Ursächlich ist ganz einfach in erster Linie deutsche Jagdtradition und menschliche Eigenart.
Einigen wir uns aus "menschliche Eigenart", wenn man z.B. nach Neuseeland schaut, treibt dort die Trophäenzucht noch ganz andere Blüten - und übrigens nimmt dort an diesem Gigantismus auch kein Mensch Anstoß, ebenso wenig, wie in anderen Ländern. Die trophäeng@ilsten Knaller sind mittlerweile die Amis und die Russen. Dagegen ist das, was in deutschen (Rotwild)Revieren abläuft, geradezu lächerlich.
Und für manche Schützen ersetzt mittlerweile die Zahl die Güte.
Je größer, doller, schwerer - desto eindrucksvoller und wichtiger.
Der Mensch möchte kategorisieren, einordnen und bewerten. Und er protzt gern...
(Wild)Biologisch stellen die Schönheitsanforderungen an ein Rothirschgeweih nach beidseitiger Krone nicht der Weisheit letzter Schluß dar. Letztlich ists ein naturgemachtes sekundäres Geschlechtsmerkmal eines männlichen Cerviden, nicht mehr.
Die "Güte" eines männlichen Wildtiers nach der Geweihausprägung festzulegen, ist eigentlich menschengemachte Überheblichkeit. Man will biologische Vorgänge einschätzen, die man nie ganz beurteilen kann.
Dem Alttier ists völlig egal, ob sich ein alter Zehner oder ungerader Zwölfer am Brunftplatz durchsetzt und es beschlägt oder ein Kofu-Hirsch mit 20 Enden, solang er gesund ist.
Natürlich sinds oft die endenreichen Hirsche der Mittelklasse, die als Platzhirsche auch Rivalenkämpfe für sich entscheiden, aber biologisch notwendig ist solch Geweih nicht.
Ein leichteres endenärmeres Geweih ist sicherlich eine bessere Abwehr-Waffe gegen den Wolf.
Entscheidend für die Vitalität einer Population ist ein gesunder Alterklassenaufbau. Beim Rotwild ist der alte Hirsch (wenigstens 10+) sehr wichtig: für das Geschlechterverhältnis des Nachwuchses, einen ordentlichen Brunftablauf und eben kräftige Kälber im nächsten Jahr !
Und statt auf DIESER Erkenntnis aufzubauen, und der "Geweihgüte" einfach einen andern Sinn zuzuweisen (zu dem ich gleich komme), ignoriert die ach so aufgeklärte und "moderne" Rotwild-Jägerschaft alles und driftet in das typisch teutsche andere Extrem, insbesondere in der Jugendklasse einfach alles über den Haufen zu schießen, was "Hörner zwischen den Ohren" hat...
Beliebtes Spiel insbesondere bei Verkaufsjagden oder Jagden, bei denen unerfahrene Schützen ohne jegliche Vorgaben auf Rotwild losgelassen werden (ist ja klar, Hörner lassen sich besser ansprechen als dass man ein Alt- von einem Schmaltier unterscheiden könnte) - s. Nachbarfaden zum Thema K&K-Premiumjagd...
In der Jugendklasse müssen einfach genügend Vertreter erlegt werden, damit genug Mittelalte älter werden können. In großen Populationen werden auch ein paar Mittelalte geschossen, in aufgeklärten Revieren ohne Gütetrennung.
sic! Der kleingeistige Revieregoismus ist überall die Pest, denn während die "Zahl vor Wahl"-Vertreter die männliche Jugendklasse in ihrem Einzugsbereich übermäßig ausdünnen, vergreift sich die "andere Seite" nur zu gerne mal in der eigentlich zu schonenden Mittelklasse.
BEIDE Parteien sind dabei herzlich wenig an irgendwelchen Regeln oder einer wirklich revierübergreifend sinnvollen Rotwildbewirtschaftung interessiert, insbesondere, wenn Verstöße nicht wirklich sanktioniert werden (können).
Das Ergebnis ist in den meisten RW-Gebieten dasselbe, ein eklatanten Mangel an alten Hirschen, ein deutlich verschobenes Alters- und Geschlechterverhältnis.
Wenn, wie in einem mir bekannten RW-Gebiet über Jahre hinweg die Zahl der Hirschkälber und Spießer die der Wildkälber und Schmaltiere deutlichst übersteigt, muss man sich nicht wundern, wenn der Bestand zahlenmäßig aus dem Ruder läuft und der der Anteil an wirklich alten Hirschen nur ein Bruchteil des "Solls" beträgt.
Der Teufelskreis ist SO jedenfalls nicht zu durchbrechen.
Die Geweihentwicklung geht auf deutlich weniger Genetik zurück, als auf die Umwelt, auch das weiß man heute (Habitatgüte, Äsung, Ruhe(!), v.a. Rang des Mutter-Alttiers).
Durch die Selektion der kronenlosen Hirsche als Jünglinge gibts oft gar keine mittelalten "Abschußhirsche" mehr ("2b"). Gern wird dann statt des 10jährigen ein 8jähriger 14er als "Erntehirsch" hingelegt und man lügt sich bei der Altersbestimmung am Stück was in die Tasche.
Wirklich alte Hirsche sind vielerorts selten geworden; dabei kann Rotwild deutlich älter als 10 Jahre werden und immer noch vital sein.
Das Ganze wird auch nicht besser, wenn zusätzlich zu der kronenlosen Jünglingen auch noch die MIT Krone vor den Kopp geschossen werden, weil ja angeblich ach so viele da sind...
Insofern - und da knüpfe ich an oben an - wäre gerade und v.a. BIS zur Altersklasse I die GeweihGÜTE ein recht einfaches Kriterium, um eine ausreichende Zahl von Hirschen wirklich alt werden zu lassen. Dies gilt gerade für unerfahrenere Rotwildjäger die den körperlichen Zustand als Differenzierungsmerkmal NICHT beurteilen können - oder solche, für die nur die absolute Zahl der eliminierten "Baumfresser" zählt.
Mir ist jeder gesunde endenarme Hirsch mit "unegaler", gern abnormer Trophäe interessanter und lieber als der gleichmäßige "Jägermeister"-Hirsch, wenn er denn der Altersklasse entstammt, die ich frei habe...Mich interessiert vor allem, ob ich das Stück nach Altersklasse richtig ansprechen kann.
Das ist sicherlich richtig, und auch hier KÖNNTE man fachliche Abhilfe schaffen, indem man das Zielalter einfach vom 10. auf den 12. Kopf setzt, denn das richtig Ansprechen eines wirklich alten Hirsches ist in den meisten Fällen leichter als die Unterscheidung zwischen einem Hirsch vom 8./9. von dem mit dem 10. Kopf.
Ja, und natürlich bedeutet mir jede Rotwild-Trophäe schöne Erinnerungen an erlebnisreiche Jagd, wenn ich zu ihnen an der Wand schaue. Enden und Kilo sind mir dabei aber ziemlich egal. Ich weiß nicht mal, wieviel Kilo die wenigen Älteren wiegen, die hier hängen. Aber ich erinnere jederzeit mit Freude, wie die spannende Jagd ablief und die Begebenheit im Gelände !
Ich respektiere diese letzten großen Wiederkäuer - heute ist Rotwild eine Konflikt-Art, die nicht unter die vielen Kulturfolger-Arten passt, die heute überall anzutreffen sind...
Aber die gesamte Art der Bejagung aufs Geweih auszurichten, ist mehr als kurz gedacht und wird der Wildart nicht gerecht.
das Geweih völlig zu ignorieren ist nun aber auch weder biologisch möglich, noch eine Lösung...