In alten Gefilden

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In alten Gefilden

Manchmal sieht man sich eben doch zwei Mal im Leben – das kann auch für Reviere gelten.
Viele, viele Jahre durfte ich in einem schönen Taunus-Revier eines alten Bekannten wirklich tolle Jagden mitmachen. Das hügelige Revier hat viele Schwarzdornhecken, in denen wir alljährlich mit der Meute des berühmten „Pfui-Pfeeeerd!“-Stefan „FPunkt“ herum wirbelten.

Was waren das für abwechslungsreiche Jächtelchen, ich erinnere mich an ein paar besondere Strecken: einmal kamen wir auf 3 Sauen, 3 Rehe, 3 Füchse, 3 Hasen, meist aber regelmäßig alleine auf Fuchsstrecken irgendwo zwischen 10 und 20. Zwei Mal mussten wir schon nach dem ersten Treiben abbrechen, weil wir 16 bzw. 17 Sauen erlegt hatten, was den Pächter zu einem breit grinsenden „Des reischt für hoid, is ja bessä wie Kino! Auf, mir gehn des Spanferkel fresse!“ veranlasste. Zwei Jahre später lagen am Ende des Tages 13 Sauen, 5 Rehe, 18 Füchse, 2 Hasen und 1 Kaninchen. Mein persönliches Highlight waren nie wieder erlebte fünf Füchse, davon zwei als Doublette, und ein Hase innerhalb von 10 Minuten auf einem Stand, im Verlaufe des Tages kamen noch zwei weitere hinzu – irre.
Ab und an war ich hier auch nachts ein Wenig unterwegs, es war immer spannend und abwechslungsreich. Einmal pirschte ich bei Neuschnee im Nachbarrevier einer frischen Überläufer-Fährte hinterher, bis sie schnurstracks - bei vollstem Vollmond!- ins offene Feld hinaus und in den Wildacker eben dieses Reviers führte. Dort stand das Borstenfies dann in aller Ruhe und ließ sich den trockenen Mais schmecken. Was tun? Es war fast Mitternacht, aber man kann es ja mal probieren… Schlaftrunken nahm der Pächter ab, das Gespräch war, wie immer unter Männern, zielgerichtet kurz:
“Wasisnlos?“
“Stefan, ich bin hier in W. einem Überläufer nachgepirscht – jetzt steht der Kollesch aber bei Dir im Wildacker!“
“Bring´ en mit, häng´en noi –Tuuuuuuuuut!“ – sein Wunsch war mir natürlich Befehl.


Oder die Maisjagden, etwa als wir nach einem ereignislosen Tag eigentlich schon zur freudeschwangeren Hirschfeier des Beständers übergegangen waren, ich beim Wegfahren aber doch noch schnell einen Acker kontrollierte – und dann per dringendem Anruf noch mal alle auf die Läufe nötigte? Mit deutlich reduzierter Truppe brachten wir es dann ebenfalls noch auf den letzten Drücker zu ich glaube 17 Sauen!

Dann wechselte der Pächter, in einem Übergangsjahr hatte ein anderer sehr guter Freund für kurze Zeit das Kommando: zu sechst und mit ein paar Dackeln konnten wir einmal vormittags 11 Füchse zur Strecke legen. Das Kleinod war eine richtige Wundertüte, man wusste nie, was einen erwartet.

Ich hatte das Revier und die Jagden dort vermisst. Doch wie das Leben so ist, alles hat zwei Seiten: durch an sich traurige Umstände scheine ich nun hier wieder freudige Einsätze zu haben. Seit Tagen waren überall Sauen im Raps zu sehen und zu hören, bisher hatte es aber einfach noch nicht gepasst. Also halfen wir am Sonntag mit ein Wenig Buchenholzteer nach und ließen einen Tag Ruhe: keine Schweine, sondern Schweini´s Lebenssprint standen auf dem Programm.

Gestern der Einsatz, zu fünft rückten wir aus. Die Infra-Struktur des Reviers ist noch ausbaufähig, also nahmen wir mehr oder weniger auf Verdacht verschiedene Positionen ein. Zufällig saß ich auf dem Sitz, vor dem Jahre zuvor die Anrufsau ihr Leben ließ, und konnte recht weit in den Gegenhang gucken. Es windete ziemlich und regnete anfangs, ich sah lange nichts außer einem Fuchs. Der Chef der Truppe filmte währenddessen fleißig eine Bache mit drei Streifenhörnchen, die er über zwei Stunden bei bestem Licht vor sich hatte – Madame legte sich dabei drei Mal zum Säugen vor ihn. Ralf fotografierte auf 2m seinen Standardbock, dem er anderntags auf dieselbe Entfernung schon beim heftigen Fegen gefilmt hatte.

Bei mir war nix. Es dusterte allmählich, also war das Abglasen mit dem WBG bereits deutlich schneller und angenehmer – was war das? Sicher 600m im Gegenhang lag ein langestreckter Misthaufen zwischen zwei Rapsäckern – aber hatte der vorhin schon so ein kugeliges, quirliges und knallweißes Ende? Nein, Sauen! Und zwar einige, in allen Größen! Ich sprang vom Sitz und hechtete talwärts. Zwar hätte ich Usain Bolt, die alte Pfeife, natürlich locker und unbeschwert überholt, aber das Auto kürzte das Ganze dann doch etwas ab, die Zeit drängte. Ausgestiegen, um die Ecke gelugt –bereits überriegelt, Mist. Ich eilte den Weg hoch, nach etwa 200m konnte ich einen kurzen Blick auf eine Bache samt Nachwuchs erhaschen, doch der Weg hatte eine Kurve. Weiter! Nach weiteren 100m wieder ein kurzer Anblick, dann waren sie plötzlich weg – ah, hier öffnete sich ein weiter Weg zwischen den Äckern. Etwas tolpatschig war ich zu nahe an diesen herangestolpert, schon schaute mich auf kürzeste Entfernung der helle, misstrauische Wurf der Leitbache an. Typisch: hoch erhobener Wurf, gestreckte Quaste, auf der Stelle tippeln, vorsichtiges Blasen… In Zeitlupe sackte ich ab hinter ein paar Rapsstengel, sie musste sich erst wieder beruhigen.
Keine 6m vor mir war ein wildes Geschmatze und Gequieke im Gang. Der tiefe Sound der Bache, eine paar helle Quakser, etwas dunklere Unterhaltungstöne – offensichtlich waren hier drei Generationen aktiv. Ich machte mich schon in der Hocke fertig und richtete mich langsam auf… Da! Sicher nicht mehr als 5m vor mir die schwarze, langschwartige Bache, etwas weiter hinten eine weitere. Dazwischen ein paar graue Überläufer um die 30 Kilo, am linken Rand den Geräuschen nach der diesjährige Nachwuchs. Wieder blaffte mich eine der Bachen ein Wenig an, zog aber zum Glück nur grummelnd etwas weiter. Stellt Euch, verdammt, stellt Euch… die Halbwüchsigen standen alle brezelbreit parallel am Rand und ließen sich den Raps schmecken, verdeckten sich aber gegenseitig. Plötzlich kam von links ein weiteres, etwas größeres Stück. Erst dachte ich an eine weitere Bache, aber es war grau und kurzschwartig, dann konnte ich eindeutig einen Pinsel entdecken – Jetzt! In den dumpfen Schuss peitschte ein helles Klatschen, auch ein kurzes Klagen zeigte den Treffer an, überall war Gewusel – ich ****! Anstatt hochblatt den Bewegungsapparat anzuvisieren und das Stück an den Platz zu bannen, hatte ich aus alter Gewohnheit wildbretschonend hinter das Blatt gehalten. Statt des schlegelnden Keilerchens zeigte das WBG etwa 15m vor mir nur deutliche Schweißspritzer und zwei Lungenfetzen an den Stengeln – Halleluja. Ich ging vorsichtig zum Anschuss, da noch überall Bambule war. Ab und an sprangen oder zogen Stücke über den Weg und dem grummelnden Locken der Hauptbache entgegen. Da in diesem Chaos aber kein sauberes Ansprechen mehr möglich war, kümmerte ich mich um die Pirschzeichen: heller, weit gespritzter Lungenschweiß und eben diese zwei größeren Fetzen. Der Treffer war super, aber eben dämlich, wenn man am Raps jagt.

Etwa 50m kämpfte ich mich durch den nassen Raps von Schweiß zu Schweiß, immer wieder in der Hocke die Stengel ein bis zwei Meter vor mir inspizierend. Dann wurde die Flucht deutlich breiter, offensichtlich unkontrollierter- Aufatmen, Ende. Auch der Rückweg samt unaufgebrochenem Keilerchen war beschwerlich, aber immerhin: die erste richtige Sau im neuen Jagdjahr dieses Reviers war gelandet.

Ein kurzer Rundblick, ein Reh unten bei Lena, zwei starke Hirsche ca 700m im Gegenhang, um mich rum aber jetzt Ruhe. Ich fuhr zurück zu meinem Sitz, da ich einiges meiner Ausrüstung dort gelassen hatte, ließ den Motor und die Scheinwerfer an und eilte die Leiter hinauf. Aus reiner Routine ein Rundblick mit dem WBG – Holla die Waldfee, wer bist Du denn??? Keine 60m vor mir direkt auf dem Weg eine einzelne Sau! Wie ein Affe spritzte ich ins Auto, stellte Motor und Beleuchtung ab, ermahnte sämtliche Vierläufer im Wagen, besonders das Brackentier, unter geflüsterten, wüsten Beschimpfungen zur Ruhe und kletterte bewaffnet wieder nach oben. Das Stück war noch da! Es meanderte mal links, mal rechts zwischen den Rapsäckern herum und war offensichtlich ein Hegeabschuss, denn es musste blind und taub sein. Bei einer der Querungen war auch hier deutlich der Pinsel und das Fehlen einer hell leuchtenden Milchleiste zu sehen – Keilerchen! Immer wieder verschwand der Blindgänger hinter den Randstengeln, die Wolken vor dem Mond trugen nicht zu meiner Beruhigung bei. Nur im WBG sah ich es manchmal durch die Stengel scheinen, es war noch da… stell Dich! Jetzt? Langsam schob sich das Haupt hervor… einen Schritt noch, auf den Teller wollte ich nicht schießen! Einen… weg! Kurz darauf wieder das Haupt… Jetzt auch der Schritt, ein leichtes Eindrehen zu mir –perfekt, ein Wenig halbspitz von vorne ist für einen Platzbanntreffer immer gut – WENN man alles richtig macht. Ich aber machte denselben Fehler wie kurz zuvor und hielt kurz hinter das Blatt anstatt, wie es aus diesem Winkel hätte sein müssen, kurz davor. Dumpfer Kugelschlag, leer war die Bühne. Ich ****, die zweite!

Da ich an diesem Anschuss aber auch rein gar nichts fand, bat ich den Rest der Corona um Hilfe. Ich wusste, die Sau hatte einen Treffer, aber ich befürchtete auch, dass dieser nicht wirklich super sein könnte. Wir fanden auch zu fünft nichts, jetzt war guter Rat teuer. Ich hatte trotz des dichten Rapses keine Flucht vernommen, aber mal kurz gedacht, nicht weit vom Rand Schnaufen und „Treteln“ zu hören. So nenne ich die langsame Version des Schlegelns eines verendenden Stückes, ich weiß nicht, ob es dafür einen Fachbegriff gibt?
Da der Acker außerdem nicht groß war beschlossen wir, mal einen der Hunde zu befragen. Die Wahl fiel auf die lisfspelnde Häsfsliche, da der schwarze schwarze Labradorblitz zu stürmisch und das Brackentier zu jung waren. Außerdem konnte sich die kleine Lalli am besten durch den Raps schlängeln. Ich ließ sie am Rand entlang suchen, da wir den Anschuss ohnehin nicht sicher wussten. Beim ersten Versuch war das eigene, große Geschäft noch wichtiger, beim zweiten aber riss es das dicke Ding förmlich herum, mit der Eleganz eines dreiläufigen Nilpferdbullen tauchte sie im Raps unter. Als der Riemen zu ende war, musste auch ich mir einen Weg in den Dschungel bahnen. Lalli passte die Verzögerung gar nicht, sie riss immer wieder vorwärts und fing an, zu wimmern – aha! Das wiederum nahm der schwarze Labradorblitz zum Anlass, umständliche Verwaltungsanträge bei Frauchen zu umgehen und sich den Einsatzbefehl selbst zu geben. Wie ein Torpedo donnerte sie aus dem Wagen und den Weg hinunter, um ihrer kleinen „Schwester“ zu helfen, und schepperte ebenfalls in den Raps, nur eben mit der Feinfühligkeit von drei Nilpferdherden. Sofort und nur ein paar Armlängen vor dem ob dieser Unverfrorenheit empört aufkreischenden Dackelchen prustete sie genüsslich in das längst verendete Keilerchen – Et voila, keine 10m vom Rand lag Nummer zwei des Abends.

Allgemeines Hallo und Freude, das hatte doch mal geklappt heute, der Truppeneinsatz hatte sich gelohnt! Wir waren alle etwas müde, sonst weiß ich nicht… a bisserl was wäre sicher noch gegangen… Auf jeden Fall und alle Fälle: ich bin seelig, dieses Revier wieder getroffen zu haben. Es wird wohl nicht die letzte Geschichte von dort sein… Die Bilder sind nur Beispiele aus den vorigen Jahren dort, gestern wurde kein ansehnliches gemacht.
 

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15 Okt 2013
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Gib´dem Italiener bei Gelegenheit mal ein Küsschen von mir.
Der hat uns so viel Vergnügen auf demTreiberwagen verschafft, das bleibt mir ewig in Erinnerung.:thumbup:
 
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10 Jan 2016
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1.552
In alten ....

Leider kann der Max nichts mehr dazu schreiben oder antworten da er gesperrt wurde. Schade , echt schade.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15976

Guest
Das habe ich mich auch grade gefragt
 
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