Lieber Caracano,
was Du als Gewinn für die Jägerschaft deklarierst und als "Zitat aus dem Judikat" anführst, ist nichts anderes als der Gesetzeswortlaut des § 4 I Satz 2 TierschG, den das Gericht ja auch ausdrücklich als solchen anführt!
Oh, da haben wir ja direkt Glück gehabt, daß das BVerfG sich an geltendes Gesetzesrecht, an die Vorgaben des Gesetzgebers (Gewaltenteilung) hält. Scheint wohl doch noch ne´Demokratie hier zu sein! In einem Verfahren zur Frage der Schächtung hätte das BVerfG wohl kaum die zentrale Norm, die überhaupt Voraussetzung für das BJagdG, LJagdG und entsprechende Rechtsordnungen ist, "verwerfen" können und die Jagd in ihrer ureigensten Form für verfassungswidrig erklären können.
... war nämlich kaum Gegenstand des Verfahrens. Was Du uns als einen besonderen Gewinn verkaufst, ist nichts anderes als rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.
Darüberhinaus dürfte es mehr als fragwürdig sein, die Jagd auf eine Stufe mit dem Ausbluten von Tieren aufgrund ritueller Einstellungen zu vergleichen. Eines der obersten Gebote unserer Waidgerechtigkeit lautet, jede Form unnötiger Schmerzen zu vermeiden! Wenn Du Dir die entsprechende Folgepassage genau durchgelesen hast, wirst Du festgestellt haben, daß das BVerfG sich da einen "unforced error" eingehandelt hat. Die von ihr entworfenen Voraussetzungstrias wird vom Schächten zumindest in den ersten beiden Alternativen "sachlicher Grund" (Der Glaube ist dem Beweis nicht zugänglich und daher wohl kaum als Tatsache einzuordnen) und "Herkommen" nicht erfüllt. Es bliebe nur die "gesellschaftliche Akzeptanz". Anstatt sich fragwürdige Gedanken über den Begriff der Religionsgemeinschaft zu machen hätte das BVerfG klar Stellung beziehen müssen, was in dieser Gesellschaft akzeptiert wird, welche Handlungen und Einstellungen von unserer Wertordnung gedeckt werden. Ganz offensichtlich war dies dem Gericht - knapp ein Jahr nach der Debatte um die deutsche Leitkultur - zu heikel. Die entscheidende Frage, aus welchem Grunde das Schächten als Töten ohne vorherige Betäubung anerkannt werden soll, bleibt offen. In den Urteilsgründen erfolgt keine Subsumtion unter die selbst aufgeworfenen Voraussetzungen, sondern das ganze sieht nach einer "Gesamtanalogie" aus ... na, ja!
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von carcano:
Das betäubungslose Töten von Tieren auf der Jagd wird nach wie vor als legitimer Grund des Herkommens und der gesellschaftlichen Akzeptanz vom BVerfG respektiert und akzeptiert, wiewohl es keinesweg sachlich zwingend ist (Distanzinjektionswaffen einerseits, Fangmöglichkeit - z.B. Saufänge, so beliebt zur Wildfleischgewinnung in der ex-DDR - andererseits). <HR></BLOCKQUOTE>
Distanzinjektionswaffen ...
... da muß man mal drauf kommen! Ich habe aus diesem Anlaß in Deinem Profil nachgeschaut und festgestellt, daß Du - zumindest ausweislich dessen - kein Jäger bist. Das ist nicht schlimm, sondern - ganz im Gegenteil - sehr schön, daß Du Dich hier beteiligst ... aber vielleicht solltest Du Dich da nicht ganz so weit aus dem Fenster legen und die Jagd in Deutschland in ihrer gegenwärtigen Form nicht als sachlich unbegründet bezeichnen.
Distanzinjektionswaffen - Hallo, wir jagen hier auf WILD in freier Wildbahn und nicht auf eingegattertes VIEH. Weißt Du, wie lange die Betäubungsmittel brauchen, um anzuschlagen, welche Bedeutung ein Wildprettreffer für die Wirkung des Serums hat, das sich eben nur zu einen Bruchteil entfaltet? Aber dann lassen wir mal den ersten koordinationsunfähigen Feisthirsch über die Bundesstraße taumeln, die erste angetäubte Ricke sich am Steilhang das Genick brechen, den 100kg-Keiler im Dorfteich ersaufen, den angeflickten Fuchs mit Spritzenpfeil den Bau erreichen ... Nachts auf Sauen führen wir dann 3,4 verschiedene Dosierungen mit, jeweils für Frischlings-, Überläufer und Hauptschweinklassen? Die Treiblandungen der Dosierungen unterfallen dann noch einmal in verschiedene Laborierungen, jeweils in Abhängigkeit der Schußentfernung ... Die nächtliche "Nachsuche" erstreckt sich dann beim rauschigen Keiler eben über 7-8 Reviere, im jeweils letzten Bezirk wird dann um 3.00 Uhr der zuständige Jagdausübungsberechtigt wegen des Fangschusses wachgeklingelt. Um 7.00 Uhr wäre der Basse nämlich wieder auf den Läufen! Aber wie gerade angedeutet, wenn man Glück hat, ist er ja an ´nem Dorfteich vorbeigekommen. *Hüstel*
Was die zweite, der von Dir vorgeschlagenen Alternativen angeht ("Fangmöglichkeit"), so solltest Du das einmal einem Tierschützer vorschlagen. Betäubung setzt Lebendfang voraus! Frag ihn mal nach seiner Meinung ... Für uns Jäger ist die Fallenjagd deshalb notwendig, weil wir dem nachtaktiven Raubild ansonsten überhaupt nicht (Bsp: Marder) oder nicht in angemessener Form (Fuchs) habhaft werden können. Aber ich stelle mir gerade Fallenjagd auf Rot- und Rehwild, auf Krähen und Hase als einzig "sachlich begründete" Jagdform da, ... wegen des Tierschutzes. Ahhhhh!
Wie gesagt: Es ist ganz sicher nicht verwerflich, wenn jagdliche Laien in diesem Forum eben laienhafte Fragen stellen und ihre Ansichten vorbringen. Ihnen wird sogar gerne geholfen! Beides ist begrüßenswert und Zeugnis der Toleranz! Es ist aber schon bemerkenswert, wenn Du einfach so, mit -gelinde gesagt- haarsträubenden Argumenten der gesamten gegenwärtigen Jagdpraktix ihre sachliche Legitimation absprichst.
Juristisch bedeutet dies im Übrigen, daß die Jagd keineswegs aufgrund des "Herkommens und gesellschaftlicher Akzeptanz" (wie Du schreibst) geduldet wird, sondern weil ein sachlicher Grund besteht, eben das Fehlen einer denkbaren, praktikabelen Alternative.
Nachdem ich in meinem ersten Posting den Leitartikel der FAZ und verschiedenen Mängel aufzählte, woran die Urteilsbegründung zu leiden hätte, antwortest Du mit "Die Begründung ist gut!":
- Argumente dafür: Fehlangzeige
- Inhaltliche Auseindersetzung mit meinen Gründen: Fehlanzeige
- Nennung von Aspekten des von Dir zitierten Artikels auf S.41: Fehlanzeige
- ... Dafür aber die treffende Anmerkung, daß dieser schließlich länger sei!
Tut mir leid, aber Deine juristische Argumentationsweise korrespondiert hier auf das Einträchtigste mit der jaglichen. Ich kenne Dich besser, auch in WO finde ich sehr gute, durchdachte Beiträge von Dir, die ich vollumfänglich unterschreiben könnte. In diesem Fall aber gilt, um im Bild Deines obigen "*Lächel*"-ns zu bleiben: Wer zuletzt lächelt, lächelt am Besten ... und hat vor allem mehr davon!
Freundlicher Gruß
Reineke
P.S: Das Urteil an sich, reizt mich -wie gesagt- leider nicht zum Lächeln. Ein weiterer interessanter Aspekt ist auch, daß das Gericht zur Stützung seiner Entscheidung auf die Glaubensfreiheit der Kunden des Metzgers rekurriert. Auch diese hätten einen schützenswerten Anspruch auf "reines" Fleisch. ... Nur schade, daß die entsprechende Implikation lautet, daß damit auch jeder deutsche oder christliche Metzger das Recht hätte, für die entsprechende Kundschaft zu schächten!
[ 18. Januar 2002: Beitrag editiert von: Reineke ]