Das "bleifreie" Geschossuniversum

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Hallo Forum,

nach nun fast 10 jagdlichen (bleifrei) Jahren kann ich für mich ein kleines Zwischenfazit ziehen, was vielleicht für den einen oder anderen interessant sein könnte. Sollte jemand andere Meinungen, Erfahrungen oder Erkenntnisse gewonnen haben oder vertreten, kann er das von mir geschriebene gerne schnell vergessen bzw. statt zu kommentieren gerne auch seine Sicht der Dinge hier niederschreiben.

Im Jahre 2015, mit Einführung der gesetzlichen Bleifreipflicht für Büchsengeschosse in NRW, begann ich mich mit der Bleifreithematik theoretisch und praktisch zu beschäftigen. Das anfangs noch dünne Angebot von bleifreier Fabrikmunition für europäische Kaliber brachte mich dazu meine Wiederladertätigkeit zu starten. Ich habe dann in den Kalibern 7x64, 308 win und 30-06 jagdliche Erfahrungen, hauptsächlich auf Reh-, Schwarz- und Damwild sammeln können. Schussentfernungen 0-150 m, größer 150 m nur vereinzelt deshalb für mich ohne statische Relevanz.

Deformationsgeschosse

Hier war es so ziemlich egal ob diese aus Tombak oder Kupfer, mit oder ohne Plastikspitze, Boattail oder Flachboden, vernickelt oder nicht, „super duper BC“ oder den BC einer „Schrankwand“ hatten.

Passte die herstellerseitige min. Vziel konnte ich tendenziell keine unterschiedliche Tötungswirkung ausmachen. Bei den Laufablagerungen schienen die Geschosse mit Führbändern Vorteile zu haben.

Wer für seine Revierverhältnisse (Schussweiten) und Waffe (Lauflänge) die richtige Kaliber/Geschossgewichtsklasse wählt, wird m. M. keinen Wirkunterschied zwischen einem Barnes, Hornady, Sako, Fox, …. ausmachen können. Der Rest scheint eher Marketing zu sein. Also das nehmen was gewichtsklassenbereinigt am besten aus der Büchse fliegt und gut verfügbar ist.

Die Fleisch-/ Knochenleistung ist gegenüber einfachen Bleigeschossen (Teil- oder Vollzerlegern) deutlich höher. Und dies bei viel besserer Wildbretschonung. Somit bringen auch Mittelkaliber der unteren Leistungsskala eine erstaunliche Fleisch-/ Knochenleistung welche deren Eignung auf schweres Wild deutlich verbessert. Ähnliches gilt aber auch für gebondete Bleigeschosse, um die soll es aber hier nicht gehen.

Bleifreie Teilzerleger (unkontrollierte Teilzerlegung)

Hier habe ich Erfahrungen mit dem Geco Zero, RWS Evogreen und LOS HT gesammelt. Da ich bei diesen Geschossen eher weniger Abschüsse getätigt habe, sind meine Erfahrungen hier wohl weniger vergleichbar. Insgesamt meine ich vor allem auf DJ Distanzen mehr Augenblickswirkung festgestellt zu haben. Bei dem Zero und Evogreen mehr als bei dem LOS. Wildbretentwertung war deutlich mehr. Vor allem einzelne, abgehende Splitter führten oft zu unnötigen Beeinträchtigungen. Nicht immer richtungsstabiler Restbolzen.

Bleifreie Teilzerleger (kontrollierte Teilzerlegung)

Hier habe ich Erfahrungen mit dem möllerschen Flitzer/Kreuzer und den OK+ gesammelt.

Weniger Augenblickswirkung als beim Zero/ Evogreen aber meist nur sehr kurze Totfluchten. Gute Schweißfährte die Regel. Einzelne größere Splitter mit guter Durchschlagskraft und richtungsstabiler Restbolzen. Dies machte sich vor allem bei schwererem Wild positiv bemerkbar.



Fazit:

Bei den bleifreien Deformatoren ist das Konstruktionsprinzip/ Wirkprinzip eigentlich immer gleich. Unterschiede sind hier m. M. eher von theoretischer oder werbetechnischer Natur.

Bei den bleifreien Zerlegern scheint mir das Prinzip von vordefinierten „großen“ Splittern mehr Vorteile als unkontrolliertes kleines splittern zu geben. Dies gilt vor allem für die Jagd auf schweres Wild. Hier würde ich eindeutig die möllerschen oder die OK+ favorisieren.

Die bleifreien Geschosse sind damit grob in drei Konstruktionsarten unterteilbar. Jagdlich sind Unterschiede innerhalb der Konstruktionsart m. M. nach vernachlässigbar. Der Einsteiger/Umsteiger von Blei auf bleifrei sollte also nicht so sehr den Werbesprüchen folgen, sondern als erstes die Vorauswahl des Wirkprinzips treffen (Zerleger/Deformator) und dann schauen was am besten aus der Büchse fliegt. Sollte er nicht zufrieden sein bringt der Wechsel auf ein anderes Konstruktionsprinzip mehr als der Wechsel innerhalb des gleichen Konstruktionsprinzips. Bei Deformatoren kann auch ein Wechsel des Geschossgewichtes einen deutlichen Unterschied bringen.
 
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Wheelgunner_45ACP

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Super geschrieben, deckt sich so ziemlich mit meiner Erfahrung und der im jagenden Bekanntenkreis. Wobei in meinem Umfeld bleifreie Deformatoren deutlich häufiger eingesetzt werden.

Als in BY lebender muss ich noch nicht, mache es aber dennoch in einigen Kalibern. Je nach Treffer und Situation sind im gleichen Kaliber vorher Rehe immer wieder mal 20 bis 30m gelaufen und das machen sie jetzt auch noch. Fallen aber genau so häufig innerhalb von 5m um.

Was ich hier allerdings immer wieder erlebe, ist, dass man Bleifrei per se verteufelt. Und selber derjenige überhaupt keine Erfahrung damit hat.
 
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Wieviel Wild hast Du denn jeweils mit einem Geschoss erlegt?
Da braucht’s nämlich schon eine große Menge, bevor man eine fundierte Aussage machen kann…
Gruß Bäri
Ich habe bewusst keine Abschusszahlen genannt um mich nicht in wissenschaftlichen Grabenkämpfen und labortheoretischen Diskussionen wiederzufinden. Meine Erfahrungen erheben natürlich keinen wissenschaftlichen oder allgemeingültigen Anspruch. Deshalb schrieb ich auch meine persönlichen Erfahrungen.
Jagdlich lassen sich aber dennoch Tendenzen erkennen. Ich jage aber nicht in genormten Versuchslabor auf ballistische Seifenblöcke.
 
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Was ich hier allerdings immer wieder erlebe, ist, dass man Bleifrei per se verteufelt.
Das war in den ersten Jahren der Bleifreipflicht hier in NRW auch. Mittlerweile haben alle eigene Erfahrungen sammeln können und auch die Vorteile der bleifreien erkannt. Natürlich gibts vor allem bei der Schweißfährte Unterschiede.

Für mich war bei den bleifreien Deformatoren vor allem interessant, dass gewichtsklassengleich und kalibergleich die jagdlichen Ergebnisse eigentlich gleich waren. Die jagdliche Relevanz bestimmter Geschossformen, Plastickspitzen oder Materialen scheint nicht oder nicht ausschlaggebend zu sein.

Dies führte bei mir dazu, dass mein Focus bei der Wahl der Deformatoren sich eher auf die Kriterien "erzielbare Präzision" und "Verfügbarkeit" beschränkt hat. Sind die Geschosse dazu im Vergleich der Mitbewerber günstiger, ist dies durchaus begrüßenswert.
 
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Guter Beitrag und schöner Anstoß über Erlebtes nachzudenken.

Ich war auf der letzten Drückjagd mit einem älteren Herren im Gespräch. Ich hatte Jagderfolg und er fragte, was ich denn schießen würde, da der erste Eindruck der Entwertung am Aufbruchplatz ja sehr gut sei.
Reichenberg hatte er noch nie gehört, was auch völlig okay ist.
Aber mit bleifreiem Zerleger tat er sich dann doch sehr schwer. X Jahre Geco TM prägen wohl etwas...
Angesprochen auf seine Handhabe in den Forsten sagte er etwas, was ich so schnell nicht vergessen werde: „Junge, wir Profis haben immer eine Packung bleifrei in der Tasche, aber die ist schon mindestens 10 Jahre ungeöffnet.“
 

Wheelgunner_45ACP

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Kenn ich von den alten Herren am Stammtisch und daheim am Esstisch.
Noch nie bleifrei geschossen, aber wissen, dass es nicht funktioniert.
Oder auch, wenn eine bleihaltiges Geschoß mal nicht das bringt, was es soll - beispielsweise Steckschuss - dann wird das schulterzuckend mit einem "Ausreißer, ist halt so" akzeptiert. Bleibt in ähnlicher Situation ein TTSX und Co bei gleichem Kaliber stecken, ist es ein weltuntergangsmäßiges Geschossversagen.
 
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Habe bisher eigentlich nur Deformatoren aktiv benutzt und bin jetzt eigentlich bei den Fox hängen geblieben. Habe noch ein paar Barnes, die auch gut wirken, die verwende ich auch.
Einige geladene Patronen habe ich noch in Bleifrei, werden meist fürs Kino verwendet.
Alle Kaliber habe ich aber auch noch nicht umgestellt bzw. in der Praxis probiert.
Bei vielen der älteren Semestern, ist Bleifrei sowas wie das Weihwasser für den Teufel.
Hatte aber auch einen Repetierer den ich nicht in Bleifrei zum schießen brachte. Die ersten Schüsse kamen sogar quer an. Habe die Waffe dann verkauft. War auch nur sehr sehr selten im Einsatz.
 
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Legt man beispielsweise nur mal den Fokus auf die merklich größere Fleisch- und Knochenleistung eines bleifreien Deformationsgeschosses (Massenerhalt annährend 100%) gegenüber einem Teilmantelgeschosses (nicht gebondet) wird klar das bleifrei eine andere Betrachtungsweise erfordert als Blei.

Dies gilt auch für die Geschosswahl hinsichtlich des Geschossgewichtes. Hier ist oftmals bei bleifrei weniger mehr.

Ich erwarte von einem 150 grain Barnes, einem 150 grain Hornady, einem 150 grain Fox, ..... keinen merklichen Unterschied hinsichtlich der Tötungswirkung. Die vielen angeblichen revolutionären Neuentwicklungen im Bereich Deformatoren sind für mich mittlerweile eher von marketingtechnischer Natur.
 
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...
Hatte aber auch einen Repetierer den ich nicht in Bleifrei zum schießen brachte. Die ersten Schüsse kamen sogar quer an. Habe die Waffe dann verkauft. War auch nur sehr sehr selten im Einsatz.

Darf ich fragen, was das für Repetierer waren? Für mich erscheint es nicht wirklich eingängig, dass ein Repetierer, der vorher mit bleihaltigen Geschossen funktioniert hat, bleifreie quer auf die Scheibe befördert.

Zum Impala Geschoss (mit beschleunigter Radialluft) gab es ja in den Anfängen Berichte, dass da Geschosse nicht richtungsstabil unterwegs waren.


grosso
 

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