Die Quellen hinter meinen Links scheint ja niemand zu lesen ...
Deshalb mal etwas Klartext hier:
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29. April 2010
Ist Griechenland noch zu retten?
Griechenland sieht sich nicht länger in der Lage, Geld an den Finanzmärkten aufzunehmen, und ist damit de facto bankrott. An den Märkten wird die finanzielle Lage des Landes mit seinen rund 300 Milliarden Euro Staatsschulden mittlerweile als aussichtslos angesehen. So stieg die Rendite für zweijährige Staatsanleihen am Mittwoch kurzzeitig auf 25 Prozent. Die Ratingagentur Standard & Poor's klassifiziert griechische Staatsanleihen als Ramschpapiere. Darin drückt sich die Erwartung aus, dass Griechenland seine Schulden lediglich zum Teil zurückzahlen kann. Wie zu hören ist, erhalten die griechischen Banken nur noch von der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld. Andere Banken leihen den Athener Banken offensichtlich nichts mehr.
Wie hoch ist der Kapitalbedarf Athens?
Griechenland entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden. Die vom Internationalen Währungsfonds und den europäischen Partnern in Aussicht gestellten Hilfen über 45 Milliarden Euro reichen nach neuesten Schätzungen vermutlich nicht einmal bis zum Jahresende. Über den Kapitalbedarf in den darauf folgenden Jahren lässt sich nur spekulieren, da die griechische Wirtschaft in eine Rezession mit zusätzlichem Kapitalbedarf zu stürzen droht und das mit dem IWF und den europäischen Partnern besprochene Sanierungspaket noch nicht vorliegt. Der IWF schätzt den Kapitalbedarf auf rund 120 Milliarden Euro für drei Jahre. Davon dürften auf Deutschland wenigstens 25 Milliarden Euro entfallen, eventuell auch deutlich mehr.
Kommt eine Umschuldung?
Die Politiker erklären eine Umschuldung öffentlich noch für tabu, um keine Panik zu säen. Tatsächlich gilt eine Umschuldung mit einem Abschlag von 30 bis 50 Prozent auf die griechischen Verbindlichkeiten bei vielen Fachleuten als unumgänglich. Seit dem Jahr 1945 hat es mehrere hundert Umschuldungen von Staaten gegeben, nach denen sich die betroffenen Länder häufig erholt haben.
Wer wäre von einer Umschuldung betroffen?
Die Gläubiger Griechenlands, die dem Land über Jahre billig Geld zur Verfügung gestellt haben, ohne sich um die Bonität des Landes zu kümmern. Nach Berechnungen der Londoner Investmentbank Barclays Capital befanden sich Ende September vergangenen Jahres 77 Milliarden Euro Staatspapiere im Besitz griechischer Anleger, darunter 42 Milliarden Euro bei Athener Banken, die diese allerdings überwiegend als Pfand bei der Europäischen Zentralbank deponiert haben, um Geld zu erhalten. Französische Anleger hielten 50 Milliarden griechische Staatspapiere, deutsche Anleger 28 Milliarden Euro. Größter deutscher Einzelgläubiger dürfte die verstaatlichte Immobilienbank Hypo Real Estate mit Anleihen über 7,9 Milliarden Euro sein. Eine Abwertung der griechischen Anleihen um rund 50 Prozent würde zumindest die griechischen Banken, die Hypo Real Estate und eventuell wenige andere Banken in Existenznot bringen. Sie müssten, sofern sie als systemrelevant eingeschätzt werden, durch staatliche Kapitaleinschüsse stabilisiert werden. Einbußen würden auch Versicherer und Fondsgesellschaften hinnehmen, die in griechischen Staatspapieren engagiert sind.
Staatshilfe oder Umschuldung?
In der öffentlichen Diskussion ist umstritten, ob Griechenland eher durch Staatshilfen (einschließlich IWF) oder durch eine Umschuldung stabilisiert werden sollte. Die Befürworter von Staatshilfen, und darunter nicht zuletzt die Finanzbranche, fürchten chaotische Zustände an den Finanzmärkten bis zur Gefahr einer Systemkrise, wenn als Folge einer Umschuldung in Griechenland weitere Umschuldungen in Ländern wie Portugal und Spanien notwendig werden könnten. Die damit verbundenen Abschreibungen auf Staatsanleihen könnten nach dieser Argumentation die Stabilität des Finanzsystems aushöhlen.
Die Befürworter der Umschuldung vertreten die Ansicht, dass Griechenland zur Verfügung gestellte Steuergelder angesichts der verheerenden Situation des Landes verloren sind und eine spätere Umschuldung nicht verhindern. Außerdem halten sie es nicht nur für gerecht, sondern angesichts des für eine Marktwirtschaft wichtigen Haftungsprinzips auch für notwendig, dass die Kosten einer Umschuldung von den Gläubigern getragen werden müssen und nicht von den Steuerzahlern. Jeder Kapitalanleger muss für seine Entscheidungen die Verantwortung tragen; das gilt auch für Banken. Eine Systemkrise als Folge einer Umschuldung betrachten die Befürworter nicht als wahrscheinlich, da Griechenland ein kleines Land ist und der befürchtete Dominoeffekt nicht eintreten muss.
Sollte Griechenland den Euro verlassen?
Hier gehen die Ansichten der Ökonomen auseinander. Eine traditionelle Argumentation, wie sie der Tübinger Ökonom Joachim Starbatty vertritt, befürwortet die Wiedereinführung der Drachme, die sehr wahrscheinlich gegenüber dem Euro kräftig sehr stark an Wert verlieren würde. Eine Abwertung nimmt Kostendruck von der griechischen Wirtschaft und kurbelt über zusätzliche Exporte nunmehr billigerer griechischer Güter und Dienstleistungen die Wirtschaft an.
Die Gegenposition, wonach Griechenland im Euro besser aufgehoben ist, äußert unter anderem der niederländische Ökonom Willem Buiter. Er sieht die griechische Wirtschaft in einer derart schlechten Verfassung, dass eine Abwertung überhaupt nicht helfe. Vielmehr brauche Griechenland sehr weit reichende Strukturreformen, die nur unter dem Druck des IWF und der europäischen Partner im Euro politisch durchsetzbar seien. Verlasse das Land den Euro, entfalle der Druck auf die griechische Regierung, wonach die unabdingbaren Strukturreformen ausblieben. Dann erzeuge die billige Drachme Inflationsdruck im Land, während die schwache Wirtschaftsstruktur keine bedeutende Steigerung der Exporte gestatte. Da ein Land nicht aus der Währungsunion ausgeschlossen werden kann, bleibt die Debatte rein akademisch, solange Griechenland nicht selbst den Euro verlassen will. Dafür gibt es bis heute keine Anzeichen. Für die Partner Griechenlands wäre ein freiwilliger Austritt sicherlich eine gute Nachricht, da die Währungsunion einen Pleitekandidaten los wäre. Die Währungsfrage ist jedoch unerheblich mit Blick auf eine Umschuldung: Sie ist in jedem Falle notwendig.
Erfasst die Krise weitere Länder?
Darüber lässt sich nur spekulieren. In den vergangenen Tagen sind die Renditen von Anleihen aus Portugal, Irland und Spanien im Sog der griechischen Renditen gestiegen, wenn auch bei weitem nicht so stark wie die Anleihen Griechenlands. Bisher herrscht an den Märkten die Ansicht vor, dass Griechenland in seiner verzweifelten Lage einen Einzelfall darstellt, die anderen schwächeren Länder im Euro aber Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Staatshaushalte und ihre Wirtschaft zu sanieren. Auf mittlere und längere Sicht müssen diese Länder dringend ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, was durch Reformen auch möglich wäre. Insofern spricht manches dafür, dass die Bonität von Ländern wie Portugal von den Märkten abhängig von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung immer wieder in Frage gestellt wird, eine Zuspitzung wie in Griechenland aber ausbleiben wird. Sollte an den Finanzmärkten jedoch eine Panik ausbrechen wie nach dem Kollaps von Lehman Brothers, ist kurzfristig alles möglich.
Ist die Stabilität des Euro in Gefahr?
Nein. Der Euro wäre in Gefahr, wenn er erheblich an Wert verlieren würde und ihn die Menschen deswegen ablehnten. Davon kann aber keine Rede sein. Für die Stabilität des Euro ist die Geldpolitik verantwortlich. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Inflationsrate seit der Gründung des Euro sehr niedrig gehalten; niedriger als seinerzeit die Deutsche Bundesbank die Inflationsrate der D-Mark. Das wird gerade in Deutschland gerne übersehen und steht im Widerspruch zu den Prognosen deutscher Euro-Kritiker vor der Einführung der Gemeinschaftswährung.
Auch an den Devisenmärkten kann von einem dramatischen Wertverfall des Euro keine Rede sein. Im langjährigen Vergleich ist der Euro bei Kursen um 1,32 Dollar gegenüber der amerikanischen Währung immer noch stark, auch wenn er in den vergangenen Wochen an Wert verloren hat. Ein aus wirtschaftlicher Sicht angemessener Kurs läge nach Berechnungen von Ökonomen bei rund 1,20 bis 1,25 Dollar. Schwäche zeigt der Euro allerdings gegenüber dem Gold. Auch wenn einzelne Länder wie Griechenland oder Portugal die Gemeinschaftswährung verlassen müssten, würde der Euro dadurch nicht schwach. Im Gegenteil: Er würde an den Devisenmärkten vermutlich sogar an Wert gewinnen. Allerdings wäre der Verlust von Mitgliedsländern aus politischer Sicht eine Blamage für die Befürworter der Währungsunion.
Wird Europa zur Transferunion?
Die Gefahr lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Griechenland andere Mitgliedsländer auf die Idee bringen könnte, auf Transfers der reichen Länder wie Deutschland und der Niederlande zu bauen. Allerdings dürfte der politische Widerstand in den reichen Ländern zunehmen. Die in den vergangenen Jahren aufgebauten Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden der Währungszone erfordern eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem im Süden. Außerdem muss die Sicherung der Haushaltsdisziplin durch verbindliche Regeln gestärkt werden.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa, F.A.Z.-Greser&Lenz