, die insbesondere der Feldhase und das Rebhuhn mit schlagartigen Besatzzuwächsen honorierten.
Heute soll es als zum ersten Mal dem Friedwild gelten und selbstverständlich sind alle der Anwesenden die die Entwicklung dieses 840 Hektar großen Reviers in den letzten Jahren miterlebt haben gespannt, was die Ernte nun schlussendlich bringen wird. Die Sonne lacht vom Himmel, die Hörner jubeln die Begrüßung und die Vorstehhunde mimen den Chor…ein herrliches Bild! Nach der Freigabe und der Vergatterung die Sicherheitsregeln auch ja zu beachten werde ich zu meiner Enttäuschung den Standschützen zugeteilt. „Hinter den kannste dich stellen, da erlebste was!“, höre ich Markus zu seinem 83jährigen Vater sagen, während er auf mich deutet und mich breit angrinst. Mir ist nicht klar was er meint und deshalb lasse ich es mir nicht nehmen reichlich dämlich zurückzuschauen. Dann geht es auch schon auf den Hänger und ab ins Revier.
Das erste Treiben besteht aus weiten, flachen Äckern, verschilften Entwässerungsgräben und einem kleinen Weichholzwäldchen, was als letzter Rest der Rheinauen hier mitten im Feld fast deplaziert wirkt. Nachdem mich der alte Herr, der zu meiner Verwunderung keine Flinte führt direkt an der Ecke des Wäldchens abgestellt hat, beginnt er umständlich hinter mir seinen Sitzstock mit Hilfe einer kleinen Astgabel im weichen Ackerboden aufzustellen. Meine Frage hinsichtlich seiner fehlenden Bewaffnung beantwortet er kurz mit dem Hinweis, dass auch ich irgendwann mal so alt wäre, dass ich gefährlicher für meine Mitjäger, als für die Hasen wäre und ich solle doch bitte einen Hasen für ihn mitschießen. Dann erklingt von weit her das Anblasen und wird von meinem Nachbarschützen erwiedert…ich habe Gänsehaut.
Von drüben von der noch nicht zu sehenden Treiberwehr hallen die ersten Schüsse herüber und bald erscheinen die ersten Hasen, als kleine braune Punkte auf den dunklen Äckern. Der ein oder andere Schuss ist auch bei uns Standschützen bereits gefallen, als vor mir der erste Hase quer zur Schützenkette durch das Wäldchen flüchtet und sich schließlich keine 20 Meter vor mir im hohen Gras drückt. „Saukerl“ brummt es hinter mir vom Sitzstock und aus dem Augenwinkel sehe ich den alten Herren unter seinem Hut hervorstrahlen.
Schließlich naht die Treiberwehr, bald 20 Schuss sind gefallen und meine Läufe sind immer noch blank, als vor mir im Wäldchen ein kleiner, schwarzer Drahthaar erscheint, kurz vorsteht und auf mein „Such voran!“ einspringt. Schon flattert ein bunter Gockel aus dem Schilf hervor, steigt steil zwischen Weiden und Pappeln empor und kommt mir dabei genau über Kopf. Im Nachhintenbeugen bringe ich die Flinte genau auf den Vogel und im Knall stürzt er hinter mir auf den Sturz. Schnell ist der kleine Drahthaar da, schnappt sich die Beute und verschwindet neben uns im Wäldchen, um seinen Herren nicht weiter mit leeren Händen über die Äcker stolpern zu lassen. Ein kurzer Kontrollblick zum Sitzstuhlbenutzer zeigt mir, man ist mit dem Erlebten offensichtlich zufrieden. Im selben Moment rappelt sich vor mir der Hasen aus seinem Versteck auf und rennt in wilder Flucht, mit angelegten Löffeln und weit aufgerissenen Augen erst durch Gestrüpp und dann über den halb rechts von mir gelegenen Acker. Ich ziehe mit und bin ziemlich sicher, den Hasen sauber erlegen zu können und lasse ihn trotzdem laufen. Irgendwie hat er mir leid getan, wo er sich doch so schon und lange vor mir gedrückt hat. „Jaja, einer für die Zucht!“, kommentiert mein Hintermann das Geschehen und klopft mir dabei auf die Schulter.
16 Hasen und zwei Gockel hat dieser erste Trieb erbracht, der Jagdherr ist mehr als zufrieden und die weiteren Treiben erweisen sich ebenfalls als sagenhaft wildreich. Im dritten Treiben streicht mir und meinem „Aufpasser“ ein gut 20köpfiges Volk Hühner über die Köpfe, dass es nur so purrt. Ein tolles und heute leider viel zu seltenes Schauspiel! Schließlich gegen 14 Uhr ist der Wildwagen fast voll und im letzten Treiben wird jedem Schützen nur noch ein Hase freigegeben Man will den Besatz nicht überstrapazieren und vor allem bekommt man wohl langsam aber sicher Bedenken ob des sicheren Absatzes. Ich stehe diesmal zusammen mit dem Senior am Ende eines langgezogenen Streifens „Hasenapotheke“ und warte auf die Dinge die da kommen mögen. Längst sind die Läufe meiner Flinte nicht mehr blank, habe ich doch in den zurückliegenden Treiben noch fünf Hasen und einen weiteren Gockel zur Strecke bringen können. Vor uns taucht wieder die Treiberwehr auf, die sich jetzt schon deutlich langsamer über die weichen Sturzäcker quält und mit Sicherheit den anhänglichen Boden der Rheinebene verflucht. Dann wird vor den Treibern ein Hase hoch, nimmt von den Hunden verfolgt richtig Fahrt auf und kommt mir, der ich am linken Flügel des Treibens postiert bin auf circa 30 Metern. Ich bin bereits im Anschlag, ziehe vor und im Schuss rolliert der Hase vorschriftsmäßig. „Waidmannsheil!“, kommt es von hinten „der hat nen Kopfschuss…ein echter Küchenhas’“.
Die Treiber sind mittlerweile bis auf 50 Meter heran, als es im vor mir liegenden Wildackerstreifen noch einmal richtig lebendig wird. Nach und nach machen Treiber und Hunde sechs Hennen hoch und schließlich zwei Fasanenhähne. Beide steigen schnell höher, und versuchen nebeneinander ihr Heil in der Flucht über meinen Nachbarschützen hinweg. Der, seines Zeichens ehemaliger Rheinland-Pfalz-Meister im jagdlichen Schießen, backt seine sündteure Purdey an, zieht mit und holt doch tatsächlich mit einem blitzschnellen Überkopf-Doppelschuss beide Hahnen als Dublette herab. Mit dieser eleganten Meisterleistung will es der Jagdherr dann auch für heute bewenden lassen und bläst das letzte „Hahn in Ruh’“ für heute.
Im abendlichen Fackelschein liegen dann auf dem Hof des Jagdherren 73 Hasen und 14 Fasanenhähne auf der Strecke, die Hörner hallen von den Wänden des jahrhundertealten Hofes wieder und das Hundegejaule erzeugt unter meinem Pullover wieder eine ordentliche Gänsehaut. Ja und beim alten Herren glänzen im Augenwinkel sogar ein paar Freudentränen…
Ein wunderschöner Jagdtag, mit guten Freunden, reicher Strecke und herrlichen Bildern ist vorüber und während der Heimfahrt nach einem langen Schüsseltreiben freue ich mich schon auf die nächste Jagd, in der Rheinebene, bei Markus und seinem Vater.
[ 16. November 2004: Beitrag editiert von: steve ]
Als ich mit dem Wagen auf Markus’s Hof fahre, begrüßt mich der Jagdherr schon höchstpersönlich. Seine Erscheinung wäre ein Fall für die Feder von Geilfus, wie er da mit seiner zerschlissenen Wachsjacke, der speckigen Lederhose, dem alten unförmigen Forsthut, seiner FN über der Schulter und seinem Deutsch-Kurzhaar neben sich, in Mitten seiner Jagdfreunde steht und mir ein fröhliches „Waidmannsheil, Du Wilddieb!“ entgegenschmettert.
15 Schützen haben sich schließlich versammelt, um zum ersten Mal seit 20 Jahren in diesem Revier wieder eine Treibjagd zu veranstalten. Seitdem Markus vor vier Jahren den Pachtvertrag für dieses Revier unterschrieben hat, hat sich hier einiges getan. Zusammen mit den drei Nachbarjagden hat man ein lückenloses Netz von Reviereinrichtungen aufgebaut, hat immerhin sechs Hektar Wildackerstreifen angelegt und vor allem die Landwirte dazu gebracht niederwildfreundlicher zu wirtschaften. Hierbei war natürlich Markus’s Funktion als Vorsitzender des örtlichen Bauernverbandes sehr hilfreich.
Auch jagdlich hat sich einiges getan. Waren dem Vorpächter Fuchs, Marder, Elster und Rabenkrähe noch mehr oder weniger egal, so haben Markus und seine Mitstreiter in den Nachbarrevieren insbesondere die intensive Fallen- und Baujagd eingeführt, Elstern- und Krähenjagdtage veranstaltet und sich von August bis Ende Oktober zu gemeinsamen Fuchsjagden in den Rüben, Sonnenblumen und im Mais verabredet. Diese ganzen Anstrengungen führten schließlich zu einer gigantischen Raubwildstrecke, die insbesondere der Feldhase und das Rebhuhn mit schlagartigen Besatzzuwächsen honorierten.
Heute soll es als zum ersten Mal dem Friedwild gelten und selbstverständlich sind alle der Anwesenden die die Entwicklung dieses 840 Hektar großen Reviers in den letzten Jahren miterlebt haben gespannt, was die Ernte nun schlussendlich bringen wird. Die Sonne lacht vom Himmel, die Hörner jubeln die Begrüßung und die Vorstehhunde mimen den Chor…ein herrliches Bild! Nach der Freigabe und der Vergatterung die Sicherheitsregeln auch ja zu beachten werde ich zu meiner Enttäuschung den Standschützen zugeteilt. „Hinter den kannste dich stellen, da erlebste was!“, höre ich Markus zu seinem 83jährigen Vater sagen, während er auf mich deutet und mich breit angrinst. Mir ist nicht klar was er meint und deshalb lasse ich es mir nicht nehmen reichlich dämlich zurückzuschauen. Dann geht es auch schon auf den Hänger und ab ins Revier.
Das erste Treiben besteht aus weiten, flachen Äckern, verschilften Entwässerungsgräben und einem kleinen Weichholzwäldchen, was als letzter Rest der Rheinauen hier mitten im Feld fast deplaziert wirkt. Nachdem mich der alte Herr, der zu meiner Verwunderung keine Flinte führt direkt an der Ecke des Wäldchens abgestellt hat, beginnt er umständlich hinter mir seinen Sitzstock mit Hilfe einer kleinen Astgabel im weichen Ackerboden aufzustellen. Meine Frage hinsichtlich seiner fehlenden Bewaffnung beantwortet er kurz mit dem Hinweis, dass auch ich irgendwann mal so alt wäre, dass ich gefährlicher für meine Mitjäger, als für die Hasen wäre und ich solle doch bitte einen Hasen für ihn mitschießen. Dann erklingt von weit her das Anblasen und wird von meinem Nachbarschützen erwiedert…ich habe Gänsehaut.
Von drüben von der noch nicht zu sehenden Treiberwehr hallen die ersten Schüsse herüber und bald erscheinen die ersten Hasen, als kleine braune Punkte auf den dunklen Äckern. Der ein oder andere Schuss ist auch bei uns Standschützen bereits gefallen, als vor mir der erste Hase quer zur Schützenkette durch das Wäldchen flüchtet und sich schließlich keine 20 Meter vor mir im hohen Gras drückt. „Saukerl“ brummt es hinter mir vom Sitzstock und aus dem Augenwinkel sehe ich den alten Herren unter seinem Hut hervorstrahlen.
Schließlich naht die Treiberwehr, bald 20 Schuss sind gefallen und meine Läufe sind immer noch blank, als vor mir im Wäldchen ein kleiner, schwarzer Drahthaar erscheint, kurz vorsteht und auf mein „Such voran!“ einspringt. Schon flattert ein bunter Gockel aus dem Schilf hervor, steigt steil zwischen Weiden und Pappeln empor und kommt mir dabei genau über Kopf. Im Nachhintenbeugen bringe ich die Flinte genau auf den Vogel und im Knall stürzt er hinter mir auf den Sturz. Schnell ist der kleine Drahthaar da, schnappt sich die Beute und verschwindet neben uns im Wäldchen, um seinen Herren nicht weiter mit leeren Händen über die Äcker stolpern zu lassen. Ein kurzer Kontrollblick zum Sitzstuhlbenutzer zeigt mir, man ist mit dem Erlebten offensichtlich zufrieden. Im selben Moment rappelt sich vor mir der Hasen aus seinem Versteck auf und rennt in wilder Flucht, mit angelegten Löffeln und weit aufgerissenen Augen erst durch Gestrüpp und dann über den halb rechts von mir gelegenen Acker. Ich ziehe mit und bin ziemlich sicher, den Hasen sauber erlegen zu können und lasse ihn trotzdem laufen. Irgendwie hat er mir leid getan, wo er sich doch so schon und lange vor mir gedrückt hat. „Jaja, einer für die Zucht!“, kommentiert mein Hintermann das Geschehen und klopft mir dabei auf die Schulter.
16 Hasen und zwei Gockel hat dieser erste Trieb erbracht, der Jagdherr ist mehr als zufrieden und die weiteren Treiben erweisen sich ebenfalls als sagenhaft wildreich. Im dritten Treiben streicht mir und meinem „Aufpasser“ ein gut 20köpfiges Volk Hühner über die Köpfe, dass es nur so purrt. Ein tolles und heute leider viel zu seltenes Schauspiel! Schließlich gegen 14 Uhr ist der Wildwagen fast voll und im letzten Treiben wird jedem Schützen nur noch ein Hase freigegeben Man will den Besatz nicht überstrapazieren und vor allem bekommt man wohl langsam aber sicher Bedenken ob des sicheren Absatzes. Ich stehe diesmal zusammen mit dem Senior am Ende eines langgezogenen Streifens „Hasenapotheke“ und warte auf die Dinge die da kommen mögen. Längst sind die Läufe meiner Flinte nicht mehr blank, habe ich doch in den zurückliegenden Treiben noch fünf Hasen und einen weiteren Gockel zur Strecke bringen können. Vor uns taucht wieder die Treiberwehr auf, die sich jetzt schon deutlich langsamer über die weichen Sturzäcker quält und mit Sicherheit den anhänglichen Boden der Rheinebene verflucht. Dann wird vor den Treibern ein Hase hoch, nimmt von den Hunden verfolgt richtig Fahrt auf und kommt mir, der ich am linken Flügel des Treibens postiert bin auf circa 30 Metern. Ich bin bereits im Anschlag, ziehe vor und im Schuss rolliert der Hase vorschriftsmäßig. „Waidmannsheil!“, kommt es von hinten „der hat nen Kopfschuss…ein echter Küchenhas’“.
Die Treiber sind mittlerweile bis auf 50 Meter heran, als es im vor mir liegenden Wildackerstreifen noch einmal richtig lebendig wird. Nach und nach machen Treiber und Hunde sechs Hennen hoch und schließlich zwei Fasanenhähne. Beide steigen schnell höher, und versuchen nebeneinander ihr Heil in der Flucht über meinen Nachbarschützen hinweg. Der, seines Zeichens ehemaliger Rheinland-Pfalz-Meister im jagdlichen Schießen, backt seine sündteure Purdey an, zieht mit und holt doch tatsächlich mit einem blitzschnellen Überkopf-Doppelschuss beide Hahnen als Dublette herab. Mit dieser eleganten Meisterleistung will es der Jagdherr dann auch für heute bewenden lassen und bläst das letzte „Hahn in Ruh’“ für heute.
Im abendlichen Fackelschein liegen dann auf dem Hof des Jagdherren 73 Hasen und 14 Fasanenhähne auf der Strecke, die Hörner hallen von den Wänden des jahrhundertealten Hofes wieder und das Hundegejaule erzeugt unter meinem Pullover wieder eine ordentliche Gänsehaut. Ja und beim alten Herren glänzen im Augenwinkel sogar ein paar Freudentränen…
Ein wunderschöner Jagdtag, mit guten Freunden, reicher Strecke und herrlichen Bildern ist vorüber und während der Heimfahrt nach einem langen Schüsseltreiben freue ich mich schon auf die nächste Jagd, in der Rheinebene, bei Markus und seinem Vater.
[ 16. November 2004: Beitrag editiert von: steve ]