@Perdixeinbürgerer:
Im Prinzip alles richtig, aber mit vielen "Aber".
Stacheldraht gibt es erst seit etwa 1870.
Hier in D wurde das Vieh in vielen Gegenden noch bis nach dem 2. Weltkrieg ohne Zaun gehütet. Meine Großeltern waren noch als Hütekinder unterwegs.
Weidezäune im heutigen Sinn sind also eine sehr junge Erfindung.
Einer meiner Großvater wusste auch noch von den Streitigkeiten zu berichten, wer welchen Straßengraben, Saum etc.für sein Kleinvieh abmähen durfte.
Gleichzeitig waren auf den Wegen aber viele Zug- und Weidetiere unterwegs, die ihren Kot und Urin hinterlassen haben. Der Kot wurde teilweise wieder eingesammelt, der Rest wanderte früher oder später an die Ränder. In Asien wurde teilweise sogar der Urin aufgefangen. "4000 Jahre Landbau in China, Korea und Japan" hast du vermutlich schon mal gelesen? Da liefen auf den Wegen die Kinder den Zugtieren nach und müssten schnell ein Gefäß hinhalten, wenn das Tier den Schwanz zum Urinieren hob, um den wertvollen Dünger nicht zu verschwenden.
Winterfutter wurde nie in den Mengen geboren, wie es heute üblich ist. Und im Herbst und Winter wurden die Flächen idR abgeweidet, mit den eigenen Tieren und in Verpachtung an Wanderschäfer. Nachtkoppeln im heutigen Sinn gab es wohl besonders in Regionen mit starken Wolfsproblemen. Solange die Zäunung so aufwändig war, wurde der Kot dort wohl abgesammelt und abtransportiert. Heute werden die Nachtkoppeln ja meist mit Elektrozaunnetzen auf wechselnden Flächen errichtet. Oder, wie in Teilen Afrikas noch üblich, regelmäßig gewechselt und die aufgedüngten Flächen dann als Ackerland benutzt.
Eine 100%ige Abfuhr wie heute fand aber fast nirgends statt.
Liest du das landwirtschaftliche Wochenblatt? Da gibt es immer wieder mal Auszüge aus historischen Ausgaben. Neulich erst war in so einem Auszug vom Wert der Jauchedüngung auf dem Grünland zu lesen.
Soweit ich es im Blick habe, fand der Nährstofftransfer mehr vom Wald auf den Acker statt.
Solange es den Herdenzug noch gab, gab es auch diese starke Konzentration von Nährstoffen nicht, wie wir sie heute auf den Standweiden an Ruhe- und Tränkeplätzen betrachten. Und kleinräumige Nährstoffverlagerungen werden durch Kleinlebewesen uns Wasser zum Teil wieder ausgeglichen. Bei mir unter den Zäunen reichern sich in den meisten Bereichen die Nährstoffe eher an als ab. Besonders die Wiesenameisen siedeln sich dort gerne an, weil sie unbehelligt vom Tritt der Rinder ihre Erdnester bauen können, und verlagern entsprechend viele Nährstoffe dort hin.
Die Viehgangeln quer zum Hang kenne ich so auch nur von Standweiden, also durch eine vom Menschen künstlich geschaffene Situation. Wo große Herden ziehen, gehen die Tiere an den Flanken auch im Gebirge die Hänge weit hoch. Aber wo z.B. in Nordamerika noch große Karibuherden wandern, habe ich (auf Bildern, ich war noch nicht dort) keine ausgeprägten Gangeln erkennen können.
Dein Foto oben zeigt schön, wie eine Überweidung der Pflanzen durch Dauerstandweide entsteht. Die Pflanzen werden in 2 bis 3 Stufen heruntergefressen bis über den Boden. Dann investieren sie Ihre Reserven in einen schnellen Wiederaustrieb, der aber durch die immer noch auf der Flächen stehenden Tiere gleich wieder verbissen wird, und dann mickern sie mit ihrer verbliebenen Photosynthesefläche und ohne Reserven vor sich hin. Am ehesten überstehen das die Arten, die flach am Boden kriechend wachsen können, wie Rispe und Weißklee. Der Rest stirbt durch den wiederholten Verbiss mit der Zeit weg.
Wenn man das Weidemanagement ändert, den Verbiss des Wiederaustriebs so unterbindet und den erwünschten Zielpflanzen ausreichend Zeit zur Erholung vor dem nächsten Weidedurchgang gibt, zeit auch wieder Vielfalt ein.
Flächen mit einem hohen Anteil überweideter Pflanzen dagegen können Nährstoffe schlecht halten und haben Probleme bei der Wasserversickerung und -Speicherung.
Schau mal diesen Versuch mit dem Regensimulator an:
https://www.youtube.com/watch?v=-ua0c99i7BY
Das vordere Glas fängt jeweils auf, was oberflächlich abläuft. Das hintere Glas, was durchsickert.
Die Problem vom links nach rechts:
1) "Native Rangeland" ("Natürliches" Weideland, bin nicht ganz sicher, was das in diesem Fall ist.
2) "Rotational Grazing" (Rotationsweide)
3) "Seasonlong Grazing" (Dauerstandweide)
4) "No-Till" Ackerland (Direktsaat ohne Bodenbearbeitung)
5) konventionelles Ackerland mit intensiver Bodenbearbeitung
Interessant sind v.A. die Unterschiede zwischen 2 und 3 und zwischen 4 und 5.
Sowohl die überweidete Fläche als auch das Ackerland mit Bodenbearbeitung haben ein echtes Erosions- und Nährstoffverlustproblem. (Wobei ganz rechts bei 5. wohl irgendwas undicht ist und deshalb nicht alles ablaufende Wasser im Glas landet).
Unsere Vorfahren haben den europäischen Böden schon vor tausenden von Jahren durch Weide-Misswirtschaft massiv geschadet. So kam es auch zur großflächigen Ausbreitung von Heideflächen von Spanien bis hoch nach Skandinavien (die heute großteils wieder rückgängig gemacht wurde) und zu der massiven Erosion im ganzen Mittelmeerraum.
Auch Nordafrika, einst die Kornkammer des römischen Reichs, wurde durch die Misswirtschaft zerstört.
Das gute ist, dass wir heute ein gewisses Grundwissen haben, wie man die Böden durch gutes Management wieder sanieren kann (was als Nebeneffekt auch massenweise CO2 in Form von organischer Masse wieder in die Böden einlagert).