Wenn ich in meinem Jagdtagebuch blättere, findet sich zu der BBF folgendes Erlebnis:
„Sitzen wir morgen raus?“ – „ich wollte schon“, entgegnete mein Vater. „Stellst du den Wecker und weckst mich dann auch“ – „ja, mache ich“, sagte er und wir beide begaben uns in unseren Kessel. Ich wache langsam auf, die Vögel im Garten lassen mich lauthals wissen, dass Vater verschlafen hat, wollte er mich doch wecken. Also eben andersherum, unsanftes wecken "wir haben verschlafen, aufstehen, hopp hopp". An Kaffee war nicht zu denken, schnell anziehen (fraglich, ob ich mich damals überhaupt anziehen musste. So oft wie ich draußen war, habe ich gefühlt die grüne Kleidung nicht mal zum Schlafen abgelegt). Die schwarze Lederpatronentasche, die ich meinem Vater zwangsenteignet habe, wird ein letztes Mal kontrolliert, 6x Kugel, 3x Schrot, 2x Flintenlaufgeschoss, alles befüllt. Das Steiner Nighhunter Xtreme 8x56, welches ich von Opa zum Bestehen der Prüfung bekommen habe, wird noch umgehängt und das Auto rollt vom Hof. Ein Blick auf die Uhr erübrigt sich, schlagen doch die Glocken im Ort 05:00Uhr. Als Aufbaumungsobjekt hält eine Kanzel im Wald her, welche sich an einem Schotterweg in einem Südhang befindet. Eine Waldwiese, die knapp 150m entfernt ist, der Bach der an dieser entlang führt, die Salzlecke und die Verengung des Waldes an dieser Stelle garantieren fast immer Anblick, so ist dieser Sitz nicht erst seit diesem Erlebnis mein Lieblingssitz. Nach vorne hat man größtenteils Buchen und ein paar Eichen vor sich, knapp 110m sind es oben bis zur Hangkante. Im Rücken hangabwärts fließt der Bach, der knapp genauso weit entfernt ist wie die Hangkante. Am Bach hangaufwärts findet sich ein Fichtenbestand, der weiter RIchtung hangaufwärts von Buchen abgelöst wird. Nach links kommt in knapp 120m die Waldwiese, damals aber noch ohne Fenster auf der linken Seite.
Ich machte es mir gemütlich, die Waffe wurde in der Ecke verstaut, Gehörschützer wurde um den Oberschenkel geklemmt, da ich den Druck nicht die ganze Zeit am Kopf haben wollte und diese als Hutträger ohnehin immer als etwas störend empfinde. Um halb 6 kommen mir zwei Hasen in Anblick, die zügig vorüberziehen. Das Vogelkonzert ist im vollen Gange, die dunklen Farben vermischen sich immer mehr mit dem fast leuchtend hellen grünen Farben, es wurde Tag. Schon immer saß ich lieber ins Helle, wenn der Wald erwacht, die Vöglein singen und die Farben das Dunkle übernahmen. Ich war in Gedanken, leicht gefrustet wegen des Verschlafens. Zukünftig, so schwöre ich, werde ich selbst wieder die Wecker stellen und nicht mehr verschlafen (Notiz an mein jüngeres Ich: das mit dem Verschlafen hat sich durchs eigene Wecker stellen auch nur bedingt gebessert
) Um dreiviertel sechs vernehme ich ein schreckendes Reh in weiter Entfernung, was dem Vogelkonzert eine andere musikalische Note zuspielt. Um 06:00 melden dann Amseln außerhalb des Orchesters, dass etwas im Wald sein Unwesen treibt. Die zum Trichter geformten Hände wandern zu den Ohren, in weiter Entfernung meinte ich, etwas in meine Richtung ziehen zu hören. Es kam immer näher, wurde dabei um ein vielfaches lauter und lauter, dass man meinen wollte, ein Zug sei im Wald unterwegs. Aufgrund fehlender Erfahrung habe ich erst realisiert, dass es Sauen sind, nachdem mir diese in Anblick kamen. Auf 140m im schnellen Troll zogen sie den Hang entlang, ein Bild das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Die Bache mit knapp 65kg voraus, sechs weitere mit knappen 40kg folgten ihr. Sofort packte mich das Jagdfieber, was nun… Hunderte Gedanken schossen einem in den Kopf. 42 erfolglose Ansitze auf Sauen und nun ist sie da, die Möglichkeit, zum Greifen nah, bei bestem Licht. Die rechte Hand geht zur BBF und so leise wie möglich versuche ich diese aus der Ecke zu bekommen, ohne irgendwo anzustoßen. An den Gehörschützer, der um den Oberschenkel klemmt, ist nicht mehr zu denken. Wenn die Sauen die Richtung halten, werden Sie meinen Sitz auf knapp 60m knapp 10m hinter der Salzlecke, passieren. Ich streiche am Kanzelholm an, mein rechter Daumen drückt die Sicherung nach vorne, der vordere Abzug wird nach vorne gedrückt um danach den Pistolengriff fest zu umfassen. Ich fahre mit, Baum, Lücke, zwei Sauen hintereinander, Baum… so wird das nichts. Schnell äuge ich nochmal ein paar Meter voraus, um eine Lücke auszumachen. Durch einen Pfiff versuchte ich, die Rotte zum Anhalten zu bewegen, diesen Gefallen erwiderten sie mir aber nicht, also musste es die Lücke werden. Ich wartete gespannt im Anschlag, Bache rüber, jetzt gilt es:
nächste rüber, zu hoch im Ziel, Haltepunkt war an die Bache angepasst, also wieder etwas weiter unten anhalten. Nächste rüber, Höhe passt, doch zu langsam vom Steuermann. Etwas weiter nach vorne in die Lücke, dass ich etwas mehr Reaktionszeit habe, jetzt kommt die nächste Wutz, Höhe passt, ich halte vorne an, will sie hineinlaufen lassen und BUMM. Der Schuss halt durch den Wald und mir durchs gesamte Mark. Ich bin kurz wie versteinert, muss schnell meine Gedanken sammeln, die ganze Situation ist eine einzige Überflutung an Gefühlen, Eindrücken und Erlebnissen. Doch nicht nur ich bin wie versteinert, die Rotte verhofft auch unmittelbar. Ich schaue durchs Zielfernrohr, bin noch immer in der Lücke und sehe, dass etwas dunkles den Waldboden ziert. Da liegt sie, meine erste Sau. Das Jagdfieber hat mich endgültig gepackt, meine Knie weicher als ein Hornady V-Max Geschoss und eine im Wind stehende Espe könnte meinen, ich wäre ihr gleichartig. Die Sauen drehen ab und trollen sich, im selben Tempo wie sie kamen, auf dem selben Wechsel zurück, nachdem sie für knapp 4 Sekunden verhofften. An einen zweiten Schuss wollte und konnte ich in dieser Situation nicht denken, lud aber nach, um gleich wieder auf meine erste Sau anzubacken. Doch nachschießen war nicht nötig, das Stück schlegelte noch kurz, um dann in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Sauenwitterung lag in der Luft, doch vermutlich kam diese von meiner kombinierten Begleiterin.
Nach kurzem warten, welches einem wie eine Ewigkeit vorkam, musste ich umgehend zu dem erlegten Stück. Abgebaumt, flotten Schrittes den Hang hoch zum Stück. Erst als ich vor ihm stand, realisierte ich, was da alles vor sich ging. Was sich für eine Möglichkeit bot, dass ich mein erstes Stück Schwarzwild erlegen konnte, dieses nun nicht mehr der Rotte folgt und stattdessen nun vor mir liegt und zum Nahrungsgewinn dienen sollte. Ich freute mich über den geglückten Schuss, war aber dennoch demütig ein Stück der Wildbahn entnommen zu haben. Ich verharrte einige Minuten an Ort und Stelle, reichte dem Stück den letzten Bissen und zog das Stück den Hang hinunter, damit es neben der Kanzel seinen Platz finden sollte. Ein Fahrradfahrer fuhr kurze Zeit später vorbei, nach kurzem Gestikulieren seinerseits, ob ich das Stück erlegt habe, nickte ich und er fuhr weiter. Hierdurch verbreitete sich im Ort die Erlegung meines ersten Stückes wie ein Lauffeuer und die folgenden Tage und Wochen bekam ich von Hinz und Kunz ein Waidmannsheil entgegengebracht, was mich doch auch immer freute und an das Erlebnis des 05.05. denken ließ.
Zur Bergung des Stückes kam dann die ganze Familie mit dazu. Erlebnisse des Morgenansitzes wurden ausgetauscht und ich rekonstruierte nochmals das Erlebte, wie viele es waren, zeigte woher sie kamen und wohin sie gingen, dass die Sau im Knall lag und ich wie Espenlaub zitterte. Besonders freute ich mich, meinem Opa drüber berichten zu können, zumal er im Winter vorher von dieser Kanzel aus einige Sauen an unserer Drückjagd vorhatte.
Heut Abend kommen kommen dann noch ein paar Bilder.