Heute Abend geht nix, draußen stürmt und regnet es, dunkel und keine Chance irgendwas zu sehen. Vom erlegen ganz zu schweigen…
Ich habe im Mai meine Prüfung gemacht, zwei Tage später konnte ich zum Hegeringschießen. Abends ruft ein Bekannter an: "willst Du mit raus?" Dumme Frage- er jagt u.a. in einem großen befriedeten Bezirk mit Sondergenehmigung (altes Militärgelände mit ziviler Nutzung und er darf auch zusätzliche Jäger mitnehmen!), und so bin ich gleich abends mit raus. Erstmal übers Gelände gefahren, ein paar signifikante Punkte angeschaut, anschließend auf ein altes Gebäude von dem man aus schön in den Ginster schauen kann. Es dauert keine 10 Minuten, da wackelt es und ein Bock tritt aus. "Ui, hinter dem bin ich schon ne Weile her"- und gibt ihn mir frei. Ich drehe das ZFR auf volle Vergrößerung, aber es ist mir dann doch etwas weit für den Anfang. Der Finger bleibt gerade.
Zwei Tage später sind wir wieder da und er stellt mich auf die andere Seite der Ginsterhecken, weil der Wind gedreht hat. Ich hänge meine Büchse an einen Lichtmast, mache ein Foto, freu mich über das schöne Wetter, drehe mich um und glase den Ginster ab- ja wer ist denn da?! 80m von mir weg, tritt der Bock wieder aus der Hecke raus und fängt an zu äsen. Noch ist kein Kugelfang, aber ich lege schon mal auf einem Blechkasten auf, unter dem der ganze Elektrokram für den Lichtmast untergebracht ist. Der Bock zieht weiter, einen kleinen Abhang hinunter, steht breit, steht ruhig, dreht den Kopf um zu äsen an den Hecken…. Bumm! Mein erster Schuss draußen, in der Aufregung den Gehörschutz vergessen, und dann auf dem Blechkasten aufgelegt. Ich höre erstmal nix, nur Pfeifen, und merke jetzt erst dass ich am ganzen Körper zittere. Der Kasten hat den Schussknall ordentlich verstärkt, was meine Aufregung nicht weniger werden lässt. Aber der Bock ist nicht mehr zu sehen.
Ich warte bis ich mich beruhigt habe, suche dann die Hülse im Gras, finde sie und stecke sie dann in die Tasche. Gehe los, frage mich was mich gleich erwarten wird, gehe durch eine kleine Senke, komme an einem Asphaltweg an, blicke nach links- da liegt der Bock. Aufs Blatt abgekommen, vom Schuss umgerissen und keinen Mucks mehr getan. Völlig konsterniert kram ich mein Handy raus und will meinen Begleiter anrufen, da höre ich schon sein Auto. Er hat 300m weiter an einem Regenrückhaltebecken gesessen, und mir in aller Seelenruhe durchs Glas zugeschaut, wie ich meinen ersten Bock strecke. Aber das hier ist ein anderer Bock, jünger und weniger Gehörn. Aber dennoch ein braver Bock!
Mit immer noch zittrigen Händen dann aufbrechen. Habe ich in der Ausbildung schon ein paarmal gemacht, aber da war's noch was anderes, mit viel mehr Ruhe, meinem Mentor der mir alles erklärt hat. Kein überladener Adrenalinpegel, keine diffuse Gefühlslage… ich krieg trotzdem alles ohne Unfall hin, und auch ohne mir in die Flossen zu schneiden. Verladen, zu ihm fahren, auswaschen, in die Kühlung. Schnaps trinken. Und noch einen.
Ich hab die folgenden Wochen und Monate oft vergeblich und ohne Anblick gesessen, und mich daran erinnert wie der erste Bock mir fast schon zugeflogen ist. Und die Erkenntnis ist gereift, dass es einer Menge Geduld und auch Intuition bedarf, um ein Stück zur Strecke zu bringen. Wäre Jagd planbar, dann würde ich schon nicht mehr rausgehen. Mir liegt auch nichts an riesigen Trophäen, aber das Gehörn habe ich mit meinem Mentor gemeinsam präpariert und es hängt jetzt an der Wand. Und die Erinnerung bleibt hoffentlich für immer, an den schönen warmen Maiabend. Auch wenn's draußen stürmt und die Jalousien klappern :-D
P.S. ich krieg das Foto leider nicht gedreht...